Er war ein kauziger Typ, ein Sonderling, aber er war auch ein genialer Ingenieur: Der Erfinder des Fahrrades, der Freiherr Karl Drais, wurde am 29. April 1785, in Karlsruhe geboren. Die Laufmaschine, mit der er 1817 in Mannheims Straßen aufkreuzte, war mehr als „nur“ das Ur-Fahrrad. Die Technikgeschichte ist heute einig, dass es Karl Drais war, der an jenem 12. Juni 1817 auf der Chaussee zwischen Mannheim und Schwetzingen für den „Urknall“ der modernen individuellen Mobilität sorgte. Alles, was fährt – Fahrrad, Automobil – und sogar das Flugzeug sind demnach nur Weiterentwicklungen der Drais’schen Idee.    

Fahrrad: Urknall der modernen Mobilität-2
Genialer Kauz: Karl Drais.
BILD: ZG/ARCHIV

Doch der Reihe nach: Drais ist ein Spross des badischen Beamtenadels. Sein Vater Karl Wilhelm Ludwig Friedrich Drais von Sauerbronn (1755-1830) war in hohen Verwaltungsfunktionen tätig. Als 14-Jähriger verliert Drais seine Mutter, mit 15 schließt er das Gymnasium in Karlsruhe ab und wird in die Forstschule nach Pforzheim geschickt. Mit 18 geht er nach Heidelberg, studiert Mathematik, Physik und Baukunst und wird Hilfslehrer. Jagdjunker, Hofjunker, Kammerjunker, Forstmeister: Das sind die weiteren Karrierestationen in Drais’ Beamtenlaufbahn bis zum Jahre 1810. Schon ein Jahr später wird er 26-jährig mit vollem Gehalt in den Ruhestand geschickt. Vermutlich hatte sich der junge Karl mit seinen Vorgesetzten überworfen. Überliefert sind merkwürdige, der Beamtenhierarchie anmaßend erscheinende Vorschläge des jungen Drais zur Verbesserung der badischen Forstwirtschaft. Drais’ Vater, längst neu verheiratet, wird in Mannheim Präsident des badischen Obersten Gerichtshofs. Sein Sohn zieht zu ihm in die M-Quadrate, gibt Privatstunden, publiziert und beginnt, mit pferdelosen Fuhrwerken zu experimentieren. Zwei vierrädrige Vehikel mit Laufrad oder Kurbelantrieb entstehen. Wie er dann auf die Idee kam, die Räder statt nebeneinander hintereinander anzuordnen, ist unklar. Jedenfalls ist genau dies der geniale Geistesblitz, der die Welt verändern sollte. Innerhalb kürzester Zeit verbreitet sich die Laufmaschine in den Metropolen der alten und der neuen Welt. Karl Drais hatte auch noch das erste Trendsportgerät der Geschichte auf den Markt gebracht. Dass er selbst kaum einen finanziellen Erfolg damit hat, liegt auch am mangelnden Urheberrecht: Andere sahnen mit den Raubkopien ab. Drais erfährt verschiedene Ehrungen, wird – mit entsprechender Pension – zum Professor und Kammerherren ernannt und reist nach Paris, wo er seine Erfindung präsentiert.

Der Hype um die Laufmaschine beruhigte sich schnell wieder, und 1822 findet sich Drais auf einem Segler nach Südamerika, wo er sich als Landvermesser im Gebiet des heutigen Rio de Janeiro betätigt. Ende der 1820er Jahre ist er wieder in Mannheim. Mit der badischen Obrigkeit überwirft sich der Kammerherr, sein Titel wird ihm aberkannt, schlimmer noch: Die Pension wird gekürzt, er wird in den Odenwald verbannt. Als 60-Jähriger darf er endlich in seine Geburtsstadt Karlsruhe zurückkehren. Am 10. Dezember 1851 stirbt er dort mittellos in einem Elendsquartier. THORSTEN LANGSCHEIDT