Bill Stewart ist zurück. Gemeinsam mit den Assistenztrainern Marcel Goc und Jochen Hecht soll der 64-jährige Kanadier, der zum dritten Mal das Kommando hinter der Bande übernommen hat, die Adler zurück in die Erfolgsspur führen. Im Interview spricht Stewart über die enge Verbindung zu Mannheim, seine Herangehensweise, um die Mannschaft bestmöglich auf die Endrunde vorzubereiten, sowie seine Erwartungen an die Mannschaft und das Team hinter dem Team. BILL, DU WARST BEIM HOLZHACKEN, ALS DER ANRUF UNSERES MANAGERS KAM. KEINE 24 STUNDEN SPÄTER BIST DU IN FRANKFURT GELANDET. DU MUSSTEST ALSO NICHT LANGE ÜBERLEGEN, EIN DRITTES MAL IN MANNHEIM ANZUHEUERN, ODER?Ich arbeite für die Organisation als Scout, schaue mir jedes Spiel an. Mein Job ist es, Spieler zu sichten und nach Mannheim zu bringen, von denen wir überzeugt sind. Das ist eine einfache Antwort. Ich mache das, was mein Arbeitgeber von mir verlangt.

ES IST KEINE SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT, DASS EIN TRAINER AUS NORDAMERIKA EINEN DEUTSCHEN EISHOCKEYCLUB SO IM HERZEN TRÄGT WIE DU DIE ADLER. WAS MACHT DIESEN CLUB FÜR DICH SO BESONDERS?

Ich kenne Daniel Hopp und Marcus Kuhl seit vielen Jahren. Sie haben mir das eine oder andere Mal ausgeholfen, und ich habe ihnen ausgeholfen. Wir respektieren und schätzen uns sehr. Außerdem ist meine Frau aus Mannheim. Wenn man seinen Job gerne ausübt, macht man seinen Job gut. Der Boss, für den ich arbeite, ist gleichzeitig auch ein guter Freund. Ich möchte, dass der Club seine Ziele erreicht. Dann sind alle glücklich.

DU HAST BEI DEINER VORSTELLUNG BEREITS BETONT, ALLE SPIELE IN DIESER SAISON AUS DER FERNE VERFOLGT ZU HABEN. WELCHEN EINDRUCK HAST DU VON DER MANNSCHAFT GEWONNEN?

Diese Mannschaft hat nicht die Leistungen gezeigt, die sie hätte zeigen können. Die Jungs sind in großartiger körperlicher Verfassung. Ich bin auch deiner Meinung, dass Mannheim kein leichter Standort ist, um Trainer zu sein. Man muss die Mechanismen verstehen, die mit diesem Trainerjob einhergehen. Einer davon ist Druck und wie man damit umgeht. Die Spieler haben genügend Druck, man muss sie nicht noch mehr unter Druck setzen. Sie wissen, was sie zu tun haben. Es geht darum, die Balance zu finden, die Dinge im Blick zu behalten und das Richtige zu sagen, das Richtige zu tun.

UND WIE HAST DU DIE MANNSCHAFT AM MONTAG VORGEFUNDEN, ALS SICH ALLE ZUM ERSTEN MAL GETROFFEN HABEN?

Es ist nicht schön, wenn Trainer gefeuert werden. Ich war auch schon in einer solchen Situation. Der Schlüssel ist jedoch, dass man sich reflektiert, hinterfragt und aus seinen Fehlern lernt, wenn man gefeuert wird. Das klingt im ersten Moment komisch, ist aber Fakt und macht dich am Ende des Tages zu einem besseren Trainer. Die Jungs in der Kabine waren mental müde, sie waren frustriert. Ich habe großen Respekt vor den Spielern, sowohl vor denen, die schon länger in Mannheim sind, als auch vor denen, die neu sind. Ich will, dass sie gut spie len. Ich will, dass die Organisation Erfolg hat Das geht in Hand in Hand.

Eishockeytrainer Bill Stewart im Interview mit dem Mannheimer Morgen:  „Ich will, dass die Organisation Erfolg hat“-2

AUF WAS KOMMT ES JETZT AN?

Man muss auf seine Instinkte vertrauen, um das Wesentliche auf den Punkt zu bringen. Wir haben unsere Spielweise leicht modifiziert, wollen, dass alle, die um die Mannschaft herum sind, an einem Strang ziehen. Wenn die Spieler spüren, dass wir ein Team sind, werden sie auch eine Einheit. Deshalb müssen wir positiv bleiben, das komplette Umfeld muss positiv bleiben. Keiner möchte am End des Tages nach Hause gehen und sich schlecht fühlen oder an sich zweifeln.

WIE SOLL DIE MANNSCHAFT AUF DEM EIS AUFTRETEN? BESCHREIBE UNS DOCH MAL BILLS SPIELPHILOSOPHIE.

Wir wollen unsere Stärken ausspielen. Und eine unserer Stärken ist die Tiefe im Kader. Wir wollen schnelles Eishockey spielen. Denn umso schneller wir spielen, desto weniger Zeit und Platz hat der Gegner. Mit einem aggressiven Forechecking und einer guten Struktur wollen wir die Scheibe schnell zurückerobern. Je weniger Zeit wir in der eigenen Zone verbringen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, das Spiel zu gewinnen.

Eishockeytrainer Bill Stewart im Interview mit dem Mannheimer Morgen:  „Ich will, dass die Organisation Erfolg hat“-3

EIN ERSTES LEBENSZEICHEN DER ADLER GAB ES IM VORLETZTEN HEIMSPIEL GEGEN DIE KREFELD PINGUINE. WIE ZUFRIEDEN WARST DU MIT DEM AUFTRITT DEINER MANNSCHAFT?

Meine Erwartungen sind hoch, sowohl an mich als auch an alle anderen im Team. Ich war mit der Leistung der Mannschaft zufrieden, aber das spielt jetzt schon keine Rolle mehr. Morgen ist ein neuer Tag, morgen beginnt ein neues Spiel. Wir müssen unsere Leistung wiederholen und letztlich konstant bestätigen.

WAREN DIE PINGUINE, BEI ALLEM RESPEKT VOR DER MANNSCHAFT, EIN DANKBARER GEGNER FÜR DAS ERSTE SPIEL UNTER DEINER REGIE?

Das spielt überhaupt keine Rolle. Mir geht es nur um uns und unser Spiel.Wir wollten abliefern. Das haben wir auch getan. Nicht nur weil wir sechs Tore erzielt haben. Wir haben in allen drei Zonen stark gespielt, haben uns unterstützt, sind als Mannschaft aufgetreten. Die Antwort der Mannschaft nach zuletzt enttäuschenden Ergebnissen hat mir sehr gefallen.

MIT MARCEL UND JOCHEN HAST DU ZWEI ASSISTENTEN AN DEINER SEITE, DIE SICH MIT DEN ADLERN IDENTIFIZIEREN UND DEN CLUB KENNEN. WARUM WAR ES DIR WICHTIG, AUSGERECHNET MIT DIESEN BEIDEN EX-PROFIS ZUSAMMENZUARBEITEN?

Instinkte. Sie haben viele Jahre in der besten Liga der Welt gespielt und sich dabei auf ihre Instinkte verlassen. Das verlangen wir auch von den Spielern. Sei dein eigener Herr. Man muss ihnen nicht vorschreiben, dass sie um 08.00Uhr aufstehen sollen, wie sie sich erholen sollen. Spieler wie Jordan Szwarz oder Nigel Dawes sind Profis. Sie wissen, was zu tun ist, wie sie regenerieren müssen, wie sie sich im Vorfeld verhalten müssen, um am Spieltag ihr Potenzial abzurufen. Sie gehen mit gutem Beispiel voran, ziehen jüngere Spieler wie Ruslan, Florian oder Luca mit und dienen sozusagen als Vorbilder.

WIE SIEHT DENN EURE ARBEITSTEILUNG AUS?

Ich muss letztlich die Entscheidungen treffen. Ich möchte aber, dass sich Marcel und Jochen mit ihrem Wissen, mit ihrer Erfahrung einbringen, ihre Meinung äußern. Jochen wird das Penalty Killing übernehmen, Marcel das Überzahlspiel. Sie sollen instinktiv handeln und entscheiden, und mit meinem Wissen können wir das Team gemeinsam wieder zurück in die Spur bringen.

WIE DEFINIERST DU DIE ZUSAMMENARBEIT MIT DEN PHYSIOTHERAPEUTEN, DEM FITNESSTRAINER, DEM TORWARTTRAINER?

Um was geht es? Am Ende des Tages geht’s um Respekt und Vertrauen. Sie alle sind aus einem bestimmten Grund hier, machen ihre Arbeit. Ich weiß ihren Einsatz sehr zu schätzen, vertraue ihrer Arbeit, ihrem Wissen. Wenn mir die Physios sagen, dass ein Spieler zwei Wochen benötigt, um wieder spielen zu können, dann vertraue ich ihnen. Selbiges gilt auch für den Fitnesscoach oder Torwarttrainer. Sie verstehen ihr Handwerk.

INWIEWEIT HAT SICH BILL STEWART MIT DEN JAHREN VERÄNDERT? IST DER BILL VON FRÜHER NOCH MIT DEM VON HEUTE VERGLEICHBAR?

Nein. Früher war ich emotionaler, aufbrausender. Inzwischen bin ich deutlich ruhiger, deutlich gelassener. Das Leben verändert sich, die Gesellschaft verändert sich, die Spieler verändern sich. Mit den Jahren habe ich gelernt mich anzupassen, mich weiterzuentwickeln. Wenn dir das als Mensch nicht gelingt, wirst du irgendwann zum Dinosaurier. Es ist wichtig, sein Tun und Handeln immer wieder zu reflektieren, die richtigen Schlüsse aus Erfolg und Misserfolg zu ziehen, sich weiterzubilden und neue Trainingsmethoden in seinen Alltag zu integrieren. Man muss immer am Puls der Zeit bleiben.