Ist das noch zeitgemäß? Ein Gründerinnenzentrum - eine Einrichtung also mit einem Angebot speziell und ausschließlich für Frauen? Lena Rübelmann braucht man mit dieser Frage nicht zu kommen. Sie sagt in aller Klarheit: ,,Wenn irgendwann 50 Prozent aller neuen Unternehmen von Frauen gegründet werden oder 50 Prozent der Start-ups in anderen Start-up-Zentren von Frauen mitgegründet wurden, dann machen wir den Laden zu. Aber bis dahin sollten wir mit dem Diskutieren darüber nicht wichtige Zeit verschwenden."

Lena Rübelmann: Noch mehr Frauen zur Gründung zu ermutigen sieht die GIG7-Leiterin als Auftrag der Institution.
Lena Rübelmann: Noch mehr Frauen zur Gründung zu ermutigen sieht die GIG7-Leiterin als Auftrag der Institution.

Die Leiterin des Gründerinnenzentrums GIG7 und Bereichsleiterin für Female Entrepreneurship beim Mannheimer Start-up-Ökosystem Next Mannheim hat die aktuellen Zahlen parat: Der Anteil der Frauen an Unternehmensgründungen in Deutschland lag 2020 bei 38 Prozent, an den meist kapitalintensiveren Start-ups waren nur 16 Prozent Frauen beteiligt. Die Aufschlüsselung nach Branchen ergebe kein erfreulicheres Bild, so Rübelmann: Gründerinnen seien vor allem in freien Berufen und in den Bereichen Dienstleistung, Bildung oder im Gesundheitswesen, nicht aber in der Medizintechnologie, zu finden: ,,Im Tech-Bereich sind sie stark unterrepräsentiert." Stattdessen bemerkten viele Frauen immer noch hohe Hürden und unterschwellige Vorbehalte bei Gesprächen mit den Mitarbeitern von Banken und Behörden, berichtet sie: „Auch im Jahr 2022 werden Frauen zum Beispiel im Kontext eines Kreditvergabegesprächs noch Fragen gestellt, die männlichen Gründern im selben Alter meist nicht gestellt werden: nach ihrem Kinderwunsch etwa oder den Betreuungsmöglichkeiten, wenn sie bereits Kinder haben."

Das zu ändern und noch mehr Frauen zur Gründung zu ermutigen, sieht die gebürtige Weinheimerin als Auftrag der Institution - auch 20 Jahre nach ihrer Gründung durch die damalige Frauenbeauftragte der Stadt Mannheim, Ilse Thomas, im Jahr 2002. 2013 starb Thomas nach schwerer Krankheit, aber die, die sie kannten, haben sie in lebendiger Erinnerung: als durchsetzungsstarke, in sich ruhende Streiterin für die Interessen von Frauen und als Seele des Gründerzeithauses im Quadrat G7, dessen Umbau zum Zentrum mit Büros, Seminar- und Besprechungsräumen sie engagiert vorangetrieben hatte. Ihre Nachfolgerin Barbara Limbeck weitete das Beratungs- und Förderangebot, das durch EU-Gelder und Zuschüsse des Landes Baden-Württemberg sowie der Stadt Mannheim finanziert wird, auch auf gemischte Teams aus. Bis heute gilt die Regel, dass der Anteil der Frauen bei der Gründung eines Unternehmens bei mindestens 50 Prozent liegen muss, wenn das GIG7 die Vorbereitung und Startphase begleiten soll.

Rund 300 Beratungsanfragen gehen pro Jahr bei Lena Rübelmann und ihren vier Kolleginnen ein. Potenzielle Gründerinnen werden eingeladen, ihre Idee vorzustellen. Erweist sich diese als tragfähig, beginnt das Coaching. ,,Wir beraten auf Augenhöhe und holen jede Frau da ab, wo sie gerade steht", betont die Leiterin und zählt mögliche Angebote des GIG7 auf: ,,Bei Bedarf unterstützen wir beim Ausarbeiten des Businessplans, machen fit für Gespräche mit Banken und Behörden, helfen ganz praktisch bei der Einarbeitung in betriebswirtschaftliche Themen oder bei der Wahl der richtigen Rechtsform. Wir prüfen auch mal Mietverträge auf eventuelle Fallstricke." In manchen Fällen genüge ein Meeting oder ein Seminar, bei anderen sei die Begleitung intensiver, aber immer sehr individuell. In diesem Fällen bringen neun freiberufliche Beraterinnen mit Gründungserfahrung branchenspezifisches Know-how ein.

Das Konzept geht auf. Regelmäßige Auswertungen belegen, dass von den Frauen, die pro Jahr zur Erstberatung kommen, 60 Prozent anschließend tatsächlich in Mannheim und Umgebung gründen. Die meisten mit dauerhaftem Erfolg: „80 Prozent sind fünf Jahre später immer noch am Markt", betont Lena Rübelmann. Eine von ihnen ist Heike Katzenberger. Die Maßschneidermeisterin mit eigenem Maßatelier in Nachbarquadrat E 7 hatte sich vor der Gründung ihres Labels Monte Miau 2009 im GiG7 beraten lassen und ist bis heute dankbar: „Das war das Beste, was mir passieren konnte. Gespräche fanden immer auf Augenhöhe statt. Und mir wurde keine einzige blöde Frauenfrage gestellt.“ Ähnlich zufrieden ist Fanni Kovács. Sie hat 2018 Picadera gegründet, einen Onlineshop für iberisches und barockes Reitequipment - nach neun intensiven Beratungsstunden und einem Crashkurs in Buchhaltung. Seit 2020 hat ihr Unternehmen seinen Sitz in GIG7. Reizvoll fand sie nicht nur die schönen Räume zu moderaten Mieten für sich und ihre zwei Mitarbeiterinnen, sondern vor allem das kreative Umfeld: ,,Hier habe ich Nachbarinnen, denen meine Situation vertraut ist, kann mich austauschen und vernetzen." Denn auch das sei eine Herausforderung für Frauen beim Gründen, stellt Lena Rübelmann fest: ,,Vielen fehlen Vorbilder und Role Models. Das Besondere am GIG7 ist: Hier sind Gründerinnen der Normalfall und keine Ausnahmeerscheinungen."

Der 20. Geburtstag des GIG7 wurde im Sommer zurecht groß gefeiert. Zahlreiche ,,Ehemalige", also Unternehmerinnen, die vor Jahren beraten wurden oder auch eine Zeitlang ihr Büro im Zentrum hatten, tauschten sich mit den derzeitigen Gründerinnen und Mieterinnen aus und ließen die inspirierenden Abende im Innenhof zu einer Art Klassentreffen werden. Zum Geschenk machte das GIG7-Team sich, ihnen und der Stadtgesellschaft die ,,Female Founders Map", einen digitalen Stadtplan, der über die Webseiten des GIG7 und NEXT MANNHEIM abgerufen werden kann, und in dem von Frauen geführte Unternehmen in und um Mannheim aufgelistet sind - mit Standort und Kontakt. Eine gedruckte Version mit 75 Einträgen gab es auch, doch die war sehr schnell überholt. Inzwischen macht die Online-Map mehr als doppelt so viele Gründerinnen sichtbar. Tendenz weiter steigend. UTE MAAG