Bob der Baumeister lieferte nicht nur den Slogan für Barack Obamas Präsidentschaftswahlkampf, sondern schon drei Jahre davor eine Anleitung für nachhaltiges Bauen: In Folge 118 aus dem Jahr 2005 verhindert der Kinderserien-Held, dass das grüne und blühende Sonnenblumental der Städtebauwut des (ansonsten sehr netten) Architekten Herrn Adam zum Opfer fällt. „Reduzieren, wiederverwerten, recyceln“, fordert Bob. Statt Glas, Stahl und Beton reicht er einen Entwurf mit Holzbauten und Grasdächern ein, gewinnt damit den Architektenwettbewerb und bewahrt das Tal vor der Versiegelung.

Reduzieren, wiederverwerten, recyceln ist auch in der echten Welt ein wichtiges Motto, wenn es um nachhaltiges Bauen geht und darum, die Klima- und Umweltfolgen von Baumaßnahmen einzuschränken. Diese sind enorm: Die Non-Profit-Organisation World Green Building Council geht davon aus, dass rund 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf den Bausektor zurückgehen. Mit rund 53 Prozent der jährlichen Abfallmenge in Deutschland ist die Branche laut Statistischem Bundesamt zudem der größte Müllproduzent des Landes. Der Deutsche Städtetag rechnet vor, dass Neubauten für rund 70 Prozent des jährlichen Flächenverbrauchs verantwortlich sind.

Ein großes Problem sind vor allem die sogenannten grauen Emissionen. So werden die Treibhausgase genannt, die etwa bei der Herstellung und beim Transport der Baumaterialien wie Beton, Stahl und Zement entstehen. Auch Rückbau und Entsorgung der Materialien fallen darunter. Die grauen Emissionen stehen laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung für im Schnitt ein Viertel der Gesamtemissionen eines konventionell gefertigten Gebäudes. Die Rest entsteht durch die Heizung und sonstigen Energieverbrauch, solange es genutzt wird.

Wenn die Bundesregierung ihre Klimazielen erreichen will, muss also schnell anders gebaut werden. Das erkennt auch die Bauindustrie an. „Wir sind wirklich eine Schlüsselbranche für mehr Klimaschutz“, sagt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Immer mehr Photovoltaikanlagen und Grünflächen werden auf Dächern installiert. Ganze Stadtquartiere werden inzwischen in Holzbauweise geplant. Doch reicht das aus?

„Es ist wie beim Marathon“, sagt Christine Lemaitre, Chefin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). „Manche Läufer sprinten den in zwei Stunden durch, andere sind in dieser Zeit gerade mal bei der ersten Trinkstation angekommen.“ So sei es auch beim nachhaltigen Bauen. „Es gibt viele, die es einfach und konsequent machen und wir haben einen großen Teil, der sich gerade erst auf den Weg gemacht hat.“

Die DGNB hat ein Zertifizierungssystem für private Bauprojekte entwickelt, um Umweltauswirkungen besser vergleichbar und transparenter zu machen. Das System ist auf Neubauten und Instandhaltungen anwendbar und hat den Anspruch, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes in den Blick zu nehmen.

Wer wissen will, was dabei für die beste Einstufung notwendig ist, kann in der Budapester Straße in Berlin-Mitte vorbeischauen. Hier reißt eine Immobilienbank gerade ihr altes Hauptquartier ab, um an selber Stelle ein neues zu bauen. Von dem einstigen Bürobau ist nur noch ein großes Betonskelett übrig. Stahlseile, Kabel und Betonreste ragen aus den Zwischenwänden heraus und hängen wie ein Vorhang vor den aufgerissenen Etagen. Für das Bauprojekt ist die Bank mit dem Platin-Zertifikat der DGNB ausgezeichnet worden.

Das Nachhaltigkeitsversprechen beginnt hier schon beim Rückbau. „Abreißen kann jeder“, sagt der Projektverantwortliche Jens Völkner. „Wir haben uns aber die Frage gestellt, wie wir aus der bestehenden Gebäudesubstanz des Altbaus noch Nutzen ziehen können. 88 Prozent von dem, was im konstruktiven Abbruch anfällt, wird wieder verwendet.“

Die neue Fassade besteht zu rund einem Viertel aus Photovoltaik-Elementen. Auch durch Wärmerückgewinnung verbrauche der künftige Neubau mehr als die Hälfte weniger Energie als das alte Gebäude. Zahlreiche Bohrungen für die Geothermie hätten die Kosten deutlich erhöht. Der Vorstand stehe dem Vorhaben dennoch positiv gegenüber. „Es kostet alles Geld, die Frage ist nur, wie weit wir das nach Abwägung von Kosten und Nutzen treiben“, sagt Völkner.

Trotz der guten Zertifizierung überzeugt das Projekt nicht alle. „Ich sehe Stahlbetonstützen, Stahlbetondekken, ich sehe einen sehr hohen Verglasungsanteil“, sagt Veit Burgbacher vom Verein Architects for Future (AFF). „Das bereitet mir Bauchschmerzen.“ Die Organisation setzt sich unter anderem dafür ein, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens in der Baubranche verankert werden. Mit Photovoltaik auf dem Dach und Wärmetausch-Systemen ist es für AFF nicht getan.

„Einer der wichtigsten Grundsätze, die wir vertreten, lautet: Abriss vermeiden“, sagt Burgbacher. „Die graue Energie, die in jedem Gebäude steckt, ist unwiederbringlich verloren, wenn sie abreißen.“ Nur wenige Gebäude seien nicht erhaltenswert, weil etwa die Substanz zu schlecht sei. Es mangele vor allem am Sanierungswillen vieler Bauherren.

Auch der Tierpark Berlin musste sich bei seinem Verwaltungsgebäude vor wenigen Jahren die Frage stellen: Sanieren oder neu bauen? Der DDR-Plattenbau aus den 60er Jahren war so marode, dass er schon jahrelang nicht mehr genutzt wurde. „Durch die Unterlagen wurde uns schnell klar, dass das kein normaler Plattenbau von der Stange, sondern ein sogenannter Skelettbau ist, der damals schon hochinnovativ geplant wurde und der sehr gut umnutzbar ist in seiner Struktur“, sagt der verantwortliche Architekt Jan Schreiber.

Drei Sanierungsoptionen stellte sein Büro ZRS dem Tierpark vor. Am Ende wurde es die günstigste Variante. Der Rohbau sowie weite Teile der DDR-Innenarchitektur blieben erhalten. Statt der abgerockten Asbest-Beton-Fassade bekam der Bau ein Kleid aus zertifiziertem Lerchenholz. Der Energieverbrauch konnte um die Hälfte gesenkt werden. Die neue Fassade wurde so konstruiert, dass sie sich am Ende der Lebensdauer leicht trennen und recyceln lässt. „Ein tolles Projekt“, lobt Burgbacher von Architects For Future. Doch solche Vorhaben seien bislang noch ein Nischenphänomen.

Was muss also passieren, damit sich das ändert? Architects For Future fordert etwa, dass die künftige Bundesregierung die gesetzlichen Mindeststandards für nachhaltiges Bauen heraufsetzt. Bislang seien im Gebäudeenergiegesetz, das diese Standards festlegt, nicht einmal die grauen Emissionen berücksichtigt, kritisiert Burgbacher. Die Bauindustrie wiederum verlangt, dass Planen und Bauen stärker aus einer Hand erfolgt. „Die Kopplung von Planen und Bauen bringt mehr Produktivität und ist grundlegend für serielle Vorfertigung und Modulbauweise“, sagt Hauptgeschäftsführer Müller.

Der Branche bleibt nicht mehr viel Zeit, die komplexen Aufgaben zu lösen. Die ersten Zwischenziele der Klimapolitik müssen bis 2030 erreicht werden. Vielleicht hilft auch hier die Zuversicht Bobs des Baumeisters: „Yes we can.“ dpa