Kohleausstieg: Deutschland will raus aus der Kohle. Das hat der Bundestag bereits beschlossen. Für das größte Steinkohlekraftwerk der Republik, das Grosskraftwerk Mannheim, heißt das, dass es sich neu erfinden muss. Folgende Optionen könnten dabei eine Rolle spielen.      

Am 3. Juli des vergangenen Jahres hat der Deutsche Bundestag einen „historischen Schritt“ vollzogen, wie es Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zuvor ausdrückte: Spätestens 2038 will Deutschland keine Kohle mehr zur Stromerzeugung verbrennen, um den Ausstoß des klimaschädlichen Gases CO2 zu reduzieren. Aufgrund der entsprechenden gesetzlichen Regelungen geht das GKM davon aus, dass es spätestens 2033 den traditionellen Betrieb einstellen muss. Möglicherweise kommt das Ende aber auch schon früher – wenn die angehenden Koalitionäre aus SPD, Grünen und FDP ihre Ankündigung wahr machen und den Kohleausstieg vorziehen. „Idealerweise gelingt das schon bis 2030“, hieß es im gemeinsamen Papier zum Ende der Sondierungsgespräche. Früher oder später muss sich das GKM also neu erfinden. Und das könnte so aussehen:  

Flusswärmepumpen

Diese Technologie wird aller Voraussicht nach als Erstes am Neckarauer Rheinufer umgesetzt. Sie funktioniert im Prinzip wie ein umgedrehter Kühlschrank: Eine Wärmepumpe entzieht dem Rhein Wärme, die dann zur Versorgung des Fernwärmenetzes genutzt wird. Eine erste Pilotanlage mit einer Leistung von 20 Megawatt wollen MVV und GKM gemeinsam installieren.

Mittelfristig könnte durch den Einsatz weiterer Pumpen die Leistung deutlich erhöht werden. Das scheint auch nötig, wie ein Vergleich zeigt: Allein Block 9 des GKM hat eine Wärmeleistung von rund 500 Megawatt. Der Haken bei der ganzen Sache: Solche Großwärmepumpen benötigen Strom, um die Differenz zwischen der Temperatur des Rheinwassers und der des Fernwärmenetzes zu überwinden – und dieser ist derzeit aufgrund der gesetzlichen Abgaben und Umlagen noch recht teuer. Ein zweijähriger Forschungs- und Entwicklungsbetrieb soll daher zeigen, wie ein wirtschaftlicher Einsatz einer Flusswärmepumpe in einem großen Fernwärmenetz realisiert werden kann.

Geothermie

Zur Erzeugung von Fernwärme aus erneuerbaren Quellen möchte die MVV auch Erdwärme nutzen: Bis zu drei Geothermie-Anlagen will der Versorger zusammen mit der EnBW zwischen Mannheim und Reilingen errichten. In diesen wird dem heißen Wasser aus rund 3000 Metern Tiefe mittels eines Wärmetauschers die Energie entzogen, ehe es wieder in die Erde zurückgepresst wird.

Die Voraussetzungen dafür gelten in der Rhein-Neckar-Region als hervorragend. Seit diesem Frühjahr führen MVV und EnBW Messungen durch, um geeignete Stellen zu finden. Mit Ergebnissen wird frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2022 gerechnet. Dann dürfte auch die Standort-Diskussion beginnen.

Aufgrund der bereits vorhandenen Infrastruktur gilt das GKM als heißer Kandidat. Offen ist jedoch, ob die Bürgerinnen und Bürger diese Technologie akzeptieren werden: Zwar betonen die meisten Fachleute, dass ihre Risiken beherrschbar seien. Da manche dieser Anlagen in der Vergangenheit jedoch unter anderem Erdbeben ausgelöst haben, stehen ihnen viele Menschen kritisch gegenüber.

Biomasse-Kraftwerk

Auf der Friesenheimer Insel in Mannheim betreibt die MVV bereits ein solches. Dort wird Alt- und Restholz verbrannt, um Dampf zu erzeugen, der eine Turbine antreibt und so Strom produziert. Ab 2024 soll die restliche Energie genutzt werden, um auch Fernwärme ins Netz einzuspeisen. Um eventuell noch mehr davon zu erzeugen, überlegt die MVV, ein zweites mit Altholz befeuertes Biomasse-Kraftwerk zu errichten. Eine Alternative oder Ergänzung dazu wäre dem GKM-Vorstand zufolge der Umbau eines bestehenden Kohleblocks, um dort aus Biomasse Strom und Wärme zu gewinnen. Solche Umbauten seien in den Niederlanden bereits realisiert worden.

Biomethan-Blockheizkraftwerk

Neben diesen bereits konkret geplanten oder angedachten Projekten gibt es noch weitere Möglichkeiten, wie das GKM zukünftig erneuerbare Energie erzeugen könnte. Eine davon ist der Bau eines Blockheizkraftwerks, das mit Biomethan betrieben wird. Dieses Biogas kann beispielsweise aus Gülle oder durch die Vergärung nachwachsender Rohstoffe erzeugt werden. Wenn es in Gasmotoren oder -turbinen verbrannt wird, lässt sich Strom und Wärme erzeugen – nahezu CO2-neutral.

Gas-und Dampfturbinen-Anlage mit Wasserstoff-Perspektive

Lange Zeit galt diese Option als die wahrscheinlichste Zukunftsvariante für das GKM – bis der Aufsichtsrat die entsprechenden Pläne Ende des vergangenen Jahres stoppte. Der Grund: Der Betreiber des Ferngasnetzes konnte die Versorgung mit den benötigten Mengen erst in einigen Jahren garantieren.

Da jedoch die staatlichen Förderungen für solche Projekte von Jahr zu Jahr sinken, rechnete sich die Investition für die GKM-Besitzer RWE (40 Prozent), EnBW (32) und MVV (28) nicht mehr. Wenn sich die Förder-Richtlinien ändern sollten, könnte solch eine Anlage jedoch wieder ein Thema werden, glaubt der GKM-Vorstand.

Denn diese würden in zahlreichen energiewirtschaftlichen Zukunftsstudien für die Sicherstellung der Energieversorgung als notwendig erachtet. Zudem könnten sie – nachdem während einer Übergangszeit die Turbinen durch das Verbrennen von Erdgas angetrieben würden – perspektivisch „grünen“ Wasserstoff nutzen: also solchen, der mittels Elektrolyse aus Wasser und Strom aus regenerativen Quellen klimaneutral produziert wird.

Zahlreiche Experten prognostizieren jedoch, dass ausreichende Mengen von „grünem“ Wasserstoff nicht kurzfristig zur Verfügung stehen werden. Und wenn es sie gibt, dürften sie aller Voraussicht nach nicht als Erstes zur Energieerzeugung eingesetzt werden – sondern dafür, andere Branchen wie die Chemie- und Stahlindustrie oder den Verkehr klimafreundlicher zu machen. Zudem hat MVV-Chef Georg Müller kürzlich für sein Unternehmen erklärt: „Wir verzichten bewusst auf den Neubau von Erdgas-Anlagen.“ Martin Geiger