MARCEL, DIE ADLER ERFAHREN ES IN DIESER SAISON ÜBERAUS DEUTLICH: VERLETZUNGEN GEHÖREN LEIDER ZUM EISHOCKEY, ZUM SPORT ALLGEMEIN DAZU. WIE STEHT MAN ALS SPIELER ZU DIESEM THEMA? IST MAN BESORGT, WENN MAN EINEN GEGENSPIELER VERLETZT, BEZIEHUNGSWEISE NIMMT MAN ES EINEM GEGENSPIELER ÜBEL, WENN ER DICH VERLETZT?
Das kommt ganz auf die Situation, die Umstände und die Verletzung an. Wenn mein Gegenspieler einen Schuss blockt und danach liegen bleibt, gehört das zum Alltagsgeschäft. Ich habe in solchen Situationen auch niemandem einen Vorwurf gemacht. Sorgt die Verletzung für einen Ausfall des Gegners, versucht man durchaus, ihn entweder nach der Partie zu sprechen, sich zu erkundigen und zu entschuldigen oder man ruft ihn in der Folge an.


Das gebietet allein schon der Respekt unter Sportsleuten. Natürlich verfolgt man auch den Reha-Prozess und ist froh, wenn der jeweilige Spieler wieder auf dem Eis steht. Entsprechend erwartet man auch einen Anruf, wenn man verletzt wurde. Passiert eine Verletzung mutwillig, sieht die Sache sicherlich anders aus, allerdings habe ich persönlich damit keine Erfahrungen gemacht. Jedem ist klar, dass auf dem Eis das Sportliche zählt. Jeder will gewinnen und für die Zeit des Spiels ruhen alle Freundschaften. Allerdings immer unter Berücksichtigung des Regelwerks.
LETZTLICH WEISS MAN ALS SPIELER UM DAS VERLETZUNGSRISIKO, GEHT DENNOCH IN DIE ZWEIKÄMPFE, BLOCKT SCHÜSSE. IST DAS OFTMALS NICHT WIDER DEN GESUNDEN MENSCHENVERSTAND?
Am Ende gehören diese Dinge zu deinem Job. Es sind vielleicht nicht die Bestandteile, die man besonders gerne macht, aber jeder ist um jeden dankbar, der einen Schuss бlockt, der sich in den Dienst der Mannschaft stellt. Das sind die Jungs, die mit Herz spielen, die fürs Team ackern, sich für nichts zu schade sind. Man lernt natürlich im Nachwuchs und über die Jahre, wie man in einen Zweikampf geht, wie man Schüsse richtig blockt. Wenn man einen blauen Fleck mehr hat, einen Eisbeutel mehr braucht, weiß man, dass mach sich das nächste Mal vielleicht besser anders anstellt.
MANCHE VERLETZUNGEN KÖNNEN ALLERDINGS AUCH DAS ALLTAGSLEBEN ODER DAS LEBEN NACH DER AKTIVEN KARRIERE STARK BEEINFLUSSEN. MACHT MAN SICH ÜBER SOLCHE DINGE EBENFALLS GEDANKEN?
Als jüngerer Spieler und während der Blütezeit der Karriere denkt man meist nicht so weit. Gegen Ende der Karriere hat man meist mehrere Verletzungen erlitten, spürt sie häufiger, intensiver und länger. Dann macht man sich diese Dinge eher bewusst, muss einen Weg finden, damit zu leben. Leider ist die Wahrscheinlichkeit, sich während der Karriere zu verletzen, sehr hoch, obwohl man austrainiert und fit ist. Es bleibt nur zu hoffen, dass es keine schwere Verletzung ist, die einen zu sehr einschränkt.
WIE MAN SIEHT, MUSS EIN PROFISPORTLER MENTAL ÄUSSERST GEFESTIGT SEIN. WAS IST DENN VIELLEICHT DAS ENTSCHEIDENDE MERKMAL IN SACHEN EINSTELLUNG, UM ES AM ENDE WIRKLICH BIS ZUM PROFI ZU SCHAFFEN?
Es führen zwar viele Wege nach Rom, aber am Ende schaffen es doch nur die wenigsten, sich durchzusetzen. Mit zu den wichtigsten Dingen gehört, dass dein Sport deine Leidenschaft ist. Du trainierst täglich, kommst täglich mit deinem Sport in Berührung, stellst dich dem Wettbewerb. Im Team, aber auch auf persönlicher Ebene.
Wenn dir das zu viel ist, es dir keinen Spaß, keine Freude bereitet, werden dir Rückschläge wie Verletzungen, Niederlagenserien, abfallende Leistung extrem zusetzen. Wenn dir der Wille fehlt, dich durchzusetzen, dich immer verbessern zu wollen, werden in vielen Bereichen andere Jungs vorgezogen. Du brauchst eine gewisse Leidensbereitschaft. Es ist einfach ein Unterschied, ob ich einen Sport als Hobby betreibe oder als Beruf. Sicher, ich brauche in beiden Fällen die bereits erwähnte Leidenschaft. Aber ab dem Moment, in dem ich Geld mit dem Sport verdiene, zählt nur noch die Leistung. Es baut sich Druck auf, denn man wird jeden Tag neu bewertet, und diese Bewertungen entscheiden über meine Eiszeit, meinen nächsten Vertrag.
Dessen muss man sich bewusst sein. Nur dann schöpft man sein ganzes Potenzial aus. Bei dem einen setzt dieser Prozess früher ein, beim anderen später und bei manchen nie. Man darf nicht zu verkrampft agieren, es ist eine schmale Linie zwischen übertriebener Verbissenheit und gefährlicher Lässigkeit. Je höher das Niveau, desto feiner ist diese Linie. Natürlich gehört auch Glück dazu.
SPÄTESTENS IM PROFIGESCHÄFT SIEHT MAN SICH AUCH VIELEN KRITIKERN AUSGESETZT. ABGESEHEN VON DEN EIGENEN ANSPRÜCHEN HABEN DIE MITSPIELER, DIE TRAINER, DIE CLUBFÜHRUNG, DIE PRESSE UND NICHT ZULETZT DIE FANS GEWISSE VORSTELLUNGEN, ANFORDERUNGEN AN EINEN SPIELER. WIE GEHT MAN DAMIT UM?
Man registriert jede Form von Kritik, entscheidend ist, wie nah man die Dinge an sich ranlässt. Egal, ob es Jubel ist oder es Pfiffe sind. Egal, über welche Medien welche Aussagen getroffen oder verbreitet werden. Nicht jeder Mensch kann mit diesen Dingen gleich gut umgehen. Man kann es bis zu einem gewissen Grad lernen, und es gibt sicher Spieler, die von Kritik gepusht werden, aber auch solche, die sich davon hemmen lassen.
Beide Extreme sind sicher nicht optimal. In erster Linie muss es darum gehen, sich selbst gerecht zu werden. Wenn ich meine beste Leistung abliefere, kann ich zufrieden sein und muss mir nichts vorwerfen. Meine Performance ist auch das Einzige, was ich wirklich kontrollieren kann. Wer es weit im Profigeschäft bringt, weiß sich gut einzuschätzen und ist meist selbst sein größter Kritiker. Jedem ist wohl bewusst, dass es immer Raum für Verbesserungen gibt. Aber das ist ein natürlicher Prozess.
DU BIST INZWISCHEN SEIT RUND EINEM JAHR CO-TRAINER BEI DEN ADLERN. WAS IST FÜR DICH DER GRÖSSTE UNTERSCHIED ZUM SPIELERDASEIN?
Sicher das Videostudium. Die Zeit, die man mit Planungen und Vorbereitungen verbringt, ist gänzlich neu. Kurze, präzise Ansprachen, Verbesserungen, Hilfestellungen.
INWIEWEIT HAT SICH DAS VERHÄLTNIS ZU DEN SPIELERN GEWANDELT, MIT DENEN DU ZUMINDEST TEILWEISE NOCH SELBST AUF DEM EIS STANDEST?
Das ist eine Frage des Respekts, und in diesem Zusammenhang kann ich nur Positives berichten. Die Jungs haben das professionell aufgenommen, und ich bin hoffentlich noch immer derselbe Typ wie vorher. Sicher treffe ich inzwischen Entscheidungen in Bereichen, in denen ich zuvor nicht zu Hause war. Aber das gehört zum Trainerprofil dazu. Auch, dass es nicht immer einfache oder spaßige Entscheidungen sind. Aber ich versuche immer, die beste Entscheidung im Sinne der Mannschaft zu treffen. Die Zusammenarbeit mit Bill Stewart und Jochen Hecht bringt mich ebenfalls weiter. Oft bekommt man im Austausch Sichtweisen und Lösungsansätze, auf die man selbst vielleicht nicht gekommen wäre. Wir haben eine grobe Aufteilung untereinander, aber unterstützen einander.
UND WIE BIST DU MIT DEM VERLAUF DER BISHERIGEN SAISON ZUFRIEDEN?
An sich sehe ich den Verlauf positiv. Wir stehen unter den ersten drei Mannschaften, haben aber noch Luft noch oben. Aber wir können, wollen und werden uns noch steigern.