Dass der Weg in die Mobilität der Zukunft bisweilen auch ein steiniger sein kann, haben die Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs in der Corona-Krise lernen müssen. Da machte auch die Mannheimer Rhein-Neckar Verkehr GmbH (rnv) keine Ausnahme. Denn während Busse und Bahnenunter Hygienevorschriften - bereit standen, um täglich Tausende von Passagieren an ihr Ziel zu befördern, fehlten zwischen Homeoffice, Fernunterricht und Ansteckungsangst plötzlich die Fahrgäste.

Es war ein Weckruf, den man auch in der Quadratestadt deutlich hörte - und der klar machte, dass ein Nahverkehr, der breitenwirksam, sicher und dennoch hochattraktiv daherkommen will, neben den bestehenden Angeboten auch Neuland beschreiten muss. Was im Großen und Ganzen gern unter der Überschrift der Verkehrswende verhandelt wird, zeigt sich hier, im Lokalen und Regionalen, ganz konkret.

Bereits frühzeitig hatte die rnv für solche und ähnliche Vorhaben den eigenen Unternehmensbereich „Neue Geschäftsfelder" gegründet, dessen Arbeit sich bereits vor Jahren in ersten Ergebnissen niederschlug. ,,Primove" hieß das Projekt, das die rnv gemeinsam mit dem Konzern Bombardier in Angriff nahm, um die Kapazität elektrisch betriebener Stadtbusse zu optimieren. An diversen Haltestellen auf der Strecke sollten eingelassene induktive Schleifen dazu dienen, die Batterien während der Haltezeit so nachhaltig wieder aufzuladen, dass ein zielsicherer Betrieb über den ganzen Tag hinweg möglich wird. „Die Idee war großartig", wie sich Martin in der Beek, technischer Geschäftsführer der rnv, im Gespräch erinnert, ,,aber wir mussten feststellen, dass der Aufwand im Vergleich zum Nutzen, den wir erzielen konnten, einfach zu hoch war." Es ist eines der Beispiele, die vor Augen führen, dass ,,Innovation mitgestalten" bisweilen auch bedeuten kann, auf dem Feld experimenteller Technik Pionierschritte zu wagen, die nicht sofort zum gewünschten Ergebnis führen.

Doch der Mut verließ die Verantwortlichen bei der rnv deswegen keineswegs. Stattdessen trieb man in den Folgejahren eine Digitalisierungsstrategie voran, die nach innen und nach außen wirken sollte. Nach innen, indem man vom Mitarbeitermanagement bis hin zu technischen Fehlermeldungen von Straßenbahnfahrern wichtige Prozesse via Tablet in Echtzeit übermittelbar machte, anstatt weiterhin den ungleich langsameren Weg des Papiers zu beschreiten. Nach außen, indem Angebote für Fahrgäste geschaffen wurden, die ganz bewusst auch junge Menschen und interessierte Smartphone-Nutzer adressieren sollten. Etwa der Dienst mit dem sympathischen Namen ,,fips". Als elektrisches Personenshuttle ,,für die letzte Meile" konzipiert, soll der Kleinbus Fahrgästen die Möglichkeit geben, individuelle Fahrziele in Mannheim ganz bequem und mit vollem Fahrgastkomfort erreichen zu können. Konkret verläuft dabei die Buchung so, dass Algorithmen mehrere Fahrgastwünsche für den fünf Personen fassenden Transporter derart intelligent bewerten, dass optimierte Routen festgelegt - und die Ziele mehrerer Einzelpersonen dadurch effektiv erreicht werden können. Der Verzicht auf das eigene Auto soll so zu einem erstrebenswerten Luxus avancieren. ,,Ein Projekt, an dessen Zukunft wir gerade in einer Zeit gestiegener Benzinpreise glauben", wie in der Beek versichert.

Doch auch in großen Zusammenhängen wird bei der rnv weiterhin gedacht. Einerseits durch Leuchtturmprojekte wie die just als Erstexemplar angelieferte Rhein-Neckar Tram, die zwar noch einige Tausend Testkilometer vor sich hat, dann aber den Linienbetrieb im ganzen Verbreitungsgebiet prägen soll. Andererseits aber auch durch weiterhin wagemutige Projekte wie den autonom fahrenden Kleinbus RABus oder die Förderung alternativer Antriebstechnologien. Beim Hersteller Evobus jedenfalls hat die rnv just mehrere Modelle des elektrischen Stadtbusses eCitaro geordert, die zusätzlich zu ihrem Akku mit einer Wasserstoff-Brennzelle ausgestattet sind.

„Wir wollen technologieoffen agieren, Abhängigkeiten verringern, aber auch Akzente setzen und die Erreichbarkeit durch den Ausbau unseres Netzes kontinuierlich erweitern", wie Martin in der Beek den strategischen Spagat seines Unternehmens beschreibt und dabei ein ,,ultimatives Ziel" vor Augen hat: ,,langfristiges Vertrauen“ in einen leistungsfähigen Verkehrsbetrieb, der auch in Zukunft weiter gestalten will, als nur zu reagieren. MARKUS MERTENS