Der Markt der Hörgeräte entwickelt sich ähnlich rasant wie der für Smartphones oder Computer. Immer ausgefeiltere Technik, höhere Akkuleistung, sensiblere Übertragungstechniken und inzwischen nahezu unsichtbare Geräte ermöglichen Menschen mit Hörproblemen Teilhabe am sozialen Leben. Nazan Yakar und Alon Lavi, Inhaber des unabhängigen Hörakustik-Unternehmens hören² mit Standorten in Mannheim, Edingen und Speyer, haben das Ohr ständig am Markt, um ihre Kunden mit den innovativsten und individuell besten Lösungen versorgen zu können.

Frau Yakar, Herr Lavi, das Hörgerät gehört sicher zu den wichtigeren Erfindungen in der Geschichte der Menschheit...
Alon Lavi:
Auf jeden Fall! Und es hat in den vergangenen 50 Jahren eine gigantische Entwicklung genommen. Ein Hörgerät kann das natürliche Gehör zwar nicht eins zu eins ersetzen, aber die Technik kommt dem natürlichen Hörempfinden inzwischen zum Glück sehr nah. Hörgeräte sind mittlerweile Lifestyleprodukte, die sehr viel können: Man kann mit ihnen telefonieren, Musik streamen oder sie mit dem Fernseher koppeln. Dass es inzwischen fast unsichtbare Modelle gibt, hat außerdem dazu beigetragen, dass Vorbehalte abgebaut wurden und ihre Träger sich nicht mehr stigmatisiert fühlen.

Nazan Yakar: Gerade bei jüngeren Menschen stellen wir fest, dass sie inzwischen früher zu uns kommen, wenn sie bemerken, dass ihr Hörvermögen nachlässt. Das ist eine gute Entwicklung.

Experten: Das Mannheimer Team von hören².
Experten: Das Mannheimer Team von hören².

Warum sollten Betroffene Hörprobleme nicht auf die lange Bank schieben?
Yakar:
Unser Gehirn speichert Höreindrucke ab. Je länger es hörentwöhnt ist, desto schwerer fällt es, sich an ein technisches Hilfsmittel zu gewöhnen. Zu lange abzuwarten ist daher ebenso falsch wie das Hörgerät nur zu bestimmten Gelegenheiten aus der Schublade zu holen. Unsere zufriedensten Kunden sind die, die ihr Hörgerät vom Aufstehen bis zum Schlafengehen tragen.

Ihr Anspruch ist, dass Ihre Kunden nicht nur besser hören, sondern auch besser verstehen. Wo liegt der Unterschied?
Lavi:
Unser Sprachverstehen ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Was akustisch auf unser Gehör trifft, muss vom Gehirn verarbeitet werden. Daher bringt es nichts, wenn Hörgeräte einfach alles lauter machen. Entscheidend ist die individuelle Anpassung an das Gehör und an die Lebensumstände. Wir schauen: Wie alt ist jemand, welchen Beruf übt er aus, welche Vorlieben, welche Hobbys hat er?

Yakar:
Als unabhängiges Unternehmen stehen wir dazu in engem Austausch mit den weltmarktführenden Herstellern. Weil wir beide lange in der Industrie tätig waren, sind wir gut vernetzt und haben technische Entwicklungen und die neuesten Geräte immer im Blick. Mit dieser Kompetenz und Erfahrung finden wir für jeden Kunden die beste Lösung - für die Generation 70plus ebenso wie für Berufstätige, die zum Beispiel nach einem Hörsturz bestimmte Frequenzen nicht mehr hören. Auch Menschen mit Tinnitus, von denen viele auch einen Hörverlust erleiden, können wir das Leben erleichtern.

Bei Auswahl und Anpassung verwenden Sie die Audiosus-Methode. Wie funktioniert dieses Verfahren?
Lavi:
Audiosus ermöglicht uns, den Kunden in die Anpassung mit einzubeziehen. Menschen können oft nicht gut mit Worten beschreiben, wie sie einen Klang empfinden oder was sie genau stört. Spielen wir ihnen in unserem Hörstudio aber Töne, Sprache oder Musik in verschiedenen Variationen vor, können sie, geleitet von ihrem subjektiven Klangempfinden, sagen, wann und wie sie am besten hören. So erzielen wir die bestmögliche Einstellung - für ein möglichst natürliches Klangerlebnis. Wir sind seit vier Jahren Audiosus-Partner und haben alle unsere Studios mit dieser Technik ausgestattet. Die Ergebnisse sprechen für sich. Wir haben Kunden, die berichten, sie hörten fast wie früher. 

Bei hören² können sich Kunden auch per Videocall beraten lassen. Ist das die Zukunft: Hörgeräte online kaufen?
Lavi:
Ein klares Nein. Als modernes, innovatives Unternehmen haben wir diesen Service während der Corona-Zeit eingeführt, in der manche Kunden nicht in die Stadt kommen wollten oder konnten. Das funktioniert auch sehr gut, ist für uns aber nur eine Ergänzung unseres Vor-Ort-Angebots, genauso wie die Fernwartung der Geräte. Unsere Kunden nehmen teils Anfahrtswege von mehr als einer Stunde auf sich. Sind nur kleine Einstellungsänderungen vorzunehmen, können wir uns mittels Teleaudiologie mit den Hörgeräten verbinden. Die Anpassung eines Hörgeräts sollte allerdings im Studio erfolgen. Denn hier haben wir neueste Technik, ein angenehmes Ambiente und können uns die Anatomie jedes Ohrs genau anschauen, um optimalen Tragekomfort zu erreichen.

Yakar: Uns ist wichtig, unsere Kunden mit unserer ganzen Kompetenz sehr persönlich und intensiv zu begleiten, auch noch lange nach der Anpassung. Dafür nehmen wir uns Zeit, vor Ort und online. Derzeit lassen wir eine App entwickeln, die im kommenden Jahr fertig sein soll, um unsere Kunden noch besser unterstützen zu können.

Einer Ihrer Schwerpunkte ist die Pädakustik. Was ist besonders bei der Betreuung von Kindern?
Yakar:
Man braucht eine spezielle Ausbildung, die ich und eine unserer sieben Mitarbeiterinnen absolviert haben. Ab Januar kommt eine dritte Pädakustikerin in unserem Team dazu, denn wir kümmern uns mittlerweile pro Jahr um mehr als 100 Kinder - auch weil wir sehr gut vernetzt mit den Fachkliniken in der Region sind. Die Betreuung ist intensiver, denn bei angeborenen oder erblich bedingten Hörschädigungen haben wir es auch mit drei Monate alten Babys zu tun. Denen können wir keinen Kopfhörer aufsetzen und erwarten, dass sie uns sagen, wenn sie einen Ton hören. Die Versorgung von Kindern mit Hör-Hilfen erfordert daher viel Zeit, Zuwendung, Erfahrung und Know-how, zum Beispiel auch im Bereich Cochlea-Implantate - einem weiteren Schwerpunkt von hören²?

Aber auch viele Musiker kommen gezielt zu Ihnen. Haben die alle Probleme mit dem Hören?
Lavi:
Zum Glück nicht - auch wenn Berufsmusiker ein erhöhtes Risiko tragen. Ein Hörverlust hat für sie und ihre Karriere oft gravierende Folgen. Musiker, die ein Hörsystem benötigen, haben sehr hohe Ansprüche und suchen sich ihren Akustiker ganz gezielt aus. Viele kommen auf Empfehlung zu uns. Neben dieser Gruppe suchen uns aber auch hörgesunde Musiker auf, um sich zum Thema In-Ear-Monitoring beraten zu lassen.

Was ist das?
Lavi:
Das ist ein individuell konfigurierbares Kopfhörersystem, das für einen tollen Sound im Ohr sorgt. Als einer von nur 20 Partnern in Deutschland arbeiten wir dabei mit Vision Ears aus Köln zusammen. Dass diese Geräte auch noch sehr viel schonender fürs Gehör der Musiker sind als herkömmliche Verstärker und Boxen und damit präventiv wirken, ist ein schöner Nebeneffekt. Aber in erster Linie geht es beim In-Ear-Monitoring um das authentische Klangerlebnis, auf das Profimusiker größten Wert legen.

Hören ist also für jeden Menschen eine emotionale Angelegenheit.
Lavi:
Das stellen wir in unserem Beruf als Hörakustiker jeden Tag fest. Es kommt vor, dass Kunden vor Freude weinen, wenn ihr Hörgerät es ihnen ermöglicht, Töne wahrzunehmen, die sie lange nicht gehört haben. Da freuen wir uns dann mit. Menschen zu helfen ist unsere größte Motivation. Interview: Ute Maag