Mächtig ragen die Baumriesen in den Himmel auf, bis zu 60 Meter hoch, oben blitzt die Sonne durch die Wipfel. Die weiche, faserige Rinde der gigantischen Stämme der Sequoia-Mammutbäume ist von tiefen Furchen durchzogen. Sie lassen das stolze Alter ahnen, zeugen auch von Hitze und Kälte, von Stürmen und Regen, denen die imposanten Bäume in den vergangenen 150 Jahren ausgesetzt waren. Beim Rundgang durch den Exotenwald in Weinheim, der sich direkt an den Schlosspark anschließt, fühlen sich selbst menschliche Hünen winzig. Hier ragen einzelne Giganten über alle anderen hinaus, dort stehen sie als Grüppchen am Wegesrand Spalier: Atlaszedern, Riesen-, Urwelt- und Küstenmammutbäume, Sumpfzypressen, Gelbkiefern und mexikanische Fichten.

FANTASTISCHE IDEE EINES FREIHERRN

Als der damalige Weinheimer Schlossherr, Christian Freiherr von Berckheim, hier 1872 die ersten Bäume pflanzen ließ, war es unter Schlossherren Mode, den eigenen Garten mit exotischen Bäumen zu bestücken. Berckheim dachte größer: Sein Arboretum sollte ein veritabler Wald sein. Er entwarf einen Plan und skizzierte, wo welche Baumart gepflanzt werden sollte. Bald wurde der Schlossgarten zu klein, der Freiherr erwarb nach und nach weitere angrenzende Flächen dazu. Heute ist der Spaziergang durch den Weinheimer Exotenwald eine botanische Weltreise: Auf rund 60 Hektar wachsen mehr als 150 Baum- und Straucharten aus vier Kontinenten. Die Bäume stammen aus dem Mittelmeerraum und Afrika, aus Amerika und Asien, wurden hier immer in Gruppen angepflanzt, manchmal stehen 50 Mammutbäume zusammen. Sie sind zweifellos die beeindruckendsten, auch die ältesten – aber: „Praktisch sind das noch Halbstarke, sie haben erst ihre halbe Höhe erreicht. Bis sie voll ausgewachsen sind, dauert es noch mal 150 Jahre“, erläutert Stadtführer Dietmar Spicker, der regelmäßig Besucher durch den Exotenwald führt.

Nach oben hin ist bei etwa 100 Metern Schluss, es sei „ein bisschen wie bei den Menschen: Erst wachsen sie schlank in die Höhe, im Alter dann nur noch in die Breite“. Die Baumriesen ziehen in Weinheim die Blicke auf sich, obgleich die unscheinbareren Baumexoten, etwa seltene Kiefern- und Zedernarten, Gingkos und Magnolien, ebenso selten sind. Zu jeder Jahreszeit hat der Wald seinen eigenen Zauber, ein besonderes Naturspektakel ist aber der Indian Summer am Oberen Kastanienwaldweg. Die Laubbäume hier stammen von der Ostküste der USA, im Herbst bildet ihr Blätterkleid ein Kaleidoskop der Rottöne.

Seit 1955 ist der Exotenwald im Besitz des Landes, die Idee des einstigen Schlossherrn aber wird weiterverfolgt. Noch immer werden neue Baumarten aus aller Welt ausgepflanzt, 400 sind es bislang. Nicht alle kommen mit den klimatischen Bedingungen hierzulande zurecht und schaffen es, zu überleben. Die Hege des Baumbestandes ist aufwendig, in trockenen Sommern wie zuletzt muss schon mal die Feuerwehr bei der Bewässerung helfen. Den Freiherrn kostete seine Vision ein Vermögen, der Nachwelt machte er damit ein Geschenk von unschätzbarem Wert. Und dass er seinen Wald von der Kutsche aus bewundern wollte, ermöglicht heute die barrierefreie Erkundung auf breiten Wegen. red

WIE KAMEN MAMMUTBÄUME NACH DEUTSCHLAND?

Die ersten bei uns ausgepflanzten Mammutbäume stammen vermutlich aus der sogenannten Wilhelma-Saat. König Wilhelm I. von Württemberg orderte 1864 einige Tausend Samen aus Amerika und ließ sie in der Stuttgarter Wilhelma anzüchten. Von dort aus fanden die Jungbäume ihren Weg in Forst- und Fürstenwälder im ganzen damaligen Königreich.