Sonderveröffentlichung
Mit seinen 309 370 Einwohnern hat Mannheim nicht nur als Kommune in der Geschichte seiner gut 400 Jahre einen Quantensprung von der spätmittelalterlichen Festung in der Kurpfalz hin zu einer Handels-, Industrie- und Kulturstadt zurückgelegt – es sind auch die brillanten Köpfe, die das Potenzial dieses geografischen Ortes zwischen Rhein und Neckar nutzten, um mit ihren Erfindungen die Welt nachhaltig zu verändern. Mit ihren Innovationen – so sollte es die Geschichte zeigen – schafften sie einen Geist und Impulse, die auch Jahrhunderte später noch zeitlos gültig sind und bis heute fortwirken.NOT MACHT ERFINDERISCH: HISTORISCH GEWACHSENE SCHAFFENSKRÄFTEDie Visionen großer Geister machen sich erstmals 1816 unmissverständlich bemerkbar. Die Verleihung der Stadtprivilegien liegt zu diesem Zeitpunkt gute 200 Jahre zurück – als die Welt und damit auch die Rhein-Neckar-Region mit einer bis dahin beispiellosen Katastrophe umgehen lernen musste. Denn die Folgen des heute legendären Vulkanausbruchs in Indonesien machen sich global bemerkbar. Gewaltig hatten die Aschewolken des Tambora den Globus verfinstert, bescherten auch Deutschland und Mannheim einen sogenannten „Schneewinter“. Die Folgen waren verheerend – und das nicht allein, weil der Ausbruch rund um die Lavafluten selbst Zehntausende das Leben kostet und auf die Ernteausfälle der Bauern eine internationale Cholera-Epidemie folgte, die von Bali aus auch wesentliche Teile der westlichen Welt erreichte, sondern weil die Versorgung mit Gerät und Lebensmitteln plötzlich nahezu brach lag. Um eine, wenn auch reduzierte, Form der Mobilität zu ermöglichen, wagt Karl Drais den Versuch, aus Holz ein stabiles, zweirädriges Gefährt zu bauen, mit dem Bauern, aber auch Handelsleute ihr Fortkommen und damit ihre Zukunft solide sichern können. Schnell stellte sich heraus: Seine Laufmaschine war als legitimier Vorgänger des heutigen Fahrrads kein versponnenes Experiment, die Erfindung reagierte vielmehr brillant und breit auf eine Krise und die daraus entstandenen Leiden. Der Leitsatz „Not macht erfinderisch“ löste sich damit auf kongeniale Art und Weise ein und setzte den Startpunkt einer Innovationskraft, die in Mannheim noch lange anhalten sollte.Denn vollkommen gleich, ob in der Folge die Firma Siemens 1880 mit der Entwicklung des ersten elektrischen Aufzugs nachzog, Carl Benz mit seinem Patentwagen sechs Jahre später sein erstes Automobil vorstellt oder die Lanz AG 1921 mit dem Traktor die Revolution für die Landwirtschaft präsentierte: Von Ludwig Roebel bis Julius Hatry ist Mannheim geprägt von einem Geist historischer Handlungsfähigkeit im Wandel. Eine Kompetenz der Vielen, die nicht immer nur aus der Not heraus reagierte, sondern oftmals schlicht proaktiv die klare Verbesserung der Lebensverhältnisse zum Ziel hatte, wenngleich festzuhalten bleibt: Ein historisch gewachsener Pragmatismus hat die Quadratestadt zu einem Aushängeschild kluger Köpfe werden lassen, auf das nicht nur Deutschland, sondern auch die Welt seither mit neugierigen Augen blickt.ERMÖGLICHUNGSRÄUME ZWISCHEN OFFENHEIT UND FORTSCHRITTÜberhaupt real wurde dieser Möglichkeitsraum Mannheim entscheidend auch durch seine Gestaltung im Lauf der Jahrhunderte. Denn Mannheim strahlte nicht nur als Residenzstadt des Kurfürsten nach ganz Europa aus – auch die gesellschaftliche Dimension spielt hier eine entscheidende Rolle. Denn während andere Herrschaftsbereiche der späteren Bundesrepublik Deutschland vor allem auf ihre innere Entwicklung fokussiert bleiben, wird Multikulturalität in Mannheim bereits seit dem 18. Jahrhundert zu einem zentralen Element. Getrieben wird die Internationalisierung der Quadratestadt einerseits durch die Industrialisierung und die daraus folgende Expansion von Raum und Einwohnern, andererseits jedoch auch durch eine bewusste Offenheit für das Neue, Fremde und Spannende. Bereits vor mehr als 300 Jahren gilt die Stadt so als Schmelztiegel der Kulturen und lädt damit ein unverkennbar innovatives Potenzial zu sich ein, das sich an ganz konkreten historischen Meilensteinen messen lässt.Die beginnen bereits bei der kulturellen Dimension der Künste. Denn auch, wenn das Publikum des Mannheimer Nationaltheaters zunächst wenig bereit für den literarischen Mut eines Friedrich Schiller zu sein scheint, schreibt die Uraufführung der „Räuber“ 1782 ein beispielloses Kapitel bewegter Theatergeschichte. Der junge Komponist und Instrumentalist Wolfgang Amadeus Mozart hat auf seiner Wunderkindreise zu diesem Zeitpunkt unlängst bereits fünf Monate in Mannheim verbracht und die Stadt sowie ihre kompositorische Tradition derart geprägt, dass die sogenannte „Mannheimer Schule“ mit ihren Werken noch heute in den Lehrwerken musikalischer Fakultäten zur Standard-Literatur gehört. Wenn auch heute gerne vergessen, ist es 1925 eine Ausstellung in der Mannheimer Kunsthalle, die sich dem Titel der „Neuen Sachlichkeit“ verschreibt und damit so gewaltige Impulse in der Kunstwelt setzt, dass sich eine ganze Epoche daraus entwickelt. Dass Künstler wie Max Unold und Otto Dix später zu Granden des deutschen Kunstbetriebs werden, liegt freilich nicht allein in der Begründung einer Disziplin, die ihre Arbeiten diskursfähig werden ließ – die Wurzeln jedoch, die liegen unverkennbar auf Mannheims Pflaster.Überhaupt gehört das Vorausdenken für den kraftvollen Aufbruch nicht allein der Revolution. Als führende Köpfe 1868 mit der „Mannheimer Akte“ an einem der größten Binnenhäfen Europas den Weg für eine freie Schifffahrt in Europa ebnen, wird das seinerzeit zu Recht als Durchbruch gefeiert. Und doch ist es vielmehr eine gesunde Evolution, die hier beschrieben wird, bauen Gründer, Ideengeber und Herrschende auf Bestehendem auf, entwickeln es weiter – und agieren mutig, ja, zukunftsweisend. Die „Mannheimer Akte“ ist hierfür in der Tat ein besonders sinnfälliges Beispiel. Denn für politische Konsensvereinbarungen dieser Art, die in Mannheim von kleinen Verhandlergruppen heftig Entschlossener getroffen werden,sondieren heute hunderte Berufspolitiker in Berlin um Koalitionsverträge – mit dem entscheidenden Unterschied, dass die schon damals visionär verfasste Akte tatsächlich noch heute und damit mehr als 150 Jahre später mit einigen wenigen Ergänzungen den internationalen Verkehr auf dem Rhein regelt. Eine Leistung, die in ihrer historischen Gültigkeit imponiert und für sich spricht.DIE GRUNDLAGEN BEWAHREN UND POTENZIALE FÖRDERNEs sind dies alles Eckpfeiler und Leitplanken, die all jenen, die heute Innovationen in und für Mannheim vorantreiben wollen, zweifellos zugutekommen. Einerseits, weil der historisch begründete Ruf Mannheims als Pflaster von zukunftsweisenden Ideen keineswegs erloschen ist. Andererseits, weil sich die Rahmenbedingungen auch den gewandelten Bedürfnissen angepasst haben. In Mannheim leben heute Menschen aus mehr als 170 Nationen, die sich mit ihrem unternehmerischen Mut in zahlreichen städtischen Coworking-Spaces organisieren, mit der Hilfe von Next Mannheim eigene Firmen gründen und behutsam aufbauen können. Aktuelle Zahlen belegen die Tendenz, dass das auch junge Entrepreneure genau so begreifen. Denn mit einer Existenzgründungsquote von 7,1 Prozent liegt Mannheim deutlich über dem Bundesdurchschnitt, weshalbsich die Stadt mit mehr als 300 Startups und acht Gründerzentren selbstbewusst und mit gutem Recht als „Existenzgründerstadt“ begreift. Für die Lenker und Leiter des Mannheimer Stadtmarketings zeichnet sich Mannheim so als urban-innovative Modellkommune aus, die einerseits die großen Player wie Roche, Mercedes, Bilfinger, Essity und Fuchs halten konnte, ohne dabei die zunächst kleinen Ideen zu ersticken, die in Laboren reifen, um ihre große Zukunft mitunter erst noch vor sich zu haben.Auch, dass sich vorhandene Traditionen durchaus fortgeschrieben haben, ist so nachweisbar wie beeindruckend. Denn wo Mozart vor mehr als 200 Jahren für Furore sorgte, bildet heute die Mannheimer Popakademie Talente aus, die später nicht selten in den Charts auftauchen. Wo einst Kurfürst Carl-Theodor dinierte, werden an der Universität heute Professoren ausgebildet, die weltweit beachtete Publikationen veröffentlichen. Und nicht zuletzt: Wo Mannheim seit seiner Gründung internationale Gesellschaftsgeschichte schrieb, sitzen heute europaweit tätige Institute für Sozial- und Wirtschaftsforschung, die Tendenzen früh erkennen, empirische Daten liefern und damit nachhaltige Verbesserungen initiieren und lenken. Die Entwicklung geht gar so weit, dass Formate wie der Urban Thinker Campus oder Placemaking-Konzepte wie bei der Multihalle sogar bürgerschaftliche Partizipation konsequent mitdenken und so Einfluss für all diejenigen schaffen, die Interesse daran haben, eine Stadt wie Mannheim progressiv mit zu prägen.All das sind mitnichten Entwicklungen, die in ihrer Kontinuität, aber vor allem in ihrem fortwährenden Entwicklungswillen als selbstverständlich zu betrachten wären. Sie sind vielmehr auf eine vorgelebte Kultur zurückzuführen, die den Innovativen – bei allem vorhandenen Risiko – sowohl Mut und Raum als auch Ressourcen zur Verfügung stellte, damit aus Wagnissen Wahrheit werden durfte. Eine Philosophie, die sich fortschreiben wird. MARKUS MERTENS    
2021-10-27
„Eine Stadt sucht sich ihre Menschen aus – nicht umgekehrt“, davon ist Karmen Strahonja überzeugt. Was die Geschäftsführerin der Stadtmarketing Mannheim GmbH damit zum Ausdruck bringen will: Mannheim zieht genau jene Menschen an, die sich mit der Stadt und ihrer historisch gewachsenen Vielfalt identifizieren können. „Erfurt zum Beispiel“, zieht Strahonja den Vergleich zur diesjährigen Bundesgartenschau-Stadt, „ist eine wunderschöne, aufgeräumte, saubere Stadt. Aber mir persönlich fehlt dort das Spannungsfeld, die Kraft der Gegensätze, die Mannheim schon immer auszeichnet.“ Und auch die Macher-Mentalität der Menschen. Macher-Mentalität ist ein gutes Stichwort, dass sich auch das Stadtmarketing unter Strahonjas Führung auf die Fahnen geschrieben hat. Ihr Team ist ein maßgeblicher Treiber, wenn es darum geht, in Mannheim auch künftig Raum für die Entfaltung kreativer Ideen zu schaffen. Das gemeinsam mit dem Startup Ökosystem Next Mannheim initiierte, bundesweit erste Innovationsfestival „innomake!“ ist dafür nur ein Beispiel. In vielen Bereichen setzt das Stadtmarketing mittlerweile Ausrufezeichen – und sorgt mit dafür, dass sich die Stadt nicht nur kulturell, gesellschaftlich und wirtschaftlich weiterentwickelt, sondern dass davon auch bundesweit und international Notiz genommen wird. Gute Argumente haben Karmen Strahonja und ihr Team genug, denn in Mannheim sind alle erforderlichen Bausteine für die Generierung von nachhaltigen Innovationen bestens ausgeprägt. Vor allem die Nachhaltigkeit liegt der Stadtmarketing-Chefin am Herzen: „Mannheim ist die Geburtsstätte viele Erfindungen. Aber zu Innovationen werden sie erst, wenn sie auch nachhaltig sind – das ist die große Aufgabe für die Zukunft.“    
2021-10-27
Dass Siemens 1880 den ersten elektrischen Aufzug in Mannheim auf der Pfalzgauausstellung präsentierte – damit ging es im November 2016 los. Der Konzern stiftete als Erinnerung daran die erste Bronze-Gedenktafel für die „Kurpfälzer Meile der Innovationen“, die seither vor dem Schloss entlang der Bismarckstraße entsteht. 26 sind inzwischen verlegt worden, mit denen Erfindungen und Erfinder aus Technik wie Kultur und Gesellschaft gewürdigt werden.Es ist eine private Initiative und ein Trägerverein, der dieses Projekt vorantreibt. Die ersten Ideen dafür gibt es schon seit mehr als 30 Jahren. Es ist der frühere Lehrer und ehemalige CDU-Stadtrat Paul Buchert, der unverdrossen eine bessere Würdigung der Stadt für ihre Erfinder anmahnt. Er tippt mit Schreibmaschine lange Listen, welche Entwicklungen in der Quadratestadt oder der Region ihren Ursprung haben. Per Fax schickt er sie immer wieder an Politiker und Chefs von Unternehmen. Er habe „mit einer nimmermüden Kondition, wie sie nur Lehrer haben können, dieses Projekt gegen alle Widerstände vorangetrieben“ und sei „der lebendige Beweis, dass es sich lohnt, nicht aufzugeben“, so Kulturbürgermeister Michael Grötsch. Schließlich gibt es in Mannheim lange nur das von 1933 stammende, 2008 um ein Bronzemodell des ersten Autos ergänzte Benz-Denkmal sowie das 2003 auf der Rheinau enthüllte Drais-Denkmal. Ein Standbild von Heinrich Lanz steht, für die Öffentlichkeit unzugänglich, auf dem Gelände von John Deere – mehr nicht. Zwar existieren unzählige Skulpturen, erinnern in Mannheim zahlreiche Denkmäler an Schlachten und Herrscher – aber friedliche Errungenschaften werden kaum gewürdigt.Der Weg zur „Kurpfälzer Meile der Innovationen“ ist aber weit. Zunächst scheitert 2008 die Idee eines modernen, interaktiven „Innovatorenportals“ vor dem Hauptbahnhof. Dann entwickelt sich die Idee zu dem, so Roswitha Henz-Best, „Mannheimer Walk of Fame“, wie sie unter Anspielung auf Los Angeles sagt, wo im Boden verlegte Sterne aus altrosafarbenem Terrazzo großen Stars gewidmet werden. Henz-Best, ehemalige Stadträtin, ist die zweite Vorsitzende des Vereins, die jeweils das Leben und Werk der zu ehrenden Personen oder Institution umfangreich aufarbeitet und bei der festlichen Verleihung referiert. „Die Meile soll das Wir Gefühl fördern und die Bereitschaft steigern, sich mit der Geschichte unserer Region und ihrer wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Vielfalt zu identifizieren“, so Fritz-Jochen Weber, Vorstand der Job-Router AG und Vorsitzender des Vereins. „Durch den Blick auf berühmte Vorbilder kann sie den Leistungswillen vor allem junger Menschen sowie die Innovations- und Zukunftsfähigkeit der Metropolregion stärken.“Und doch dauert es nach der Idee noch einige Jahre, bis die erste Platte verlegt wird. 2016 werden, als die Bismarckstraße ohnehin umgebaut wird, zumindest die Fundamente gelegt. Mit der Stadt einigt sich der Verein, auf bis zu 42 im Boden verlegten Bronzeplatten mit den Maßen 42 auf 42 Zentimeter an wichtige Erfindungen und Erfinder aus der Region zu erinnern. Darüber wird ein Vertrag geschlossen. Der Entwurf für die Gestaltung der Platten geht auf Fritz-Jochen Weber zurück. Da hier aber nur wenige Informationen und ein Bild Platz finden, gibt es einen QR-Code, über den weiterführende Angaben auf einer Internetseite aufrufbar sind. Zudem ist auf den Tafeln ein Verweis auf die Metropolregion Rhein-Neckar sowie Platz für Name oder Logo von einem Sponsor. Schließlich kostet eine Platte mit Verlegung und Versicherung 5500 Euro. Und die Gewinnung von Sponsoren erweist sich als nicht so einfach – weshalb die Realisierung der „Kurpfälzer Meile der Innovationen“ sich auch hinzieht.Zunächst dauert es auch, bis geklärt wird, wer überhaupt gewürdigt werden darf. Paul Bucherts Liste ist seit den 1990er Jahren auf 27 Seiten mit 150 Namen angewachsen. Schnell wird klar: Das ist zu viel. In Gesprächen mit dem Stadtarchiv werden zunächst 36 Innovationen definiert – und bewusst Platz gelassen für künftige Entwicklungen. Es dauert bis Mai 2017, bis die erste Platte tatsächlich verlegt wird. Sie ist dem Erfinder des Laufrads, Karl Friedrich Drais, gewidmet. Bewusst soll die Meile aber nicht allein technische Entwicklungen ehren. Ebenso sind Platten für die „Mannheimer Schule“ in der Klassischen Musik, für Friedrich Schiller, für die aus der Region stammenden Nobelpreisträger in Medizin auf der Liste. Gerade hat der Verein den Mannheimer Botaniker Karl Friedrich Schimper geehrt, auf den der Begriff „Eiszeit“ zurückgeht.Bei dessen Ehrung gestand Edgar Erdfelder, dass er manchmal an diesen Platten einfach vorbeieile. „Aber dann sind sie doch ein Gravitationspunkt, der einen unweigerlich anzieht“, so der Prorektor der Universität Mannheim. „Es ist faszinierend zu sehen, welche Vielfalt an ganz unterschiedlichen kreativen Ideen ihren Ursprung in der Kurpfalz hat“, so der Psychologieprofessor. Wenn an Pioniergeist und wissenschaftlichen Mut direkt vor den Toren der Universität erinnert werde, könne dies gerade für Studenten ein „stetiger Motivator“ sein, begrüßte er die Idee der Meile. PETER W. RAGGE    
2021-10-27
Das Raketenflugzeug (Bild) hängt an der Decke, man entdeckt einen Nachbau des ersten Autos von Karl Benz und des Laufrads von Karl Drais – und noch viel mehr: Wer Mannheimer Erfindungen sehen, ja teilweise sogar in Aktion erleben will, ist im Technoseum richtig. Es hieß früher Landesmuseum für Technik und Arbeit, hat 2010 den langen Namen aber bewusst verändert – Technoseum sagt nicht nur, dass es um Technik geht, sondern auch, dass es ein Museum der ganz anderen Art ist. Statt „Berühren verboten“-Schildern ist in dem Haus viel Leben und das Publikum eingeladen, selbst aktiv zu werden.
2021-10-27
Wie gut, dass die Bauarbeiter zwei Tage später kamen. Denn Mannheim ist nicht nur heute eine Stadt der Baustellen, auch schon im Sommer 1886. Da werden nämlich die Straßen aufgerissen. Von 1886 bis 1889 ist am heutigen Friedrichsplatz der Wasserturm im Bau, und daher müssen Wasserleitungen anstelle der bisher üblichen Brunnen verlegt werden – auch vor T 6. Aber eben erst ab 5. Juli. Daher gelingt es Karl Benz am 3. Juli 1886, von seiner Werkstatt in T 6 aus auf den Friedrichsring zu fahren.„Ein mittels Ligroingas zu treibendes Veloziped, welches in der Rheinischen Gasmotorenfabrik von Benz & Cie konstruiert wurde und worüber wir schon an dieser Stelle, nämlich am 4. Juni, berichtet haben, wurde heute früh auf der Ringstraße probiert, und die Probe soll zufriedenstellend ausgefallen sein“, meldet die Abendausgabe der Neuen Badischen Landeszeitung. Es ist der erste Bericht weltweit über eine Autofahrt – auch wenn das Vehikel seinerzeit noch keinen Namen hat, erst von Benz als Motorwagen und später als Automobil bezeichnet wird. „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ nennt es Benz, und er bekommt es unter Nummer 37435 vom kaiserlichen Reichspatentamt anerkannt: die Geburtsurkunde des Autos. „Das erste Auto der Welt und für uns der Urknall unserer Firma“, so Ralph Wagenknecht, Pressesprecher vom Mercedes-Benz Museum.Der pferdelose Wagen, der „Selbstfahrer“ für die Straße, die Mobilität – das alles ist sein Ziel. Seine Vision bringt er nacheinander er mit vielen einzelnen genialen Erfindungen auf den Weg und in der Summe eben das Auto: dem Zweitakt-Motor, dem leichten Viertakter, der Achsschenkellenkung, Differential, Vergaser, Wasserkühler, der Gangschaltung. „Im Gegensatz zu Daimler und Maybach, die ihre Motoren vielseitig einsetzten, wollte Carl Benz vor allem die Einheit Kraftwagen bauen,“ stellt Winfried Seidel klar, der Leiter des Benz-Museums Ladenburg.Mobilität lag dem am 25. November 1844 in Mühlburg (das heute zu Karlsruhe gehört) geborenen Carl Benz im Blut – Vater Georg war Lokomotivführer. Der Vater stirbt aber früh, und der Junge Carl verdient sich Geld durch die Reparaturen von Schwarzwalduhren. Enormen Antrieb gibt ihm das Maschinenbau-Studium am Polytechnikum in Karlsruhe von 1860 bis 1864. Er experimentiert an einer Alternative zur Dampfmaschine. Kurze Zeit arbeitet er nach dem Studium in Karlsruhe im Lokomotivenbau, kommt dann 1866 nach Mannheim, zur Waagenfabrik Mohr & Federhaff, wo er erst als Zeichner und dann als Konstrukteur arbeitet. 1869 wechselt er zu einer Pforzheimer Brückenbaufirma, lernt dort auch seine spätere Frau Bertha Ringer kennen. 1871 entschließt sich der junge Ingenieur, sich in der aufstrebenden Industriestadt Mannheim selbstständig zu machen. Er gründet in T 6, 11 das Unternehmen „Carl Benz und August Ritter, mechanische Werkstätten.“ Die Partnerschaft mit Ritter hält nicht lange, seine Braut und spätere Ehefrau Bertha erbittet vom Vater die Mitgift und zahlt den Partner aus – noch vor der Eheschließung am 20. Juli 1872. Benz hält die „Eisengießerei und mechanische Werkstätte“, wie die Firma heißt, gerade so über Wasser. Parallel tüftelt er an einem Zweitaktmotor. Doch der Motor lauft nicht, aber seine Frau steht unverbrüchlich zu ihm, ermuntert und bestärkt ihn, obwohl zwischendurch die Pfändung droht.Die Wende bringt die Silvesternacht 1879, und das Ehepaar steht vor dem Motor als „großem, schwer enträtselbaren Geheimnis“, wie Benz in seinen Erinnerungen schreibt. Die Maschine, die ein PS bei 200/300 Umdrehungen in der Minute leistet, springt an. „Endlich war die Stunde gekommen, die ich jahrelang erhofft hatte“, zitiert Winfried Seidel, Inhaber des Benz-Museums den berühmten Konstrukteur: „Was ich in schlaflosen Nächten erdacht und ersonnen hatte, was am Reißbrett konstruiert und berechnet worden war, sollte in die Tat umgesetzt werden.“ Der Erfinder spricht vom „leibhaftigen Glück“, und bei den Silvesterglocken denkt er: „Uns war’s, als läuteten sie nicht nur ein neues Jahr, sondern eine neue Zeit ein, jene Zeit, die vom Motor den neuen Pulsschlag empfangen sollte“.Aber das mit der neuen Zeit – es geht nicht so schnell. Benz beginnt mit dem Bau des Motorwagens, gründet dazu 1882 mit acht Teilhabern die „Gasmotorenfabrik in Mannheim“, in die er seine Werkstatt in T 6 als Einlage einbringt. Aber er verkracht sich mit den Aktionären, weil ihm einer der Teilhaber zu viel in seine Entwicklung hineinredet. 1883 steigt Benz aus, steht vor dem Nichts. Aber er hat Glück. Er gewinnt zwei neue Partner, gründet 1883 die „Benz & Co. Rheinische Gasmotorenfabrik Mannheim“, die ein neues Areal an der Waldhofstraße bezieht – wo noch heute Caterpillar als Nach-Nachfolger des ursprünglichen Unternehmens sitzt. Das Anwesen in T 6 kauft er von der alten Gesellschaft zurück. Während in der Waldhofstraße stationäre Motoren hergestellt werden, tüftelt er hier an seiner Idee einer fahrbaren Kutsche ohne Pferde. 1885 ist der dreirädrige Motorwagen fertig und Benz traut sich, zu ersten Ausfahrten zu starten, zunächst nur im Hof der Werkstatt, dann rund um die Werkstatt: „Die Menschen sammeln sich an, lächeln und lachen. Das Staunen und Bewundern schlägt um in Mitleid, Spott und Hohn“, heißt es in seinen Erinnerungen. Es sollen sogar Stimmen laut geworden sein, die forderten: „Wirf den Stinkkasten in den Neckar.“ 1886 ist Benz so weit, dass er das Patent anmeldet - die Erfindung, Fahrzeug und Motor zu einer mobilen Einheit zu verschmelzen, ist damit gelungen und dokumentiert.Aber kaufen will das komische Gefährt zunächst kaum jemand. Man traut dem Fortschritt nicht. Aber seine Frau gibt keine Ruhe – sie will den Erfolg und daher ist es Bertha Benz, die Idee und den Mut zu einer beispiellosen Aktion hat. Sie schnappt – ohne Wissen ihres Mannes – ihre beide Söhne und startet im August 1888 zu einer Überlandfahrt. Irgendwo sitzt tief in ihr drin, was sie durch Zufall mal in der Familienbibel gelesen hat. „Leider wieder nur ein Mädchen“, soll der geliebte Vater da anlässlich ihrer Geburt aufgeschrieben haben. Der Legende nach löst das in ihr den Wunsch aus, der Welt zu beweisen, dass auch Angehörige weiblichen Geschlechts Weltbewegendes leisten können. 106 Kilometer fährt die Auto-Pionierin auf staubigen Feldwegen, von Mannheim nach Pforzheim. Zwischendurch „tankt“ Berta in einer Apotheke in Wiesloch Legroin (Benzin), wo der Apotheker glaubt, sie wolle „Waschbenzin“ um ihr verschmutztes Kleid zu säubern. Mit ihrer Haarnadel hatte sie nämlich immer wieder die verstopfte Benzinleitung freigemacht und zu einer Reparatur ihr Strumpfband benutzt. „Sie musste sich an Flussläufen und Bahnlinien orientieren, Straßenschilder gab es ja noch nicht“, erläutert Winfried Seidel die unglaubliche Leistung der ersten „Fernfahrerin“. Die spektakuläre Fahrt bringt – langsam – den Durchbruch für das Auto. Aber immer wieder kommt es zu Rückschlägen. So wird einer der ersten kaufwilligen Kunden so krank, dass er ins Irrenhaus muss – und das verleitet Spötter zu der Annahme, das hänge mit seinem Kaufinteresse für dieses neuartige Gefährt zusammen. „Wie kann man sich in einen unzuverlässigen, armseligen, lautlärmenden Maschinenkasten setzen, wo es doch genug Pferde gibt auf der Welt?“, habe man ihn immer wieder gefragt, so Benz in seinen Erinnerungen. „Stinkkarre“ wird seine Erfindung geschmäht. Aber er setzt sich durch, verkauft schon von dem nun vierrädrigen Modell „Velo“, das eine Geschwindigkeit von bis zu 40 Kilometern in der Stunde erreicht, 1200 Fahrzeuge. PETER W. RAGGE  
2021-10-27
Er war ein kauziger Typ, ein Sonderling, aber er war auch ein genialer Ingenieur: Der Erfinder des Fahrrades, der Freiherr Karl Drais, wurde am 29. April 1785, in Karlsruhe geboren. Die Laufmaschine, mit der er 1817 in Mannheims Straßen aufkreuzte, war mehr als „nur“ das Ur-Fahrrad. Die Technikgeschichte ist heute einig, dass es Karl Drais war, der an jenem 12. Juni 1817 auf der Chaussee zwischen Mannheim und Schwetzingen für den „Urknall“ der modernen individuellen Mobilität sorgte. Alles, was fährt – Fahrrad, Automobil – und sogar das Flugzeug sind demnach nur Weiterentwicklungen der Drais’schen Idee.    
2021-10-27
Muskelkraft, Ochsengespanne, Pferde, die man nicht ohne Grund „Ackergäule“ nennt – Landwirtschaft ist lange schwere, anstrengende Handarbeit, von Tieren unterstützt. Bis zum Jahr 1900 erzeugt ein Landwirt gerade mal so viele Nahrungsmittel, um etwa vier Personen ernähren zu können – heute dagegen macht, statistisch gesehen, ein Bauer 140 Personen satt. Einen großen Anteil daran hat neben den Düngemitteln die Mechanisierung der Landwirtschaft. Und dabei spielt eine Erfindung aus Mannheim eine ganz wichtige Rolle.Zunächst sind es die Engländer, die transportable Dampfmaschinen, Lokomobile genannt, den Bauern anpreisen, damit sie deren Kraft beim Pflügen und Dreschen nutzen. Das setzt sich auch in Deutschland durch, und das will Heinrich Lanz nutzen. 1859 tritt er in die 30 Jahre zuvor von seinem Vater gegründete Spedition ein, eröffnet eine Abteilung für die Vermittlung landwirtschaftlicher Maschinen. Lanz importiert englische Maschinen und liefert sie, das ist der Clou, zum Fabrikpreis plus Verpackung, Transport und Zoll. Sein Gewinn ist zunächst nur der Rabatt, den ihm als Großabnehmer die Produzenten von der Insel einräumen. Das funktioniert zunächst gut, aber nicht lange. Als nämlich die ersten Reparaturen fällig werden und weder die Bauern noch die örtlichen Schmiede mit den neuen Maschinen zurechtkommen, muss er reagieren. Er gründet 1860 in der Schwetzingerstadt eine Reparaturwerkstatt, schickt seine Arbeiter regelmäßig zu Schulungen nach England und beginnt, Ersatzteile selbst herzustellen.
2021-10-27
Es war ein spektakuläres, aber letztlich doch gescheitertes Verkehrsmittel: Der Aerobus hat zur Bundesgartenschau 1975 in Mannheim viel Aufsehen erregt. Weil die Gartenschau im Herzogenriedpark und im Luisenpark stattfand, suchte man früh nach einem Verkehrsmittel für die knapp drei Kilometer lange Strecke zwischen beiden Flächen. Denn dazwischen ist der Neckar, den zwei Bücken überspannen, auf der es schon damals oft Staus gab. Nach den Plänen des Schweizer Seilbahnbauers Gerhard Müller, der über 900 Seilbahnen und Schlepplifte konstruierte, errichtete ein Dortmunder Unternehmen eine Seilschwebebahn mit elektrischem Antrieb, deren Kabinen 100 Personen fassten. Mannheim war Premierenort für dieses Verkehrsmittel. Müllerhatte schon 1965, zehn Jahre vorher, die Idee dazu, als er in Vancouver in Kanada die Hängekonstruktin der Lyons-Gate-Bridge sah. Er meldete seinen Aerobus, der sich von den regulären Seilbahnen unterscheidet, als Patent an. Er nannte es „Overground-Traffic-System“ – ein waagerechtes System, im Unterschied zur in die Höhe fahrenden Seilbahn.Der Start-Bahnhof befand sich am Fernmeldeturm. Von dort ging es weiter, auf bis zu 30 Meter hohen stählernen Stelzen, den Neckardamm entlang. Stützen, Masten und Seile erinnerten, schaut man sie von der Seite an, an jene Hängebrücke in Kanada. Östlich der Kurpfalzbrücke glitt der Aerobus, an einem langen Stahlseil hängend, über den Neckar, fuhr weiter dicht an den Baumkronen der Max-Joseph-Straße vorbei bis zum Herzogenriedpark – und zurück.
2021-10-27
Es sei „eine neue Anwendung, die von großer Bedeutung zu werden verspricht“, sagt Werner Siemens (das „von“ verleiht ihm der Kaiser erst 1888) am 26. Oktober 1880, als er bei einem Vortrag im „Elektrotechnischen Verein“ die „Einfachheit und Leichtigkeit der Einrichtung und Aufstellung“ vorstellt. Sein Vortrag ist ganz genau dokumentiert – nicht jedoch irgendwelche Reaktionen des Publikums. Man liest nur, wie staunend, aber positiv die Menschen es hinnehmen, plötzlich elektrisch ganz geräuschlos in die Höhe gehievt zu werden und hier die Aussicht genießen zu können.Nun sind Aufzüge auch damals nicht völlig neu. Schließlich wachsen die Gebäude immer mehr in den Himmel. Aber als Antrieb der hydraulischen Aufzüge verwendet man nur Wasserdruck. Druckzylinder müssen dazu sehr tief in die Erde versenkt werden – so tief, wie man in die Höhe will, also etwa für ein sechsstöckiges Haus 20 Meter. „Jede einzelne Hebung erfordert die Füllung des Druckrohres mit unter hohem Druck stehenden Leitungswasser“, schildert Siemens in seinem Vortrag, warum Aufzüge vorher kostspielig und aufwendig sind.Dann aber ist in Mannheim 1880 Pfalzgau-Ausstellung, offiziell die „Gewerbliche und Landwirtschaftliche Ausstellung des Pfalzgaues“. Großherzog Friedrich I. von Baden sowie sein hessischer Amtskollege Ludwig IV. eröffnen sie gemeinsam am 11. Juli im damaligen Botanischen Garten zwischen Schloss und Parkring, erst danach umgestaltet und Friedrichspark genannt. Für Maschinen sind eigens zwei Hallen errichtet, jenseits des Parkrings zwischen Europäischem Hof und Hauptzollamt beim Hafen. Es gibt Haushaltsgegenstände, Uhren und Maschinen zu sehen, landwirtschaftliche Geräte, gar eine Lokomotive und zwei Kut schen. Aber ausgerechnet nicht eine Firma aus Baden, sondern aus dem fernen Berlin, die „Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske“, präsentiert zwei faszinierende Neuheiten: Zehn elektrische Lampen sorgen, so die „Karlsruher Zeitung“, für „strahlenden Glanz“ und „taghelles Licht“ – dabei war elektrisches Licht erst zwei Jahre vorher bei der Weltausstellung in Paris überhaupt vorgestellt worden. Und dann, neben dem Zollgebäude, eine technische Sensation: ein senkrecht fahrender Aufzug.Es ist „der erste und erfolgreiche Versuch, ein Hebezeug elektrisch zu betreiben“, wie es 1930 in von den „Mannheimer Geschichtsblättern“ zitierten Zeitzeugenberichten heißt, postiert gleich neben einer „stets gut besuchten Bierhalle“. Basis ist das dynamoelektrische Prinzip, von Siemens 1866 entdeckt, mit dem Elektrizität als Energiequelle genutzt wird. Ein leise arbeitender Elektromotor treibt mit Zahnrädern die Plattform selbstständig himmelwärts. Je sechs Menschen dürfen sich so mit dem, wie er genannt wird, „Senkrechtfahrer“, emporhieven lassen, sie haben „einen herrlichen Rundblick über das gesamte Ausstellungsterrain, die Hafenanlagen, den Rhein und Ludwigshafen“. In den ersten eineinhalb Tagen nutzen bereits 400 Personen dieses Angebot, mehr als 8000 sind es bis zum Ende der Ausstellung, „ohne jede Störung“, wie Siemens in seinem Vortrag stolz vermerkt. Architekten aus der ganzen Welt kommen in diesen Tagen nach Mannheim, es ist der Durchbruch für diese Technik und macht Architekten den Weg frei, in die Höhe zu bauen und Grundstücke besser auszunutzen. Hochhäuser, gar Wolkenkratzer hätte es sonst nie gegeben.Bis Siemens dann aber in Mannheim fest Fuß fasst, vergehen noch einige Jahre. Ab 1885 betreut ein Mitarbeiter der Firma L. Kabisch von Karlsruhe aus das Gebiet um die Quadratestadt. Die rasante Expansion der 1865 gegründeten BASF sowie die zunehmende Bedeutung des Wirtschaftsraums führen aber bald zu der Entscheidung, 1891 eine „Bezirksvertretung“ von Siemens & Halske unter der Leitung von L. Frankl zu etablieren. Frankl garantiert per Inserat „den Herren Bestellern die sicherste Gewähr für beste, rascheste und billigste Bedienung“. Die ersten Aufträge: die Elektrifizierung des Mannheimer Hafens und 1901 der Straßenbahn, vorher eine Dampf- oder Pferdebahn. Schon 1899 vermerkt die Chronik eine Pioniertat. Dank Siemens ersetzen am Nationaltheater elektrische Lampen die – wegen Brandgefahr verpönte – Gasbeleuchtung. Mehr als 1300 farbige Glühbirnen installieren Siemens-Leute, jede kann einzeln auf Rot, Weiß oder Grün gesteuert werden – damals revolutionär. Weil das Mannheimer Elektrizitätswerk aber noch nicht fertig ist, liefert Siemens dem Theater provisorisch eine eigene Anlage mit 6,3 Kilowatt.Ein wichtiger Meilenstein ist der ISDN-Pilotversuch in Mannheim 1987. Man könne „gleichzeitig telefonieren und über dieselbe Leitung ein Bild oder eine Zeichnung übermitteln“, wird das „Dienstintegrierte digitale Fernmeldenetz“ seinerzeit in dieser Zeitung bejubelt. Von einem „neuen Fernmelde-Zeitalter“ ist die Rede, das in Mannheim seinen Ausgang nimmt. Inzwischen ist es vor allem die Medizintechnik, bei der Siemens Mannheim für Innovationen steht.Aber auch in Sachen in Sachen Aufzüge ist Mannheim nach wie vor Pionier. Die Firma Lochbühler, 1873 als Huf- und Wagenschmiede gegründet und über die Montage von Aufzügen in Tabakscheunen seit den 1960er Jahren zum auf Aufzugsbau spezialisierten Unternehmen geworden, betreibt seit knapp 20 Jahren im ehemaligen Seckenheimer Wasserturm das einzige Aufzugsmuseum Europas. PETER W. RAGGE   
2021-10-27
Am 17. Oktober 1911 ist es soweit: Kurz vor 17 Uhr ziehen Soldaten der Mannheimer Kaiser-Wilhelm-Kaserne unter lauten „Hurra!“-Rufen das Gefährt aus dem Hangar. Um 17 Uhr ertönt das Kommando „Loslassen!“, und die 23 Tonnen schwere Konstruktion erhebt sich dank der 240 PS starken Motoren majestätisch in die Luft. Der Start des ersten Schütte-Lanz-Luftschiffes, 131 Meter lang und 18 Meter breit, ist geglückt.Wer heute an Luftschiffe denkt, dem kommt vor allem der Name Zeppelin in den Sinn. Sein größter Konkurrent dagegen, der Ingenieur Johann Schütte, der südlich von Mannheim wirkt, ist weitgehend vergessen. Dabei ist seine Innovation durchaus revolutionär. Statt wie Graf Zeppelin mit Aluminium, baut Schütte das Gerippe des Ballons aus Holz. Dadurch soll das Luftschiff leichter, wendiger und damit sicherer werden. Doch zur Verwirklichung seiner Ideen braucht er Geld. Das kommt von Karl Lanz, Inhaber der größten Landmaschinen-Fabrik Europas und Flug-Fan.
2021-10-27
Der Blutzucker wird in Krankenhäusern gemessen, um den allgemeinen Gesundheitszustand von Patienten näher zu bestimmen und zu überwachen. Doch vor der Zulassung des Tests musste das Entwicklungsteam von Roche nachweisen, dass dieser auch in hochgelegenen Krankenhäusern funktioniert. „Schnelltests enthalten Bestandteile wie zum Beispiel verschiedene Enzyme, die in ihrer Funktion vom Sauerstoffgehalt in der Luft beeinflusst werden können“, erklärt Zekiye Öztürk. „Je höher ein Krankenhaus liegt, desto niedriger ist der Sauerstoffgehalt in der Umgebung“, ergänzt die 30-Jährige. Gäbe es etwa einen Rettungseinsatz in den Bergen, müsste trotzdem gewährleistet sein, dass der Test korrekt funktioniert. „Wir haben unseren Test so konzipiert, dass er keine Abhängigkeiten hat. Das muss man für die Zulassungsbehörden weltweit nachweisen.“
2021-10-27
Toilettenpapier und Küchenrollen aus Stroh? Gibt’s nicht? Doch, seit Neuestem schon. Und das sogar mit dem Qualitätsstempel „Made in Mannheim“! Denn jetzt kann Essity als erstes Unternehmen in Europa überhaupt industriell Zellstoff aus Stroh für Hygieneprodukte herstellen. Der Essity-Vorstandsvorsitzende Magnus Groth hat am 30. September im Beisein von Michael Grötsch (CDU), Mannheims Bürgermeister für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur, den Startschuss für die neue Fabrik am EssityTraditionsstandort Mannheim gegeben, die 35 000 Tonnen jährlich produzieren wird. 40 Millionen Euro hat Essity in die Anlage investiert, die in rund 18 Monaten Bauzeit auf dem Werksgelände entstanden ist. Mit ihr setzt Essity neue Maßstäbe in der Hygienepapier-Produktion.Revolutionär: Damit ist Essity der erste Hygieneprodukte-Hersteller in Europa, der einen landwirtschaftlichen Reststoff in der industriellen Produktion nutzbar macht und in den Materialkreislauf zurückführt. Das Unternehmen verwendet Weizenstroh aus der heimischen Landwirtschaft, um daraus hochwertigen Zellstoff für die Hygienepapierproduktion zu fertigen. Gut für die Umwelt: Dabei werden im Produktionsprozess weniger Wasser und Energie eingesetzt. In Mannheim ist dafür eine bislang einzigartige Anlage entstanden. Der neuartige Zellstoff ist in der Qualität mit Frischfaserzellstoff aus Holz vergleichbar und soll laut Essity „genauso weich, reißfest und saugstark wie herkömmlicher Zellstoff aus Holzfasern“ sein. Der Stroh-Zellstoff wird zu hochwertigen Hygieneprodukten der Marken Zewa, Zewa Wisch&Weg sowie Tork verarbeitet.
2021-10-27
Ob Autofahren, Heizen oder Fliegen: Bei der Nutzung fossiler Brennstoffe wird Kohlenstoffdioxid (CO2) erzeugt, was den Treibhauseffekt verstärkt. Der Klimawandel begünstigt extreme Wetterphänomene wie Starkregen und Hitzewellen. Im Pariser Klimaabkommen wurde daher bereits 2015 beschlossen, dass die Erderwärmung bis 2030 maximal um 2 Grad, besser um 1,5 Grad steigen darf. Aus diesem Grund möchte Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Ein Innovationstreiber kommt auch in diesem Bereich aus – Mannheim!Das Energieunternehmen MVV nimmt seit vielen Jahren eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz ein. „Wir werden in weniger als zehn Jahren, also bis 2030, eine CO2-Reduktion im Unternehmen von 80 Prozent erreichen“, betont MVV-Vorstandschef Dr. Georg Müller mit fester Stimme. Die MVV hat sich jedoch noch mehr vorgenommen und geht einen Schritt weiter. Bis 2040 soll das Unternehmen nicht nur klimaneutral werden, sondern sogar klimapositiv – der Atmosphäre wird dann aktiv schädliches Treibhausgas entziehen.Stromwende, Wärmewende sowie die Kundinnen und Kunden der MVV bei deren eigenen Energiewende unterstützen – das nennt der MVV-Chef das „Mannheimer Modell“.„Die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist eine Schlüsselaufgabe, bei der die Energiewirtschaft gefordert ist“, erläutert Dr. Müller. Einzelne Schritte auf dem Weg zur Klimapositivität, die sich das Unternehmen bis zum Jahr 2026 gesetzt hatte, sind unter anderem mehr Energie auf Basis von regenerativen Energien zu erzeugen und eine klimaneutrale Verwaltung zu schaffen. Das Ziel, eine Million Tonnen CO2 einzusparen, ist der MVV bereits gelungen, und zwar fünf Jahre vor der ursprünglich angesetzten Frist. Müller betont: „Die Wärmewende ist der vielleicht wichtigste Schlüssel für die Erreichung der Klimaneutralität unseres Unternehmens.“ Da in Mannheim etwa zwei Drittel der Wärmenachfrage damit gedeckt wird, sieht Müller Fernwärme als zentralen Baustein zur Dekarbonisierung. Derzeit stammen noch fast 85 Prozent der Wärme in Deutschland aus fossilen Quellen wie Kohle, Öl und Gas. Bis spätestens 2030 soll dieser Bedarf in der Quadratestadt sowie der Metropolregion Rhein-Neckar komplett auf grüne Energiequellen umgestellt werden. „Wir stehen hier in Mannheim vor der Zukunftsaufgabe, die Fernwärme zum zweiten Mal neu zu erfinden“, so Müller. Denn trotz der Umstellung wird die Versorgungssicherheit nicht angetastet und Fernwärme soll bezahlbar bleiben. MVV wird künftig auf Abwärmeaus Abfallbehandlung und Biomasse, Klärschlammverwertung, die Nutzung regenerativer Energien wie Biomethan, Flusswärmepumpen und neue Möglichkeiten im Bereich der Geothermie und industrieller Abwärme setzen. Kunden, die nicht an die zentrale Fernwärme angeschlossen sind, können etwa mit Holzpelletheizungen oder Wärmepumpen versorgt werden.Auch beim Strom möchte die MVV künftig die erneuerbaren Energien schneller ausbauen. „Ein Ausstieg aus den fossilen Energien, insbesondere aus der Kohle, wird überhaupt erst möglich, wenn es genügend grünen Strom gibt“, ist Müller überzeugt. Auf Übergangslösungen wie beispielsweise den Neubau von Erdgasanlagen verzichtet das Unternehmen ganz bewusst. Mit ihren Projektentwicklern Juwi und Windwärts plant die MVV viele zusätzliche Wind- und Solarparks in die unterschiedlichen Märkte zu bringen, national und international. „In der letzten Innovationsausschreibung haben wir als erstes Unternehmen in Deutschland den Zuschlag für eine Anlagenkombination aus Windpark und Batteriespeicher zusammen mit einem langfristigen Stromabnahmevertrag bekommen“, berichtet der MVV-Chef nicht ohne Stolz.Der Mannheimer Energieversorger bietet auch umfassende Lösungskonzepte für die Minderung der Treibhausgasemissionen in Unternehmen aller Größenklassen sowie Kombiprodukte und Dienstleistungen für Privatkunden. Im Rahmen der „Initiative Industriestandort Mannheim“ stellt die MVV Ladeinfrastruktur bereit, damit die Elektromobilität vorangetrieben werden kann. Alle Produkte und Lösungen für Gewerbe- und Geschäftskunden sowie Privatleute sollen nach und nach grün werden. Das Mannheimer Modell steht für den erfolgreichen Wandel zu einer smarten und klimaneutralen Stadt der Zukunft – mit grüner Wärme, grünem Strom und klimafreundlichen Mobilitätslösungen. Müller Antrieb: „Wir wollen hier in Mannheim, der Stadt der Erfinder, ein Zeichen setzen, wie Wirtschaft, Politik und Gesellschaft weltweit ihre Ziele im Klimaschutz erreichen können.“ TATJANA CAPUANA-PARISI   
2021-10-27
Herr Sommer, Mannheim wird mit bahnbrechenden Erfindungen wie dem Auto, dem Fahrrad oder dem Traktor verbunden, die allerdings lange zurückliegen. Ist der Ruhm der Erfinderstadt Mannheim verblasst?Christian Sommer: Überhaupt nicht. Ich glaube aber, dass es heute gar nicht mehr so einfach ist, solche bahnbrechenden Erfindungen zu machen, denn sie sind schlicht und ergreifend schon gemacht. Heute geht es eher darum, diese Erfindungen neu zu denken, zu interpretieren, zu kombinieren. Wir müssen das Thema Erfinderstadt ein wenig umdeuten und ich glaube, wir sind da nach wie vor sehr weit vorn, weil wir eine Reihe sehr spannender Startups haben, die Produkte oder Leistungen neu definieren.Zum Beispiel?Sommer: Zum Beispiel Stocard: Die haben, plakativ gesagt, den Geldbeutel neu erfunden, indem sie eine Wallet-App mit Bezahlfunktion geschaffen haben, in der Kundenkarten digital verwaltbar sind. Oder auch Snocks: Die haben im Prinzip ein ganz einfaches Produkt, nämlich Basics wie T-Shirts, Socken und Unterhosen, aber sie haben es geschafft, die modernen digitalen Vertriebswege derart optimal zu nutzen, dass diese Produkte ganz zielgerichtet angeboten und wie selbstverständlich online gekauft werden. Mannheim ist nach wie vor eine hoch innovative Stadt mit vielen tollen Menschen, die tolle Ideen haben.Was finden diese tollen Menschen hier?Sommer: Eine hohe Dynamik bedingt durch sehr viel Diversität. Ich glaube, dass Diversität einer der großen Schlüssel für Innovation ist. Wenn Sie nur Ingenieure in einen Raum setzen und an einer Idee arbeiten lassen, wird eine Ingenieurslösung herauskommen. Wenn Sie das Gleiche mit Controllern machen, kommt eine Controllinglösung heraus und wenn die das Gleiche mit Juristen machen, kommt eine Juristenlösung heraus. Aber wenn ganz unterschiedliche Leute, seien es Männer, Frauen, Techniker, Wirtschaftsleute, Leute mit Migrationshintergrund, wenn die also alle zusammen an Ideen arbeiten, kommen so viele Blickwinkel in die Idee hinein, dass daraus wirklich etwas Neues entstehen kann, oder neue Kombinationen bestehender Ideen. Das zeichnet Mannheim aus: Wir sind extremst divers auf allen Ebenen und wir versuchen, diese Potenziale zusammenzuführen. Das sehen wir als unseren Job bei Next Mannheim.
2021-10-27
Die Stärke des Erfindergeists einer Stadt richtet sich nicht allein an der schieren Menge seiner Erfinder, sondern auch am fruchtbaren Boden, auf dem bahnbrechende Ideen gedeihen dürfen. Damit die Stadt Mannheim kreativen Köpfen genau diesen Raum heute und in Zukunft bieten kann, haben das Stadtmarketing der Quadratestadt und das Gründernetzwerk Next Mannheim mit der „innomake“ eine Messe zwischen Workshop und Symposium auf die Beine gestellt, die beinah selbst schon zur Marke geworden ist – und in diesem Jahr einem scheinbar fast schon gewöhnlich gewordenen Thema die Bühne bietet: der Nachhaltigkeit.Ein Phänomen, über das selbst die Chefin des Stadtmarketings, Karmen Strahonja, anfänglich noch selbstkritisch dachte: „Wir haben das vielleicht schon auserzählt und es interessiert gar nicht mehr so sehr.“ Doch je mehr sich Strahonja und ihr Team mit dem Gedanken des urbanen Raums in der Zukunft befassten, desto klarer wurde, dass auch und gerade Zukunftsthemen wie Klimaneutralität, neue Arbeitswelten in pandemischen Zeiten oder Sicherheit in einer digitalen Gesellschaft auf nachhaltige Entwicklungen angewiesen sind. Auch solche, die heute vielleicht nur als Idee vorliegen, um sich in naher Zukunft zur konkreten Realisierung durchzusetzen.Es ist genau dies ein Anliegen, das sich beider „innomake“ von der bloßen Behauptung in die Tat umsetzen soll. Denn auch Strahonja ist klar: „Innovationen brauchen Raum. Und wenn die Stadt Mannheim dieser Raum sein darf, ist das Ergebnis ein Gewinn für uns alle.“ Dies erfordere eine neue Debattenkultur, in der kein Gedanke auf Anhieb verworfen werden und auch Ängste beseitigt werden müssten, ein Konzept sei falsch – ohne, dass man es zu Ende diskutieren konnte. Genau für diese Diskussionen soll das Format die benötigte Plattform anbieten. Unter dem Titel „innocamp“, das sich als Barcamp zwischen Brainstorming und Workshop versteht, sollen junge Entschlossene die Möglichkeit bekommen, ungezwungen über die Mobilität von Morgen zu diskutieren, während die Baden-Württemberg-Stiftung in Kooperation mit dem BUND ihre Visionen auf der Freifläche des Alten Messplatzes zur Schau stellt. Doch auch in Sachen Vielfalt will die „innomake“ eigene Schwerpunkte setzen, um dabei mit mutigen Akzenten für Verve zu sorgen. Denn ob das Eine-Welt-Forum die Grenzen des fairen Handels auslotet, sich die Initiative Digital Media Women e.V. für mehr Frauen in kompetenter Führung stark macht, oder die NØK-Konferenzteilnehmer die Orte des Nachtlebens als kulturellen Raum der Bereicherung neu denken: Der hohen Lebendigkeit in der Region soll das Programm so in jedem Fall Rechnung tragen. Dass die Reichweite vom wasserstoffbetriebenen Müllfahrzeug bis hin zur nachhaltigen Mittagspause ohne To Go-Plastik reicht, imponiert nicht nur auf dem Papier, sondern soll auch in den Köpfen der Teilnehmer hängen bleiben: „Uns ist klar, dass die Dauer eines solchen Formats zu kurz ist, um komplette Innovationen von Grund auf zu entwickeln, aber unser Anspruch muss es sein, Überzeugungsarbeit zu leisten und damit unter Beweis zu stellen, dass wir Perspektiven schaffen und auf Dauer begleiten wollen.“ Dass sich Früchte des Erfolgs bereits teilweise ernten lassen, zeigt im Übrigen auch die Entwicklung des Formats an sich. Denn wo das Stadtmarketing anfänglich noch nach Teilnehmern suchen musste, um Podien zu füllen und Workshops zu organisieren, treffen sich heute Mannheims OB Peter Kurz und die stellvertretende Bürgermeisterin von Paris, Pénélope Komitès zum Gespräch.Wo sich die Programme anfänglich auf einige wenige Veranstaltungsorte konzentrierten, verteilen sich 27 Workshops, Konferenzen, Vorträge und Ausstellungen von der Bar des Mannheimer Kinos Odeon bis hin zum Stadthaus N1 über die ganze Stadt. Und während sich Startups aus und für Mannheim vor wenigen Jahren noch in den Kinderschuhen befanden, präsentieren stolze Unternehmer aus dem Mode- und Kreativbereich unter dem Titel „Hometown Glory“ noch bis zum Ende des Jahres im Modehaus Engelhorn, zu welchem Erfolg sie es mit freiem Denken, wilder Entschlossenheit und spürbarer Entwicklungsfreude bereits gebracht haben. Ein Geist, wie er auch die „innomake“ antreiben soll – heute wie morgen. MARKUS MERTENS   
2021-10-27
Johannes, als Ihr vor fünf Jahren mit Snocks gestartet seid: Hast Du Dir den heutigen Erfolg vorstellen können?Johannes Kliesch: Als wir 2016 online gegangen sind, war es für uns zwei Studenten absolut crazy, gleich im ersten Monat einen fünfstelligen Umsatz zu haben. Und wir haben uns einfach nur gefragt: Hey, was geht denn da ab?Und was genau ging da ab?Kliesch: Mein Cousin Felix hatte Amazon FBA entdeckt – ein E-Commerce-Geschäftsmodell, bei dem Amazon die Logistik und einen Großteil des Kundenservices übernimmt. Wir haben uns dann krass mit der Thematik auseinandergesetzt, alle möglichen Podcasts gecheckt und nach drei Tagen waren wir uns einig: Das wollen wir machen!Wer kam auf die Idee mit den Socken?Kliesch: Als Student habe ich damals schon sehr gutes Geld verdient mit dem An-und Verkauf von teuren Sneakern. Da habe ich gelernt, dass Leute sehr viel Geld für Schuhe bezahlen, aber Socken offenbar möglichst billig bei Primark, H&M oder Zara kaufen. Beim Feiern hier in Mannheim haben wir überlegt, was wir zusammen auf die Beine stellen können und dann gesagt: Hey, lass’ uns geile Socken auf Amazon verkaufen!Ein Amazon-Shop mit Socken allein erklärt ja noch nicht Euren Erfolg. Was habt Ihr anders gemacht als andere Startups?Kliesch: Wie hatten zweifellos auch Glück. Aber unser großer Vorteil war es, dass wir als Banker wussten, wie man ein Unternehmen finanziert. Als wie gegründet haben, arbeiteten wir bei der VR Bank Rhein-Neckar und absolvierten ein duales Studium. Schon damals waren wir so gute Geschäftsleute, dass wir keine Liquiditätsprobleme kannten. Mit 4.000 Euro privatem Geld sind wie gestartet, ganz ohne Investor. Später haben wir dann 50.000 Euro Kredit aufgenommen und sind all-in gegangen.Ihr seid „Digital Natives“ – also in einer digitalen Welt groß geworden. Ist das der entscheidende Vorteil für Gründerinnen und Gründer Eurer Generation?Kliesch: Ja, klar, wir haben schon früh unsere Erfahrungen im Netz gesammelt und viel ausprobiert. Felix hat zuerst Online-Poker gemacht und sich damit eine Weltreise verdient. Ich habe ein Online-Trinkspiel gestartet und hatte bereits 25 000 Downloads, bis ich leider feststellen musste, dass man damit nicht wirklich Geld verdienen kann. Mit Snocks war das plötzlich anders. Deshalb habe ich damals beschlossen, mein gerade begonnenes Master-Studium zu beenden, um mich voll auf das Projekt zu fokussieren.
2021-10-27
Bei Kontaktlinsen denkt man wohl zuerst an Sehhilfen. Dabei gibt es auch Kontaktlinsen, die im Ohr getragen werden – und dabei helfen, besser zu hören. Das Mannheimer Startup Vibrosonic hat damit eine besondere Hörhilfe entwickelt. „Unser Unternehmen hat seinen Ursprung in einer Forschungskooperation zwischen der Universität Tübingen und dem Frauenhofer IPA in Stuttgart.“, erzählt Regine Heitlinger, die bei Vibrosonic für Marketing, Vertrieb und Kommunikation zuständig ist. Die Forschungsgruppe, bestehend aus Dominik Kaltenbacher, Jonathan Schächtele und Ernst Dalhoff, wollte ursprünglich ein Implantat für hochgradig Schwerhörige entwickeln. Im Laufe dieser Forschungsarbeiten hatte das Trio jedoch erkannt, dass sich die Hörkontaktlinse® auch als Hörgerätelautsprecher eignet. Die Forschungsgruppe wurde später ausgegründet und die Vibrosonic GmbH 2016 auf die Beine gestellt. Inzwischen hat die Firma rund 35 Mitarbeiter. Das erste Hörgerätesystem Vibrosonic alpha wurde im Mai zugelassen. Seit Oktober laufen klinische Studien, so dass die Hörkontaktlinse im kommenden Jahr auf den Markt kommen kann. Die Hörkontaktlinse ist unsere Kerntechnologie“, sagt Heitlinger. Wie auf dem Auge haften die Kontaktlinsen durch Adhäsionskräfte. Bei Vibrosonic alpha sitzt der Lautsprecher direkt auf dem Trommelfell, die Elektronik wird angestöpselt und sitzt hinter dem Ohr – wie bei anderen Hörgeräten.Der Clou ist jedoch die neue Technologie, die verschiedene Vorteile mit sich bringt. „Das Frequenzspektrum ist sehr viel größer als bei herkömmlichen Hörgeräten“, erklärt Heitlinger. „Man kann tiefe Töne viel besser abbilden, was zum Beispiel fürs Musikhören oder beim eigenen Musizieren wichtig ist“, sagt Heitlinger. „Beim Sprachverstehen kommt es dagegen eher auf die hohen Töne an.“ Auch diese Frequenzen können auf diese Weise besser aufgenommen werden. „Das Hörerlebnis ist ein viel satteres mit einer Hörkontaktlinse.“ Da der Gehörlautsprecher direkt auf dem Trommelfell sitzt, entstehen weniger Rückkopplungen und Verzerrungen als bei gewöhnlichen Hörgeräten, wo ein Hohlraum zwischen Lautsprecher und Trommelfell entsteht. Vibrosonic alpha ist für leichte bis mittelgradige Schwerhörigkeit empfohlen.Ein geschulter Hals-Nasen-Ohrenarzt kontrolliert im Vorfeld, ob die Hörkontaktlinse für den Patient geeignet ist. Dann setzt er die Hörkontaktlinse innerhalb weniger Minuten ein.Damit es für den empfindlichen Gehörgang nicht unangenehm ist, bekommt der Patient eine äußerliche Lokalanästhesie. Erste Versuche haben gezeigt, dass die Kontaktlinse auf dem Trommelfell problemlos lange getragen werden kann. Dennoch muss bei den klinischen Studien auch auf den Einzelfall geachtet werden. „Jedes Trommelfell ist unterschiedlich und damit das Trageverhalten“, sagt Heitlinger. Der Hersteller empfiehlt dem Nutzer zumindest am Anfang vierteljährlich ärztliche Kontrollen wahrzunehmen. Mit den Linsen ist Tanzen, im Flugzeug fliegen und Duschen kein Problem. Das Premiumprodukt soll über mehrere Jahre getragen werden können. Das Start-up gibt sich mit Vibrosonic alpha jedoch noch nicht zufrieden. Das Produkt soll weiter entwickelt werden – mit dem erklärten Ziel, ein unsichtbares Hörsystem zu konstruieren. „In Zukunft ist es so, dass die Elektronik, die noch sichtbar hinter dem Ohr ist, so klein gebaut wird, dass sie in einem Modul im Gehörgang verschwindet.“ Vorher müssen allerdings noch einige Herausforderungen gemeistert werden, etwa die Miniaturisierung der Elektronik auf Gehörgangsgröße. „Es wird sicher noch ein paar Jahre dauern, bis wir über die unsichtbare Lösung sprechen können“, sagt Heitlinger. Eines steht aber fest: „Alles, was wir künftig entwickeln werden, wird immer auf Basis der Hörkontaktlinse entstehen.“ TATJANA CAPUANA-PARISI   
2021-10-27
Manchmal verändert eine Reise das gesamte Leben. Nach der Hochschulreife im Jahr 2009 weiß Phillip Klein zunächst nicht, was er studieren soll. Der heute 32-Jährige beschließt, sich als Softwareentwickler selbstständig zu machen. Als Freiberufler baut er Webseiten, gestaltet CDs und T-Shirts für Bands. Er verdient damit Geld und kann nach der Schule die Welt erkunden. „Deswegen bin ich gleich nach dem Abitur nach Kanada und dann per Anhalter durch ganz Nordamerika gereist.“ Der Mannheimer wird zum digitalen Nomaden, arbeitet unterwegs mit seinem portablen Rechner. Als Ausgleich genießt es Klein, in den kanadischen Wäldern zu wandern. Immer dabei: Ein Trockenfleisch-Snack namens Beef Jerky. Von Nordamerika aus zieht es ihn weiter nach Australien und Neuseeland, wo er einen Van kauft, ihn umbaut und darin wohnt. Als er zwei Jahre nach seiner Abreise wieder nach Deutschland zurückkehrt, um dort Informatik zu studieren, vermisst er schnell „sein“ Beef Jerky – der hohe Zuckergehalt der in Deutschland erhältlichen Varianten verhagelt ihm zunächst den Genuss.Klein entwickelt daher ein Rezept aus regionalem Fleisch, das weder Zucker, noch Konservierungsmittel oder Geschmacksverstärker enthält. Zum Konservieren nutzt pfiffige Jungunternehmer die starke Trocknung und Salz. Bald schon steht er jeden Samstag bei einem Odenwälder Metzger im Laden und produziert den Snack aus eigenen Mitteln. Der junge Mann richtet einen Onlineshop ein und bewirbt seine Produkte auch bei Instagram. Schon bald kommt der erste Supermarkt auf ihn zu und möchte bei ihm bestellen. Der gebürtige Odenwälder lehnt ab, da er zu diesem Zeitpunkt die gewünschten Mengen nicht liefern kann. Sein Kumpel Julius Michel kündigt schließlich seinen Job, um mit Klein zusammen 2016 das Unternehmen Grizzly Foods zu gründen. Der Name spielt darauf an, dass Klein bei seinen Wanderungen Grizzly Bären gesehen hat. Eine Metzgerei in der Nähe von Stuttgart produziert den Snack nach seiner Rezeptur. „Mittlerweile sind wir zehn Leute an zwei Standorten und tausende Supermärkte sowie Alnatura bieten Beef Jerky an.“ Mit seiner australischen Frau wohnt Phillip Klein in Mannheim. „Wir lebten für eine Weile in Australien und Neuseeland, aber Kirbanu wollte immer nach Europa.“ Klein sieht die Quadratestadt als idealen Standort für sein Business. Als Universitätsstadt sei Mannheim perfekt, um talentierte und engagierte Mitarbeiter zu finden. „Hier geht was ab und entwickelt sich.“Dennoch sieht Klein keinen Widerspruch dahin, ein halbes Jahr fernab von Deutschland zu leben. Vor Corona verbrachten die Kleins den deutschen Winter unter Australiens Sonne. Kürzlich verlegte er sein Homeoffice für einen Monat nach Athen. Auch seine Mitarbeiter arbeiten häufig aus der ganzen Welt. „Ich reise immer noch sehr gerne und versuche es mittlerweile mit einem guten Zweck zu verbinden. Meine letzte große Reise war in die Mongolei mit einem Fiat Panda.“ Dabei sammelten er und Freunde Spenden für ein mongolisches Waisenhaus. Sein soziales Engagement drückt er auch mit dem Projekt Grizzly Cares aus, das sozialen Projekten und Organisationen zugutekommt.Inzwischen haben Klein und Michel das Sortiment erweitert. Es gibt Kraftbrühe im Glas, Kaffee und Gewürze. Bald folgen Suppen und Eintöpfe. Das seien „clean“ und vor allem echte Lebensmittel. „Wir wollen zukünftig nur noch Bio-Lebensmittel ohne Zusätze herstellen“, sagt er. „Wir arbeiten unter anderem an einem einzigartigen veganen Jerky aus Erbseneinweiß“, verrät er. „Jerky war der Vorreiter für uns. Das hat uns ermöglicht, andere Sortimente aufzubauen, und Leute einzustellen“, sagt Klein. „Aber die Zukunft sieht diverser aus als nur Jerky. Wir wollen Teil der Lösung sein und nicht das Problem.“ TATJANA CAPUANA-PARISI   
2021-10-27
Das Leben von Künstlern und Kreativen ist häufig mit Unsicherheiten und Unplanbarem verbunden. Das wirkt sich auf die Denkweise der Kreativen aus. „Wir glauben, dass Künstler anders denken als ein Kaufmann oder ein Ingenieur“, sagt Matthias Rauch, Leiter des Bereichs Kulturelle Stadtentwicklung und Kultur- und Kreativwirtschaft bei Next Mannheim, der Dachgesellschaft der Gründerzentren und 100-prozentigen Tochter der Innovationsstadt Mannheim.„Wir haben festgestellt, dass vermeintliche Probleme von Künstlern häufig anders gesehen werden und sie diese als Chance interpretieren.“ Der Künstler gehe mit einer gewissen Haltung Arbeitsprozesse ein, ohne zu wissen, was am Ende ganz konkret dabei rauskommt. Das liegt in den Augen von Rauch nicht zuletzt daran, dass sie regelmäßig mit offenen Prozessen zu tun haben. Und genau davon können Unternehmen profitieren. Denn die Tatsache, Probleme aus anderen Perspektiven zu betrachten, macht Künstler zu wertvollen Mentoren im Rahmen des von Next Mannheim augesetzten Creative Residency-Programms.
2021-10-27
Endlich Wochenende – endlich raus aus dem zeitweise einengenden Alltag, raus aus dem Rollenspiel. Samstagabends atmet Patrik Pahl durch. Dann kann der 39-jährige Visagist aus Worms einfach nur der sein, der er ist: Ein homosexueller Mann, der es genießt, sich in den Szene-Cafés von Mannheims unter Gleichgesinnten zu amüsieren. Denn die Quadratestadt steht nicht nur für das Zusammenleben in Vielfalt und eine lebendige LSBTIQ-Community – seit Juli dieses Jahres ist Mannheim auch LSBTIQ Freedom Zone und nimmt damit eine Vorreiterrolle ein.„Neben Paris und Lissabon war Mannheim eine der ersten Städte in Europa und erste Stadt in Baden-Württemberg, die sich zum Freiheitsraum für LSBTIQ Personen erklärt hat“, berichten Sören Landmann und Magret Göth, die LSBTI-Beauftragten der Stadt Mannheim, und bedauern: „Leider ist der Hintergrund für diesen Entschluss kein erfreulicher. Anlass war die zunehmend ausgrenzende und queerfeindliche Politik gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ), insbesondere der Regierungen in Polen und Ungarn. Mit dem Freiheitsraum setzt der Gemeinderat Mannheim ein sichtbares Zeichen der Akzeptanz und Wertschätzung der queeren Community unserer vielfältigen Stadtgesellschaft- und gegen die ausgrenzende Politik in Polen und Ungarn.“ Ein weiterer Aspekt, eine Freizone einzurichten, ist die immer noch große Diskriminierung der LSBTIQ-Personen. „Auch wenn vieles offener und freier geworden ist, werden queere Menschen immer noch häufig diskriminiert und sind oft körperlichen und emotionalen Übergriffen ausgesetzt. Als Freedom Zone verpflichtet sich die Stadt Mannheim zu öffentlichen Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der Rechte von LSBTIQ-Personen.“, erklärt Landmann, der schon seit über sechs Jahren für die Chancengleichheit von Menschen vielfältiger sexueller und geschlechtlicher Identitäten der Stadt Mannheim tätig ist. Unterstützt wird er dabei seit Januar 2021 von seiner Kollegin Margret Göth. Gemeinsam fungieren sie als Bindeglied zwischen Verwaltung und LSBTIQ-Community.
2021-10-27
Wenn andernorts die Lichter ausgehen, erwacht in Mannheim die Clubszene und das Nachtleben läuft auf Hochtouren. Genau das ist seine Welt, denn für Nachtbürgermeister Robert Gaa ist ein funktionierender „Rhythm of the Night“ ein Teil seines Jobs. Als Night Major bildet der 31-Jährige die Schnittstelle zwischen Stadtverwaltung, Bars, Clubs in der Quadratestadt und vermittelt, wann immer es zu Problemen kommt.Rückblende: Nach den Metropolen New York und Amsterdam führte Mannheim 2018 als erste deutsche Stadt das Amt des Night Mayors ein und sorgte damit für eine überwältigende Resonanz und Begeisterung. Während andere Städte sich damit beschäftigen, diesen Weg nachzuahmen, hat in der Quadratestadt schon die Amtszeit des zweiten Nachtbürgermeister begonnen: Robert Gaa, DJ, Veranstalter und gelernter Maschinenbautechniker hat im August vergangenen Jahres das Amt von Pionier Hendrik Meier übernommen. „Als ich gelesen habe, dass die Stelle ausgeschrieben war, habe ich mich einfach und ohne große Hoffnung beworben. Umso größer war die Freude, dass es funktioniert hat“, erinnert sich der gebürtige Wiesbadener.Im Nachhinein gesehen, nicht gerade der ideale Zeitpunkt, einen Job als Nachtbürgermeister anzutreten, denn die CoronaPandemie mit ihren Lockdowns und den vielfältigen Einschränkungen hat die Clubszene, Kneipen und Bars in eine schwere Schieflage gebracht. Doch Robert Gaa wäre nicht Robert Gaa, wenn ihn diese Herausforderung nicht erst recht gereizt hätte: „Gerade diese nicht einfachen Voraussetzungen haben mich herausgefordert. Ich habe vorrangig als Informationsquelle fungiert, die Besitzer der Clubs, Diskotheken oder Betreiber von Musikspielstätten auf den neuesten Stand gebracht und ich konnte bei der Realisierung von Förderprogrammen speziell für das Nachtleben mitwirken. Diese wären sonst zum Teil durch alle Raster der Förderungen gefallen“, beschreibt Gaa seine Aufgaben. Gemeinsam mit der Stadt hat der Nachtbürgermeister die Clubförderung ins Leben gerufen. „So konnten wir die Betreiber des Nachtlebens mit 216 500 Euro unterstützen, ihnen dadurch eine Perspektive geben und helfen, ihre Existenz zu sichern“, freut sich der Night Major, der auch bei der Entwicklung verschiedener Konzepte beteiligt war.Zu diesen Konzepten zählten unter anderem das Entzerren der Partyszene. „Weil die Clubs geschlossen waren, hat sich das Feiergeschehen auf andere Bereiche wie beispielsweise den Jungbusch verlegt. Das Resultat war Lärm, Müll und Alkoholkonsum. Das hat berechtigterweise bei den Anwohnern für Unmut gesorgt“, erklärt der Nachtbürgermeister, der sich darüber freut, dass die Nutzung neuer Freiflächen für Mannheimer Clubs und Livemusikspielstätten geholfen hat, diese Probleme abzumildern. Als großer Erfolg hat sich das Mannheimer Kulturtragfestival erwiesen. „Die Events auf den neuen Freiflächen wie Neckarwiese oder Taylorpark wurden sehr gut angenommen und haben zur Stärkung der Clubkultur beigetragen“, betont Gaa.Wie sieht es eigentlich mit den Arbeitszeiten eines Night Mayor aus? Muss er sich jede Nacht um die Ohren schlagen? „Nein“, lacht Robert Gaa, „ich arbeite wie die meisten anderen Arbeitnehmer auch, zu ganz normalen Tageszeiten. Ich kümmere mich während dieser Zeit um die Belange und Anfragen.“ Ganz trennen kann er Freizeit und Arbeit jedoch nie. Wann immer der Nachtbürgermeister privat in den Abendstunden in der Clubszene unterwegs ist, wird er angesprochen. „Ich bin halt bekannt, da sprechen mich viele Menschen an. Aber so weiß ich auch immer, wo es brennt“, erklärt der Nachtbürgermeister. Einen „Brennpunkt“ den Gaa in den kommenden Monaten angehen will, ist die Verlängerung der Öffnungszeit der Clubs. „Die Öffnungszeiten sind einfach zu kurz, da muss ich in Zukunft etwas tun. Ich bleibe am Ball“, so Gaa. SWENJA KNÜTTEL
2021-10-27
Trotz Corona: Fast 300 Frauen haben im vergangenen Jahr Mut bewiesen und in Mannheim ihr eigenes Unternehmen gegründet. Unterstützt wurden sie dabei von GIG7, dem Mannheimer Gründerinnenzentrum, das im nächsten Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert. Wir sprachen mit Lena Rübelmann, die unter dem Dach von Next Mannheim den Bereich Female Entrepreneurship koordiniert.Warum gibt es GIG7 in Mannheim?Lena Rübelmann: Nach wie vor gibt es viel weniger Gründungen weiblicher Startups. Das liegt zum einen daran, dass es weniger Vorbilder gibt, aber auch daran, dass Frauen ganz andere Gründungsvoraussetzungen haben und ihnen viele strukturelle Hürden, auch beim Thema Gründung, begegnen. Und genau da setzen wir an, denn eine der Aufgaben des GIG7 besteht darin, Gründerinnen mit all ihren Facetten in den Vordergrund zu rücken und das Thema Female Entrepreneurship voranzutreiben. Wir wollen mehr Gründerinnen, also tun wir was dafür, in dem wir die Komplexität des Themas offenlegen und die Gründungsvoraussetzungen für Frauen in unserem Ökosystem verbessern.Sie begleiten Frauen bei der Existenzgründung, wie kann ich mir das vorstellen?Rübelmann: Was machen wir im GIG7? Wir bieten individuelle Beratungen von Unternehmerin zu Unternehmerin, vor, während und nach der Gründung an. Wir stellen aber auch ein großes Netzwerk für Gründerinnen zur Verfügung, bestehend aus Veranstaltungen, Workshops, Räumlichkeiten, Kontakten und Informationen. Des weiteren klären wir durch verschiedenste Projekte über Gründerinnen auf und positionieren die Themen Frauen und Gründung überall, wo es Sinn ergibt. Wir begleiten Frauen, unter anderem bei der Existenzgründung. Uns liegt es am Herzen, unsere Gründerinnen bestmöglich zu unterstützen und zu begleiten. Das bedeutet, dass Frauen, wenn sie eine Unternehmens-/Produktidee haben oder mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen, sich bei uns melden können. In persönlichen Gesprächen können die zukünftigen Gründerinnen ihre Fragen stellen und gemeinsam wird dann mit unseren Beraterinnen die Gründung vorbereitet und begleitet. In den Beratungsgesprächen geht es beispielsweise um Themen wie Fördermöglichkeiten, Finanzierung, Businessplan-Erstellung und die inhaltliche Ausgestaltung der Gründung. Die Beratungsinhalte werden individuell an die Gründerin angepasst. Unsere Beraterinnen sind selbst auch Unternehmerinnen und greifen auf einen großen Schatz an Branchenwissen und Erfahrungen zurück. Wir greifen dabei selber auf Fördermittel zurück, so dass wir die Beratung meist kostenlos anbieten können.Wie viele Frauen betreuen Sie im Jahr?Rübelmann: Pro Jahr haben wir im GIG7 in den vergangenen Jahren im Schnitt 200 bis 300 Gründerinnen meist aus der Region beraten, und das ist auch unsere aktuelle Kapazität, trotz Corona.Gibt es eine Branche die typisch für Start ups durch Frauen sind?Rübelmann: Typische Branchen, in denen Frauen gründen, sind die Dienstleistungsbranche, im Gesundheitswesen und in den freien Berufen. Der Einzelhandel ist auch eine gängige Branche und zunehmend auch das E-Commerce-Geschäft.Was unterscheidet sich beim Weg in die Selbstständigkeit Frauen und Männer? Sind die Voraussetzungen andere, Stichwort Kinderbetreuung? Rübelmann: Dass Frauen andere Gründungsvoraussetzungen als Männer haben und dass es viele strukturelle Hürden gibt, ist bekannt. Eine große Rolle spielt das sehr konservative Rollenverständnis, das wir immer noch in Deutschland haben. Noch ist das traditionelle Familienbild, das sich nicht wirklich durch Gleichberechtigung auszeichnet, überall präsent. Bezogen auf die Lebensplanungen unterscheiden sich dadurch Männer und Frauen. Männer sind weniger eingeschränkt in ihrer Wahl. Frauen überlegen sich beispielsweise oft ganz genau, ob sie im Alter zwischen 25 und 35 ihr eigenes Unternehmen aufziehen. Das mangelnde Kinderbetreuungsangebot unterstützt nicht gerade bei der Gründung. Denn solange viele Frauen noch das Gefühl haben, zwischen Kind oder Karriere wählen zu müssen, beeinflusst das ihre Entscheidung. Außerdem ist es ein Branchenthema. Viele Branchen, in denen Frauen sich selbstständig machen wollen, gelten als weniger lukrativ, weniger hip. Auch die Art und Weise, auf die viele Frauen gründen, spielt mit Sicherheit eine Rolle. Sehr häufig steht bei ihnen die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Ihre Motivation ist es, etwas in der Gesellschaft zu verändern, einen sozialen Mehrwert zu schaffen. Sie wollen nach ihren Werten agieren und die Businesspraxen aus der Alltagsarbeitswelt so nicht übernehmen. Sie sind seltener auf Wachstum und Rendite aus, daher fallen sie aus dem klassischen growth-getriebenen Startup-Muster raus. Wenn es dann um die Finanzierung der Gründung geht, finden wir bei Gründerinnen ganz andere Voraussetzungen vor. Zum einen haben Frauen oft viel weniger Zugang zu Kapital. Zum anderen, wenn es beim Pitchen um Geld geht, sind die Menschen, die dich beurteilen, häufig männlich. Gleiches gilt für Finanzgespräche, Jurys oder potenzielle Auftraggeber. Das Gegenüber ist meist ein ,weißer Mann’ zwischen 35 und 60. In einer idealen Welt wäre das kein Problem. In der Realität ist es aber so, dass – ich drücke es mal so aus – Hans investiert lieber in Hans, denn Hans kann sich einfach besser mit Hans identifizieren. Somit finden Gründerinnen bei der Gründungsfinanzierung andere Voraussetzungen vor.Wie lassen sich die Voraussetzungen für mehr weibliche Gründungen verändern?Rübelmann: Da wären wir wieder am Anfang unseres Gesprächs – eine unserer Aufgaben, Gründerinnen mit all ihren Facetten in den Vordergrund zu rücken. Durch unsere Arbeit im GIG7 schaffen wir gezielt diese Begegnungen (Unternehmerin zu Unternehmerin) und arbeiten daran, Gründerinnen sichtbarer zu machen, Vorbilder zu schaffen, sie zu ermutigen. Wir bieten ihnen ein Netzwerk und gezielte Unterstützung, in dem wir sie in ihren Fragestellungen unterstützen, ihre Bedürfnisse kennen und darauf eingehen. Zudem schaffen wir Veränderung, in dem wir über Gründerinnen sprechen, die Menschen weiterhin sensibilisieren, Stichwort Rollenverständnis und darüber aufklären, dass es unterschiedliche Voraussetzungen für Männer und Frauen gibt, um letztlich dazu beizutragen strukturelle Hürden zu überwinden.Welche Projekte gibt es aktuell?Rübelmann: Brandaktuell ist das neue, von der EU geförderte REACT-EU Programm. Dieses Programm fördert insbesondere Gründerinnen, die von der Pandemie betroffen sind. Konkret also Frauen, die zum Beispiel wegen Corona nicht gründen konnten, Re-Starterinnen oder Frauen, die wegen Corona entlassen worden sind und sich für die Gründung als bestmögliche Alternative entscheiden. Die Initiative WOMEN TECH FOUNDERS ist ein weiteres Projekt, was uns sehr am Herzen liegt. Das Projekt verfolgt das Ziel, mehr Frauen für die Technologie- und Startup-Branche zu begeistern und bestehenden Tech-Gründerinnen eine Vernetzung zu bieten.Wie hat sich Corona auf die weibliche Gründer-Szene generell ausgewirkt?Rübelmann: Tatsächlich gab es nicht weniger Gründungen. Wir spüren, dass sich die Frauen sehr schnell auf die neuen Krisenbedingungen eingestellt und trotz der veränderten Bedingungen ihre Gründungspläne häufig realisiert haben. Wir haben auch wahrgenommen, dass die bestehenden Gründerinnen sehr häufig im vergangenen Jahr ihre Geschäftsmodelle angepasst haben. Was wir auch in der Beratung vermehrt mitbekommen, ist, dass sich mehr Frauen melden, die sich wegen Kündigungen oder mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Kindern, selbstständig machen wollen. SWENJA KNÜTTEL   
2021-10-27
Drei Frauen von 300, die im vergangenen Jahr mit der Unterstützung von GIG7 den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben:- Sylviane Brauer(gründete ihr eigenes Fotografie-Atelier)
2021-10-27
Erfinderstadt Mannheim
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