Seit dem 1. August gibt es für psychisch erkrankte Menschen in Mannheim ein neues Angebot: Die Caritas startet eine Ambulante Psychiatrische Pflege (APP). Das ist ein Pflegedienst, der sich speziell an psychisch Kranke richtet, die Unterstützung in ihrem Alltag benötigen – sei es beispielsweise bei der Planung ihres Tagesablaufs, der Strukturierung ihres Soziallebens, der Einnahme von verschriebenen Medikamenten oder auch bei der Rückkehr in die eigenen vier Wände nach einem Klinikaufenthalt. Im Interview mit „Gesund leben!“ erklären Caritas-Abteilungsleiterin Jutta Lindner und Manfred Kubla, Leiter der APP, was es mit dem neuen Angebot auf sich hat und warum es so wichtig ist, dass es dieses nun gibt.Wie unterscheidet sich das neue Angebot der Ambulanten Psychiatrischen Pflege von den bisherigen Angeboten der Caritas für psychisch erkrankte Menschen?Jutta Lindner: Wir haben in diesem Bereich sehr viele Erfahrungen vorzuweisen. In unserem Verband haben wir unter anderem eine Rehabilitationsklinik für psychisch erkrankte Menschen und haben festgestellt, was noch fehlt, ist die Versorgung zwischen dem Klinikaufenthalt und dem Wiederaufbau eines normalen Alltags.Manfred Kubla: Kommt der Patient beispielsweise nach einer längeren, stationären Behandlung, die vielleicht sogar Wochen oder Monate in Anspruch genommen hat, wieder nach Hause, muss zunächst geklärt werden, wie es nun mit der medikamentösen Behandlung aber auch mit dem sozialen Umfeld und der beruflichen Situation weitergehen kann. Wird ein gesetzlicher Betreuer benötigt? Kann die Wohnsituation so wie sie ist aufrecht erhalten werden? Aber auch die Tagesstruktur und Freizeitgestaltung sind wichtige Themen, bei denen die Pfleger der APP unterstützend eingreifen können. Bei älteren Menschen kommt zudem die Frage nach einer möglichen Unterstützung im Bereich der Pflege auf. Es ist oft eine Zeit der Unsicherheit, in der der Mensch sich sehr vielen Fragen und Herausforderungen ausgesetzt sieht – hier greift die APPein, um diese Versorgungslücke zu schließen.Die Ambulante Psychiatrische Pflege der Caritas wurde nun in Pandemie-Zeiten eröffnet. Ist Corona mit ein Grund für die Eröffnung?Manfred Kubla: Die Planung für die APP läuft bereits über einen längeren Zeitraum. Corona hat auf der einen Seite die Planung erschwert, auf der anderen Seite war die Pandemie aber nochmals ein Auslöser, das Projekt gezielt zu fördern und zu forcieren. Gerade durch die Pandemie und die dazugehörigen Einschränkungen und Ängste waren insbesondere Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung besonders betroffen. Beispielsweise die Einschränkung, keine oder wenige Kontakte zu haben, stellt für diese Menschen eine besondere Herausforderung dar. Insofern ist das Angebot der APP auch in Krisenzeiten besonders gut zur Unterstützung geeignet. Wir haben Patienten erlebt, die seit eineinhalb Jahren nicht mehr aus dem Haus gegangen sind und sich nur noch über Lieferdienste versorgt haben. Mit ihren Ängsten und Sorgen waren sie in dieser Zeit alleine und haben sich auch ein Stück weit alleine gelassen gefühlt.Jutta Lindner: Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter im persönlichen Kontakt zu den Patienten stehen, nicht per Video-Chat, Telefon- oder Mail-Kontakt, sondern direkt greifbar vor Ort.Wie kann ich eine solche Unterstützung beantragen und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?Manfred Kubla: Wenn man sich noch in der Klinik befindet, ist der Sozialdienst der Klinik der erste Ansprechpartner. Dieser vermittelt dann und lädt die Mitarbeiter der APP zu einem Kennenlern-Termin ein. Aber auch außerhalb der Einrichtungen ist es sehr einfach, den Dienst der APP zu nutzen. Betroffene müssen sich lediglich eine Verordnung über den niedergelassenen Arzt, Psychiater oder Neurologen holen. Die Erstverordnung geht über zwei Wochen. In dieser Zeit wird beispielsweise geprüft, ob ein Beziehungsaufbau zwischen Patient und Pfleger möglich ist. Ist dies der Fall, erfolgt eine Zweitverordnung, die bis zu maximal sechs Monaten dauert. Die Leistungen werden auch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, lediglich die Zuzahlungen müssen vom Patienten getragen werden. Dass die Aufnahme der Arbeit mit den Patienten einfach und vor allem schnell geht, war uns ein besonderes Anliegen, da andere Angebote wie beispielsweise das ambulant betreute Wohnen oder Wohnheimplätze für gewöhnlich mit langen Wartezeiten verbunden sind. Die APP dagegen erhebt den Anspruch, Menschen ganz schnell – quasi von heute auf morgen – helfen zu können.Jutta Lindner: Zum Arzt zu gehen, sich zu öffnen und dann eine lange Zeit auf Hilfe warten zu müssen, kann sehr frustrierend sein und eine zusätzliche Belastung darstellen. Die Hemmschwelle und Wartezeit besonders niedrig zu halten, waren uns daher besonders wichtige Anliegen.In welchem Umfang können die Pflegekräfte für die Patienten da sein?Manfred Kubla: Wichtig zu wissen ist, dass der Patient natürlich Mitspracherecht hat, wenn es um die Gestaltung der Begleitung geht. Gemeinsam wird der Behandlungsplan besprochen und erarbeitet. 14 Kontakte pro Woche werden maximal finanziert – dieses Kontingent muss allerdings nicht voll ausgeschöpft werden. Zudem kann beispielsweise auch ein nicht so häufiger, dafür jedoch längerer Besuch vereinbart werden.Jutta Lindner: Es ist eine sehr individuell gestaltbare Hilfe. Jeder hat sein eigenes Päckchen mit sich zu tragen. Während der eine die Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme benötigt, geht es bei dem anderen um die Erstellung einer passenden Tagesstruktur. Zudem ist die APP auch Bindeglied zwischen den Ärzten und der Nachversorgung – beispielsweise wenn es um Reha-Maßnahmen geht. Das kommt ganz auf den Menschen und seine individuelle Geschichte an. Die Menschen, die durch die APP betreut werden, zählen zu ganz unterschiedlichen Altersgruppen. Bei Pflege denkt man oftmals zunächst an ältere Menschen – doch das Spektrum ist viel weiter und reicht von ganz jung bis ins hohe Alter.Manfred Kubla: Natürlich haben wir auch die Geriatrie im Blick. Viele ältere Menschen vereinsamen zunehmend, leben alleine. Hier stehen Themen wie beginnende Demenz oder Vereinsamung und Verwahrlosung im Raum. Auch hier ist die APP ein gutes Mittel um zu schauen, wie man den Menschen auch in dieser Lebenssituation helfen kann. Und auch die Angehörigenarbeit ist ein Teil der APP. Die Pfleger sind gezielt nicht nur für den erkrankten Menschen, sondern auch für dessen Umfeld Ansprechpartner, fördern das Verständnis und greifen da ein, wo beispielsweise die pflegenden Angehörigen überfordert sind.Sind die Pflegekräfte, die in diesem Gebiet eingesetzt werden, speziell geschult?Manfred Kubla: Die Pflegekräfte verfügen entweder über eine Fachweiterbildung zum Psychiatrie-Krankenpfleger oder -pflegerin oder bringen schon langjährige Erfahrung mit, da sie bereits in entsprechenden Einrichtungen gearbeitet haben und auch dort entsprechend fortgebildet wurden.Wie viele Pflegekräfte sind aktuell in Mannheim in diesem Bereich eingesetzt?Manfred Kubla: Wir haben derzeit noch ein kleines Team mit vier Mitarbeitenden. Wir sind jedoch dabei auszubauen, da die Nachfrage sehr hoch ist. Jutta Lindner: Wir hatten auch Anfragen von der Bergstraße oder aus der Pfalz dabei. Momentan ist die Zulassung allerdings auf Mannheim beschränkt. Weitere Anfahrtsstrecken sind für dieses Programm nicht gedacht. meg