Herr Sommer, vor Kurzem hat das Mannheimer Start-up Osapiens den Deutschen Gründerpreis gewonnen. Inwieweit ist das auch ein Erfolg für die Gründerstadt Mannheim?
Die Gründer von Osapiens werden ja selbst nicht müde, immer wieder zu betonen, wie wichtig das Mafinex Technologiezentrum für ihre Entwicklung war. Daher ist die Auszeichnung schon auch ein direkter Erfolg für die Gründerstadt Mannheim und für NEXT MANNHEIM als Fördereinrichtung für Start-ups.

Wie wurde Osapiens konkret gefördert?
Zunächst, indem wir Osapiens im Mafinex subventionierte Räume zur Verfügung gestellt haben. Start-ups, die sich in einem unserer acht Gründungszentren einmieten, zahlen deutlich weniger als auf dem freien Markt. Auch was das Thema An- und Abmietung angeht, bieten wir eine Flexibilität, die ein privater Vermieter kaum bieten würde. Ein anderer Aspekt der Förderung sind unsere Netzwerke: Wir bringen unsere Unternehmen nicht nur miteinander in Kontakt, sondern auch mit der Industrie, mit Universitäten und anderen Akteuren, die für sie relevant sind. Außerdem freuen wir uns auch, immer wieder darauf hinzuweisen, was für tolle Start-ups es in Mannheim gibt und welch tolle Entwicklung die nehmen, was dann ja auch wieder positive Effekte für unsere Start-up-Community hat.

Welche? Eine Sogwirkung, die neue Gründer anzieht?
Genau!

Mannheim hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Hotspot für den Bereich E-Commerce entwickelt. Ist auch das Folge einer solchen Sogwirkung?
Absolut. Aber in diesem Fall muss man auch klar sagen, dass diese Sogwirkung aufgrund der extrem starken Akteure entstanden ist, die nicht in unseren Gründungszentren angesiedelt waren: allen voran SNOCKS, aber auch Purelei und Paul Valentine.

Für deren Erfolg kann NEXT MANNHEIM also nichts?
Nichts nun auch wieder nicht, aber sie entstammen nun mal nicht einem unserer Gründungszentren. SNOCKS zum Beispiel kam schon in einer frühen Phase der Gründung in den Genuss des Förderprogramms „Kreatech" der Wirtschaftsförderung der Stadt Mannheim. Außerdem ist der Austausch mit allen drei Unternehmen eng, es gibt Kooperationen wie den Mannheimer Start-up Treff im SNOCKS Coffee - auch hier geht es ums Vernetzen und darum, den Sogeffekt zu unterstützen. Und wir sind gerade dabei, eine Job-Plattform aufzusetzen, über die alle Mannheimer Start-ups ihre Stellenanzeigen online stellen können.

NEXT MANNHEIM hat den seit einigen Jahren Anspruch, gezielt Gründungen zu fördern, die nachhaltig wirtschaften und gesellschaftlich wie ökologisch Verantwortung übernehmen. Ist das eine Zeitenwende?
Wir spüren sehr stark, dass sich die Werte, unter denen gegründet wird, verändern. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit ist stark gewachsen. Wobei Nachhaltigkeit nicht nur im ökologischen Sinne von Klimaneutralität zu verstehen ist, sondern sich auch auf den sozialen Bereich bezieht. Deshalb: Ja, ich sehe eine Zeitenwende, die wir als Stadt und als NEXT MANNHEIM in den kommenden Jahren extrem unterstützen müssen.

Wie kann diese Unterstützung aussehen? 
Erst einmal müssen wir das Umfeld umgestalten. Wir als NEXT MANNHEIM sind seit zwei Jahren in einem Prozess, uns selbst nachhaltiger aufzustellen. Wir wollen unsere acht Gründerzentren nachhaltig betreiben. Wir legen gewisse Standards an Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. Und wir befassen uns auch sehr stark mit neuen Technologien und wollen diese gezielt fördern.

Gehen die Gründer diese Entwicklung mit?
Als wir begonnen haben, uns mit dem Thema zu befassen, dachten wir noch, wir würden manche Dinge verordnen müssen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir erleben durchaus, dass die Gründerinnen und Gründer uns vor sich hertreiben. Die Leute haben verstanden, dass die klassischen, rein ökonomisch dominierten Wirtschaftsmodelle nicht mehr funktionieren, und dass man ohne dieses Umdenken gar keine Mitarbeiter mehr findet. Nachhaltiges Wirtschaften ist mittlerweile ein ganz hoher Wert für gut ausgebildete Fachkräfte.

Wo steht NEXT MANNHEIM im Prozess, sich selbst nachhaltiger aufzustellen?
Wir haben vor einigen Jahren eine Gemeinwohlanalyse gemacht. Die hat uns eine ganze Menge an Hinweisen gegeben, wo wir nachhaltiger, besser, fairer und gendergerechter agieren können. Diese Punkte setzen wir nun schrittweise um. Manches ist sehr einfach: Wir haben zum Beispiel unsere Autos auf Elektroantrieb umgestellt. Anderes ist schwieriger. Maßnahmen, die mit größeren Investitionen verbunden sind, brauchen mehr Zeit und müssen mit der Stadt Mannheim abgestimmt werden.

Mit der Eröffnung des Cubex One im vergangenen Jahr haben junge Unternehmen aus der Medizintechnik ein eigenes Gründerzentrum erhalten. Wie zufrieden sind Sie mit dessen Entwicklung?
Grundsätzlich sind wir auf einem guten Weg. Allerdings gebe ich zu, dass wir gern schon etwas weiter wären. Wir stellen fest, dass es derzeit eine sehr zögerliche Haltung bei Anmietungen gibt. Wir halten das aber nicht für ein strukturelles Problem, sondern sehen das in der derzeit unsicheren wirtschaftlichen und politischen Situation begründet.

Demnächst werden Sie wieder Bauherr. Der bisherige Musikpark soll zum Green-Tech-Zentrum umgestaltet werden. Ist auch das Teil des Transformationsprozesses, den NEXT MANNHEIM durchläuft?
Zunächst einmal ist es mir wichtig klarzumachen, dass der Gemeinderat noch nicht über das Thema entschieden hat. Alles, was ich dazu sage, steht unter dem Vorbehalt dieser Entscheidung. Die Vorgeschichte ist ja bekannt: Wir wollten das Green-Tech-Zentrum an anderer Stelle neu bauen, das war aber zu teuer. Gleichzeitig ist die Zweckbindung des Musikparks ausgelaufen, er muss saniert werden und bietet Büroflächen, die in dieser Größe für die Musikwirtschaft einfach nicht mehr nötig sind. Daraus entstand die Idee, den Musikpark zum Green-Tech-Zentrum umzugestalten. Wenn der Gemeinderat also zustimmt, können wir im kommenden Jahr in die Detailplanung gehen.

Was bedeutet das für die derzeitigen Mieter?
Die sind alle schon auf die Kündigung vorbereitet, denn es ist seit Jahren klar, dass der Tag irgendwann kommen wird. Alle haben nur kurzfristige Mietverträge. Und es gehört ja auch zu unserem Konzept, dass die Unternehmen nur eine gewisse Zeit in unseren Gründungszentren bleiben. Wir werden aber auch niemanden im Regen stehen lassen, schließlich haben wir noch weitere Kreativwirtschaftszentren, in denen wir Flächen zur Verfügung stellen können.

Aber führt der Wegfall des Musikparks nicht zu einer Schwächung des Musikstandorts Mannheim?
Definitiv nein. Wir werden ein Konzept für die Musikstadt Mannheim erarbeiten, in dem natürlich eine Nachfolgeüberlegung für den Musikpark eine Rolle spielen wird. Wir sind am Start eines Strategieprozesses. Ich fände es toll, wenn Mannheim die erste nachhaltige Musikstadt in Deutschland würde. Auch hier denke ich Nachhaltigkeit nicht nur im CO₂-neutralen Kontext, sondern weitergehend: Wie kann Musik in die Gesellschaft wirken? Wie kann man Stadtteile durch Musik aktivieren? Der Musikpark wird durch diese Transformation nicht sterben, sondern eine neue Konzeption erhalten, vielleicht an anderer Stelle und angepasst an die heutigen Bedarfe der Musikwirtschaft.

Sie haben die Mannheimer Start-up-Szene oft mit einem Biotop verglichen. Kennzeichen eines Biotops ist die Artenvielfalt. Bleibt die erhalten, wenn NEXT MANNHEIM zunehmend auf die Förderung von Unternehmen in den Bereichen Tech und IT fokussiert?
Das kann man so nicht sagen. Klar haben wir einen Fokus auf dem Thema Technologie, das ist im Start-up-Umfeld in der Regel immer so. Aber wir sind nach wie vor einer der führenden Standorte der Kreativ- und Musikwirtschaft in Deutschland und das werden wir auch bleiben. Es ist also nicht so, dass unserem Biotop Arten verloren gehen. Im Gegenteil: Mit Green Tech kommt eine neue Art hinzu. INTERVIEW: UTE MAAG

CHRISTIAN SOMMER

Christian Sommer, 1966 in Mannheim geboren, übernahm 2003 die Leitung des Musikparks Mannheim und 2011 zusätzlich die des Mafinex Technologiezentrums. Seit 2014 ist er Geschäftsführer der Mannheimer Gründungszentren GmbH und damit Chef von acht verschiedenen Clustern, in denen unter der Dachmarke NEXT MANNHEIM junge Unternehmen gefördert werden. uma