INTERVIEW: Mario Barth, der am 30. April in der Mannheimer SAP Arena auftritt, über den Reiz zwischen Mann und Frau, die Kraft der Überzeugung und die Souveränität der Zufriedenheit

Mario Barth redet viel. Er redet schnell. Und er redet nicht gerne um den heißen Brei. Belanglos werden die langen Antworten auf kurze Fragen dennoch niemals. Denn so ausführlich wie selten und so offen wie während eines Spaziergangs enger Freunde spricht der 50-jährige Comedian über die Absurdität der heutigen Welt, die Beweise einer Karriere und wieso Rollenbilder mehr für sich haben als gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter.

BILD: MS SCHULD PRESSEFOTO
BILD: MS SCHULD PRESSEFOTO

Herr Barth, von Veranstaltern, PR-Managern und Agenten wie auch von Kollegen wurde Ihnen schon ganz zu Anfang vorgehalten, dass mit dem Thema Frau/Mann in der Comedy-Szene kein Blumentopf zu gewinnen ist. Woher kam die Überzeugung, all dem zu trotzen?
Mario Barth:
Am Anfang ist es immer schwierig. Da hast du Angst, irgendwas falsch zu machen. Dann kommen irgendwelche Leute, vermeintlich totale Profis, die es angeblich gut mit dir meinen und einen wertvollen Tipp geben. Ich höre mir das auch heute noch gerne an, entscheide aber dann ganz zum Schluss immer für mich selber. Außerdem war ich fest davon überzeugt: Das Thema ist lustig. Ich erzähle Ihnen dazu mal eine Geschichte. Vor ewigen Zeiten war ich zu einem Kabarettabend eingeladen, weil ich ja am Anfang dachte, man muss Kabarett machen, jeden Tag die FAZ, Süddeutsche und Co. lesen, um zu gucken was macht Hans Eichel. Dann war an besagtem Abend Soundcheck. Es gibt dieses ungeschriebene Gesetz, dass du vor der Show nie die Nummern machen solltest, die du später nochmal erzählen willst. Also habe ich Geschichten von mir zu Hause erzählt. Dann fällt mir auf, dass das Personal an der Bar-also Leute, die wirklich jeden Tag alles Mögliche hören, echt gelacht haben. Dann war mir relativ schnell klar: Das Thema Mann/Frau, das ist überhaupt nicht auserzählt. Das galt auch für meinen Berliner Dialekt. Erklärt dir eine Münchener Produktionsfirma, dass du in Stuttgart nicht berlinern kannst, weil die Schwaben das überhaupt nicht verstehen. Ich habe dann glücklicherweise relativ früh angefangen zu hinterfragen und dachte mir: Wenn ihr alles so genau wisst, warum habt ihr dann so wenige Stars unter Vertrag? Dazu kamen Familie und Freundeskreis, die mich ermutigt und mir klar gemacht haben, dass ich das einfach probieren muss.

Trotz allem ist ja die Wahrscheinlichkeit, in Fettnäpfchen zu treten oder mit Vorwürfen des Sexismus konfrontiert zu sein, durchaus vorhanden. War ihnen das gleichgültig oder vielleicht sogar nützlich, um damit zu kokettieren und damit aus einer ganz verbissenen Situation zwischen Frau und Mann einfach auch ein bisschen Leichtigkeit rauszukitzeln?
Barth
: Also ich nehme das ja gar nicht so negativ. Das beste Beispiel ist die Zigeunersoße. Die wird jetzt umbenannt, ich weiß gar nicht, ob wir damit Probleme gelöst haben - außer dass umettiketiert werden musste. Ich jedenfalls kann mich nicht in einer Sekunde irgendwie daran erinnern, dass ich beim Essen dieser Soße rassistische, böse Ideen oder Absichten gehabt hätte. Ich mag es auch gar nicht, auf der Bühne zu politisieren, ich verpacke das in Geschichten, die die Absurdität nachvollziehbar machen. Denn auch Winnetou ist ja kein Indianer mehr, sondern das Mitglied eines indigenen Volkes. Und der Cowboy ein amerikanischer Viehzüchter. Denken Sie Kinder werden sich gegenseitig fragen: Na, spielen wir Viehzüchter und Mitglied eines indigenen Volkes? Das sagt doch keiner. Genau, wie ich es nicht begreife, warum positive Dinge plötzlich tabuisiert werden. Kennen Sie den Afrika-Keks von Bahlsen? Der hieß so, weil die Kakaobohnen dafür aus Afrika kamen. Dann gab es wohl ein paar bitterböse Briefe und vollkommen intakte Ware, Druck, Karton, Plastik - alles geschreddert. Davon geht es den Menschen in Afrika jetzt sicher viel besser. In Berlin gibt es jetzt Ampelmännchen, die immer zwei Frauen und zwei Männer abbilden. Ich dachte, Rot heißt stehenbleiben, Grün laufen. Ich wusste gar nicht, dass da noch eine andere Botschaft dahinter liegen soll. In einem halben Jahr fragt sich dann der Gleichstellungsbeauftragte: Was ist mit unserer Tierwelt? Da ist ja gar keine Tierwelt vertreten und wo ist eigentlich der Vater-Kind-Parkplatz? Toast Hawaii ist pure Diskriminierung und Fettgebäck mit Marmelade als Berliner? Ich als Berliner fühle mich total schlimm.

Das glaube ich Ihnen sofort...
Barth:
Ich bin ja leider noch nicht einmal fertig, Frankfurter Kranz: Geht das überhaupt noch? Dresdner Christstollen ist eine absolute Frechheit, der wird ja teilweise gar nicht in Dresden hergestellt und der Bäcker ist auch gar kein Dresdner, kommt eventuell aus Leipzig. Wenn sie einmal ein Haus gebaut haben, wissen Sie, dass vor allem anderen das Fundament steht. Darauf wird aber immer mehr verzichtet.

Das Brandenburger Tor auf der Bühne, die Welt zu Gast-Mario Barth holte nicht nur zu seinen unlängst zahlreichen Stadion shows den ganzen Querschnitt der Gesellschaft von den Sitzen. BILD: RALPH LARMANN
Das Brandenburger Tor auf der Bühne, die Welt zu Gast-Mario Barth holte nicht nur zu seinen unlängst zahlreichen Stadion shows den ganzen Querschnitt der Gesellschaft von den Sitzen. BILD: RALPH LARMANN

Woran machen Sie das denn am meisten fest?
Barth:
Dass es nicht mehr zu den Folgeschritten kommt. Dass der Rohbau steht. Der muss dann als allererstes verschlossen werden, damit keine Witterung in den Rohbau eindringt und alles trocken bleibt. Erst danach kann ich mir Gedanken machen, welche Kunstwerke ich über meinen Kamin hänge. Wenn ich mich aber in der Bauphase den ganzen Tag mit Bildern auseinandersetze, die ich in den Flur -hänge, dann werde ich mit dem Haus nicht fertig und zack, ist der Winter da und dann schneit es plötzlich rein in die Logik. Natürlich lässt es mich nicht kalt, aber ich versuche diesem Spagat der Kontraste etwas Leichtes zu schenken.

Und das funktioniert für Sie auch in Beziehungsthemen?
Barth:
Sie wissen das: Ich komme aus Berlin-Kreuzberg und bin ja multikulturell aufgewachsen. Da gibt es bei Beziehungen ja alle Muster, die du dir nur vorstellen kannst. Ich habe eben eine Freundin, die sich in ihrem Leben für eine ganz klare Rolle entschieden hat. Ich habe mich für meine Rolle entschieden. Wir begegnen uns so, dass auch das klappt. Vor zehn, 15 Jahren war es noch so, dass du dich über ein Thema erst einmal informiert hast, bevor du dich öffentlich dazu äußerst. Das kannst du heute vergessen. Da wird stellenweise ein dermaßener Schrott diskutiert, dass es nicht mehr schön ist. Ein Beispiel: Ja, meine Mutter ist gehbehindert, ich bin so aufgewachsen, ich kenne meine Mutter gar nicht anders und dann gibt es Menschen, die das Wort behindert" bewusst ausradieren wollen. Jetzt sitze ich da und frage meine Mutter: „Kann man nicht sagen, dass du behindert bist?" Und die guckt einen an und denkt: Was willst du von mir? Natürlich bin ich behindert. Und es ist ja auch so. Wenn sie einen Hürdenlauf gegen mich machen will, schafft sie das nicht. Wenn wir jetzt aber Canasta spielen, zieht die mich ab. Wenn ich also über Frauen und Männer erzähle, aber gleichzeitig weiß, dass 70 Prozent meiner Fans Frauen sind, kann das so sexistisch nicht sein. Zumal es doch stimmt, dass viele Frauen gerne im Fabrikverkaufshoppen gehen. Mal anders betrachtet: Wenn ich als Mann mit meiner Freundin für eine Tasche 600 Kilometer nach Nußloch fahre, ist das ein Liebesbeweis. Ich sage ja nicht: Meine Freundin soll putzen, kochen und Klappe halten. Aber es ist schon so irre zu sehen, dass sich meine Freundin teilweise echt rechtfertigen muss, wenn sie sagt, bevor ich auf Tour gehe, kocht sie abends für mich. Wie? Kann der nicht selber kochen? Sie möchte das aber doch. Dafür möchte sie sich nicht um TÜV und Winterreifen kümmern und bittet mich dann, das zu übernehmen. Daher glaube ich immer mehr, dass die Sexismus-Vorwürfe eigentlich von Kritikern stammen müssen, die meine Shows nie gesehen haben. Denn wenn ich mir mein Publikum anschaue, dann seh' ich da alles: Kranführer, Baggerfahrer, Arzt, Rechtsanwalt, alleinerziehende Mutter, Oma, junges Kind. Du siehst den Durchschnitt unserer Bevölkerung, der zwei Stunden lang Spaß hat und dir zeigt, dass du eigentlich alles richtig machst.

Ehrliche Antwort: Hätten Sie gedacht, dass Mario Barth aus dem Paarkomödianten ein Comedy-Superstar werden würde?
Barth:
Ich möchte die Frage mal so beantworten: Wenn ich für einen Vokabeltest in der Schule früher nicht gelernt und eine 2 geschrieben habe, habe ich mich geärgert wie wild, weil ich genau wusste, dass ich mit Lernen auch bequem eine 1 geschafft hätte. Hatte ich aber gelernt und schrieb eine 5, wusste ich: Mehr ging nicht. Ganz ähnlich geht es mir auch mit meiner eigenen Karriere. Ich sitze vor Jahren mit Vertretern der BBC in einem Hotel und höre wie sie von Chris Rock schwärmen, der in London eine Rekordshow vor 17 000 Menschen gespielt hat. Darauf antworte ich, verrückt, wie ich war: „17 000? Das wäre mir ja viel zu klein." Klartext: Ich habe damals in 6000er-Hallen getourt. Mein Veranstalter, der neben mir sitzt, schlägt also spontan einen Auftritt auf der Berliner Waldbühne vor - da passen gut 20 000 Leute rein. Meine Freundin, die nur mit halben Ohr zugehört hatte, brummt „Da sind aber immer so viele Mücken!", was ich mit einem süffisanten ,,Na dann eben im Stadion!" beantworte. Vier Wochen später kommt mein Veranstalter zu mir, zeigt mir die Verträge und sagt mir: ,,Mario, da müssen wir jetzt echt Gas geben. Stadion ist geil, aber teuer, das kostet pro Tag fast eine Million." Ich dachte, ich höre nicht richtig, aber so war's. Er hatte das Berliner Olympiastadion gebucht. Mit 70 000 Plätzen. Wie ich die vollbekommen habe? Indem ich ehrlich war, bei Johannes B. Kerner in der Sendung meine Misere gebeichtet und fast schon gebetet habe: Leute, lasst mich nicht hängen! Innerhalb von sieben Wochen waren wir ausverkauft. Es war der Wahnsinn. Begründet auf einem reinen Zufall und meiner Berliner Schnauze, aber jede Schweißperle wert!

Bis heute hält Mario Barth den offiziellen Guiness Weltrekord für den Auftritt eines Comedians vordem größten Publikum (linkes Bild). Jede Show, die er spielt, schaut er sich anschließend noch einmal an - um selbst Nuancen konsequent zu verbessem. BILDER: PRIVAT
Bis heute hält Mario Barth den offiziellen Guiness Weltrekord für den Auftritt eines Comedians vordem größten Publikum (linkes Bild). Jede Show, die er spielt, schaut er sich anschließend noch einmal an - um selbst Nuancen konsequent zu verbessem. BILDER: PRIVAT

Was aber natürlich überhaupt kein Zufall ist, ist, dass letztlich genug Menschen überzeugt davon waren, dass sie da ein Erlebnis haben würden, das diesen Besuch auch rechtfertigt. Das belegen nicht nur Gold- und Platinschallplatten, für die Comedians sonst eher nicht bekannt sind. Wie schafft man das, dann nicht abzuheben, größenwahnsinnig zu werden und sich dann plötzlich für den Comedy-Gott zu halten, der unantastbar wird?
Barth:
Zu allererst einmal: Ich fand mein Leben auch vor der Zeit als Comedian nicht schlecht. Und das fand mein Freundeskreis, den ich zu großen Teilen seit 30 Jahren bewahrt habe, ziemlich gut. Diese Menschen erden dich gerade dann, wenn du sonst kurz davor wärst, durchzudrehen. Denn klar: Wenn Du in deiner Laufbahn neun Millionen Tickets verkauft hast, ist das eine Sensation. Ich bin aber trotzdem heute Nacht um 6 wach geworden und dachte, ich hab' Fieber. Das ist also meinem Körper auch irgendwie Wurst, dass ich ein Superstar bin. Du triffst ja auf deinem Karriereweg auch andauernd auf Leute, die sich völlig danebenbenehmen. Ich war ja bei der ersten Wok-WM. Damals waren die beiden Bands Overground und Preluders total hip. Dann rastete eines der Mädels von den Preluders komplett aus, weil ihr Kakao nicht mit Milch, sondern mit Wasser zubereitet wurde. In dem Raum saßen aber die Fantastischen Vier, Stefan Raab und andere echte Superstars. Die schauten alle auf die Beschwerdeführerin und ich sagte: „Sie dürfen da nicht böse sein, das ist völlig normal. Ich würde genauso ausrasten, wenn ich wüsste, in einem halben Jahr ist alles vorbei." Die Mädels haben mich dafür gehasst, aber das ging auch völlig in Ordnung so.

Als Person des öffentlichen Lebens wird man tendenziell aber auch leichter zur Zielscheibe. Ich denke da an den Zugrauswurf wegen der Maskenpflicht, bei dem Sie ja auch angeprangert hatten, Sie seien gezielt herausgesucht worden, um ein Exempel zu statuieren. Wie gehen Sie damit um?
Barth
: Grundsätzlich muss ich ja sagen, dass ich mich für einen sehr zivilisierten Menschen halte. Ich habe meine Ausbildung bei Siemens genossen, kann auch Hochdeutsch sprechen und eine Beziehung führen. Ich bin aber sehr stark durch meinen Großvater geprägt, der mir immer wieder sagte, dass ich dem Satz „Das war schon immer so - und deswegen ist es jetzt halt auch so" kein Gewicht beimessen soll. Auch, weil er einfach nicht stimmt, denn sonst hätten wir gar keine Geschichte. Außerdem: Nur weil das so ist, wie es ist, heißt es nicht, dass es richtig ist. Hinterfragt doch einfach mal mit einem gesunden Menschenverstand, was alles an Unsinn passiert. Um nur ein Beispiel zu geben: Vor zwei Jahren - man kann das ja kaum glauben ist die Polizei mit einem Helikopter über den Grunewaldsee tief geflogen, um mit der Kraft der Rotorblätter die Kinder von Eis zu jagen. Denn wir durften uns ja gar nicht treffen, sonst fallen wir alle tot um. Aber ich habe ja konsequent Maske getragen, ich bin sogar geimpft. Aber schau dir die Ironie an: Im Speisewagen dürfen 20 Leute ohne Maske sitzen, nur weil sie gerade Erdnüsse kauen. In meinem eigenen Abteil mit meinen vier Freunden, mit denen ich im Auto sitze, mit denen ich zusammen in Urlaub fahre, die ich in den Arm nehme, mit denen darf ich dort nicht sitzen. Dann kommt der Schaffner, ruft die Polizei, lässt mich rauswerfen und auf einen Haftbefehl hin überprüfen. Da musste ich mich schon einen Moment fragen: Moment mal, wir haben eine Demokratie, was läuft hier schief? Und das ist aber die Reaktion, das sehen wir ja gerade überall, dass immer mehr Menschen, irgendwann gar nichts mehr glauben, den echten Verschwörungstheoretikern Tür und Tor geöffnet wird und dann selbst die Informationen nicht mehr gehört werden, die wir eigentlich hören müssten. Wenn ich einen Shitstorm kassiere, weil ich den Unsinn kritisiere, dass unser Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem PCR-Test ohne Maske fliegen darf, aber jeder andere Deutsche nicht, dann gerne. Aber es wird immer Menschen geben, die finden das total klasse, dass sich die Klima-Kleber auf die Straße kleben und Menschen, die im Krankenwagen liegen, nicht dahin kommen, wo sie hinmüssen. Das finden die einfach hervorragend. Wenn ich mich mit denen anlegen muss, kann ich damit sehr gut umgehen.

Hatten Sie denn nie Angst, mit dieser Philosophie entweder zu unterkühlen oder als Querulant wahrgenommen zu werden?
Barth:
Ich kann mich noch an meine allererste Kritik im Kölner Express erinnern, auf der letzten Seite - Überschrift: Der Kotzbrocken. Wenn dein Management dir sowas per Fax schickt - ja, damals gab es noch Fax-du bist ein junger Mann, der Comedy machen will und du als Journalist kommst nicht mal zu mir, redest ein persönliches Wort mit mir und machst mich einfach fertig: Das hat mir die Schuhe ausgezogen. Da hat mich meine Familie immer gestützt und mir vermittelt: Scheiß doch der Vogel drauf...

Unterhaltung kommt auch von Haltung. Der verleihen Sie zwar durch Leichtigkeit Ausdruck, aber hätten Sie sich denken können, welche Lücken Sie bei zahllosen unzufriedenen Menschen damit füllen?
Barth:
Es war mir ehrlich gesagt gar nicht bewusst. Da wird relativ viel rein interpretiert, wie strategisch ich vorgegangen bin, aber nur durch mutige Entscheidungen habe ich meinen Stand bekommen. Ich habe lange Zeit Nummern aus dem Alltag gemacht, weil ich die einfach lustig fand, erst später habe ich gesagt: Die ballern hier Steuergelder für allen möglichen Unsinn raus, lass uns das mal aufgreifen. Nicht so wie bei Plasberg, den ich sehr schätze, sondern wir erzählen von dem Flughafen, dessen Startrampe auf Sumpfgebiet gebaut wurde, damit man über die abgesackte Bahn irgendwann in den Orbit fliegen kann. Dann halten mich mitten in der Stadt ältere Fans an und sagen: Machen sie bloß weiter, das bringt was und ich gucke alle Ihre Sendungen! Plötzlich habe ich ein Klientel gehabt. In der Tat wird auch ganz viel ja durch unsere Sendung auch verhindert. Es gibt ganz viele Pärchen, die nach einer Show zu mir kommen und sagen, ich finde das Klasse, früher haben wir uns über eine Situation total gestritten, heute lachen wir darüber, weil du sie auf der Bühne erzählt hast.

Sie sind einer der wenigen Comedians, der nicht nur ohne Autorenteam auskommt, sondern auch keines seiner Programme auswendig beherrscht, weil es keinen festgeschriebenen Text gibt. Bei allem Respekt Geht da nie was schief?
Barth:
Doch natürlich, aber das ist doch herrlich! Mein Problem ist: Ich lasse mich komplett ablenken. Plötzlich steht in der ersten Reihe einer auf und sagt ,,Ich komme gleich wieder, ich muss groß!", das kannst du ja nicht ignorieren, da musst du ja darauf eingehen, was er gesagt hat. Dann macht man daraus was, das dauert manchmal eine gefühlte Ewigkeit und dann bist du ja komplett draußen, wenn du diesen Exkurs professionell betreibst. Aufgrund der Souveränität schafft man das. Das ist aber schon so, dass ich dann in meinem Hirn kramen muss: Wo war ich denn? Ich frag dann auch: Weiß einer, wo ich gerade war? Wenn dann nichts kommt, dann ich hab' immer einen Zettel in der Tasche mit den Überschriften und dann hol ich ihn raus und lese das wirklich laut vor: Ach, ja, haben wir schon gehabt, haben wir schon gehabt. Das Interessante: Warum sagt niemand, der hat jetzt was falsch gemacht? Weil Fehler machen ganz normal ist, wenn du nicht den gleichen 23 Mal wiederholst. Nimm's hin und es geht weiter. Stell dir das doch mal vor: Ich auf der Bühne, da sitzen 10 000 Menschen und ich habe den Text vergessen und die 10 000 Menschen denken sich: Geil, Text vergessen, das ist einer von uns! So oder so, ich komme wieder zu meinen Punkten zurück. Das kann ich jetzt vielleicht das erste Mal ein klein wenig frech beantworten. Ich bin einer der wenigen mit Dieter Nuhr, würde ich sagen, der wirklich arbeitet. Seit ich das mache, gibt es keinen einzigen Auftritt, den wir nicht aufgezeichnet hätten und den ich mir nicht noch nach der Show angesehen hätte. Auch, weil ich die Feinheiten erkennen will. Sieht man meine Hände? Erkennt man die Aktionen, die ich mit meinen Füßen mache? Das alles schaue ich mir wieder und wieder an. Über23 Jahre das darf man ja nicht vergessen - auf diesem Level, das schaffst du nicht, wenn du sagst ich geh da mal hin und dann mach ich da mal was.

Was ich natürlich ganz interessant finde: Einerseits trägt sie ja mittlerweile die Karriere, auf der anderen Seite müssen sie mit Tatkraft ja auch dafür sorgen, dass sie weitergetragen wird. Die Verantwortung, die damit einhergeht, stelle ich mir nicht eben klein vor. Zum einen, weil man nicht anfangen will, sich zu wiederholen oder weniger relevant, weniger lustig zu werden oder weniger Leichtigkeit zu verbreiten. Gibt es Zweifel und wenn ja, wie besiegt man die?
Barth:
Also, als ich dieses Programm geschrieben habe, das war natürlich eine ganz komische Zeit. Es ist ja bei der Corona-Pandemie zwei Jahre nichts los gewesen. Für mich hat das top gepasst. Wenn man ein Verschwörungstheoretiker wäre und man mich nicht mag, würde man denken, dass ich dieses Virus losgetreten habe. Weil ich vorhergesagt habe, ich muss mal kurz Pause machen. Ich hab' den letzten Job in der Kölnarena gespielt, am Ende einer kompletten Tournee. Das Programm war abgespielt. Ein Tag danach war Auftrittsverbot. Das kam wie abgesprochen und dann habe ich ein neues Programm geschrieben und dann war ja alles so schwammig. Man durfte sich treffen, zu fünft, allerdings nicht, wenn eine 14-Jährige dabei ist. Das wäre allerdings wieder egal, wenn sie einen Dackel mitnimmt. Keiner hat mehr durchgeblickt. Da wurde mir klar: Wir nennen das Programm Männer sind Frauen, manchmal aber auch vielleicht... Und das Management: Auch ich versteh das nicht. Und ich daraufhin: Genau! Denn ja, dieser ganze Irrsinn wird stumpf weitergelebt, das ist es ja. Das zeigt sich auch durch das ganze Greenwashing von großen Firmen. Toll du, Coca Cola hat ja 25 Prozent Recycling in ihren PET-Flaschen, was ja nicht mal stimmt. Oder der Thermomix ist ein Riesenthema bei uns zu Hause gewesen. Ich habe mich gute vier Jahre dagegen gewehrt, weil ich gesagt habe, das Gerät ist zu teuer und kann nichts. Mein Vater hatte eine Gastronomie, wir waren nicht besonders vermögend und deswegen galt: Alle Familienmitglieder mussten mitarbeiten und dann lernst du automatisch kochen, weil du dann erstmal mithilfst und irgendwann machst du es sogar allein. Sagt meine Freundin: „Der Thermomix macht super Kartoffelpüree!" Und ich breche zusammen, weil ich denke: Wie macht er das denn nur? Du musst die Kartoffeln schälen, klein schneiden, dann packt man die in den Topf, er drückt dann drauf und dann hast du großartiges Püree! Was für eine Erleichterung wurde mir dann klar! Bis jetzt haben wir die Kartoffeln geschält, kleingeschnitten, gehackt, in Wasser gekocht und als das fertig war klein gestampft...

Solche Themen gehen niemals verloren, weil es immer wieder was Neues gibt und es war dieses Mal in diesem Programm wahnsinnig schwierig, weil ich nicht wie sonst - die Möglichkeit hatte, das Programm und die Zugaben richtig zu testen, sondern in Wetzlar beim ersten Auftritt erst gemerkt habe: Funktioniert das, oder werde ich scheitern? Da wusste ich auch nicht: Ist es lustig oder nicht? Da hatte ich echt Bedenken und jetzt kommt das Spannendste. Es ist laut der Fans, die da waren, das lustigste Programm, was ich jemals geschrieben habe.

Vielleicht gerade, weil die Bedingungen so waren, dass Sie es ganz nach Ihrem Gefühl geschrieben haben...
Barth:
Das hätte ich passender nicht formulieren können!

Herr Barth, Sie müssen ja eigentlich niemandem mehr irgendwas beweisen. Wenn man mehr als 20 Jahre auf diesem Niveau Unterhaltungen gemacht hat und so viele Millionen Menschen begeistert hat, gibt es da im Alter von 50 Jahren noch Dinge, die in meinem Leben auch noch eine Rolle spielen, den ich bisher vielleicht diesen Raum noch gar nicht zugestanden habe?
Barth: Das ist in der Tat so. Auch die Interessen an sich verlagern sich. Oft werde ich gefragt, wann spielst Du mal wieder in Stadien? Das ist zum Beispiel einer der Punkte. Wenn man sich den betriebswirtschaftlich anguckt, ist es ein Alptraum und auch körperlich geht das enorm an die Reserven. Man ist dann einfach erschöpft und wenn man in einem Stadion spielt, dann musst du halt einfach hundert Termine danach im Jahr spielen, sonst holst du die Kohle irgendwann nicht mehr rein, weil es atemberaubend teuer ist. Ich bereue es dennoch kein Stück, weil es das Beste ist, was ich jemals getan habe. Man hat sich da 2008 auf eine Stellung gehoben, die Weltrekord ist, und man will sich natürlich auch beweisen, ob das auch heute noch möglich ist. Ich glaube auch, dass ich ein Stadion ohne Probleme noch einmal voll bekäme, aber da kommen dann Gedanken, bei denen ich mit meiner Familie und meinen engsten Beratern sitze: Warum? Klar, du hast dort 30-jährige Fans, die als Siebenjähriger schon zu meinem ersten Programm mit ihrem Papa da waren. Diese 23 Jahre sind Magie, und die soll, darf und wird so lange weitergehen, wie die Menschen mich sehen wollen! Markus Mertens