In herrschaftlichem Ambiente, auf dem Klostergut Besselich hoch über dem Rhein am Rande von Koblenz, residiert Thomas Anders mit seinem Büro. Neben den üblichen Insignien eines sehr erfolgreichen Künstlerlebens wie Platin-Auszeichnungen und einer Hoodie-Kollektion mit dem Schriftzug „The Gentleman Of Music“ stehen in den schicken Räumlichkeiten neuerdings auch einige Kisten Wein. Vor Kurzem hat der 59-Jährige, der singt seit er sechs ist, mit Modern Talking zum Superstar wurde und sich über die Jahre immer gut im Geschäft halten konnte, seinen „Anders Grauburgunder“ auf den Markt gebracht. Zudem ist Thomas Anders noch bis Ende des Monats auf Tour. Er gehört zu den Künstlern, die bei „Das große Schlagerfest.XXL – Die Party des Jahres 2022“, das von Florian Silbereisen präsentiert wird, auftreten. Gestern gastierte das Schlagerfest in der Mannheimer SAP Arena. Im Vorfeld trafen wir ihn zu einem Gespräch.

Herr Anders, wollten Sie sich mit dem eigenen Wein einen Lebenstraum erfüllen, bevor Sie 60 werden?

Thomas Anders: Ich liebe guten Wein, und es hat sich wunderbar gefügt, als ich den Winzer Dirk Würtz vom Weingut „St. Antony“ in Nierstein am Rhein kennenlernte. Er lud mich zu seinem Podcast ein und irgendwann in weingeselliger Runde sagte er: „Du, wenn du Lust hast, dann lass uns zusammen einen Thomas-Anders-Wein machen.“ Ich habe die Entwicklung unseres Weins dann ein Jahr lang begleitet und dabei wirklich sehr viel über Wein gelernt.

Was denn so?

Anders: Zum Beispiel, dass ein alter Rebstock metertiefe Wurzeln hat, die mitentscheidend sind für den Geschmack. Wie und wann man die Stöcke und die Blätter beschneidet, damit der Sonneneinfall genau richtig ist. Dass in diesem Weingut alles per Hand gelesen wird, weil Maschinen den Boden verfestigen und das Einsickern des Regenwassers erschweren würden. Wann der perfekte Zeitpunkt zum Ernten ist, welches Fass man zum Lagern nimmt und wie man den ganzen Wein so cuvertiert, dass am Ende der „Anders Grauburgunder“ dabei herauskommt. 

Was ist Ihnen wichtig bei diesem Wein?

Anders: Dass er so schmeckt, wie ich mir meinen Lieblingswein vorstelle. Wenn ich ein Album mache, habe ich auch den Anspruch, dass ich es selber gerne hören würde. Und mein Wein muss ein Wein sein, der mir so richtig gut schmeckt.

Wie mögen Sie Ihren Wein denn am liebsten?

Anders: Ich trinke am liebsten frische, unkomplizierte und junge Weine. Der „Anders Grauburgunder“ bietet für mich ein richtig tolles Geschmackserlebnis. Er hat Charakter und ist zugleich ein Wein, der keinen Trinkwiderstand bietet. 

„Mit dem Anders muss man immer rechnen“: Thomas Anders im MM-Interview über das Schlagerfest, Russland und den 60. Geburtstag-2
Thomas Anders geht heute viel entspannter an sein Künstlerleben heran. BILD: DPA


Keinen was bitte?


Anders: Keinen Trinkwiderstand! (lacht) Man genießt das erste Glas und freut sich schon auf das zweite. Meinen Wein kann ich praktisch immer trinken, beim Kochen, beim Essen, beim Lesen. Ohnehin mag ich Grauburgunder sehr gerne. Ein Chardonnay ist mir meist zu gehaltvoll, und ich bin auch nicht der ganz große Riesling-Liebhaber.

Wann fingen Sie an, sich für Wein zu interessieren?

Anders: Relativ spät, so mit 30. Davor habe ich Wein einfach getrunken, ohne groß auf Nuancen zu achten.

Was kommt nach dem „Anders Grauburgunder“?

Anders: Der nächste Jahrgang des „Anders Grauburgunder“ (lacht). Geplant ist auch ein „Anders Rosé“, der natürlich auch meinem Geschmack entsprechen soll und eine gewisse Leichtigkeit haben muss. Wir gucken jetzt einfach mal, ob wir das „Thomas Anders Weinimperium“ aufbauen (lacht).

Erinnern Sie sich an den ersten Schluck von Ihrem Wein?

Anders: Natürlich. Das war im Weingut und kurz hatte ich diese Anspannung „Was mache ich, wenn er mir nicht richtig schmeckt?“ Der Winzer hat ja nur einmal im Jahr die Chance, seinen Wein zu machen. Auch das Anstoßen mit meiner Familie war ein schöner Moment. Mein Sohn sagte „Kann man machen“; was aus seinem Mund das höchstmögliche Kompliment ist. Und meine Frau nahm sogar ein zweites Glas, was bei ihr sonst sehr selten vorkommt.

Sie hatten schon eine Kochsendung im TV und haben ein Kochbuch veröffentlicht. Setzt der Wein Ihrem kulinarischen Wirken jetzt die Krone auf?

Anders: Ja, das kann man sagen (lacht). Ich bin ein Genussmensch durch und durch. Neben der Musik ist der Genuss an sich meine große Leidenschaft. Viele, gerade auch in Deutschland, haben Angst zu zeigen, dass sie Genießer sind. Aber ich finde es in keiner Weise verwerflich, wenn man es sich gutgehen lässt und den Genuss auch auslebt und zelebriert. Ich jedenfalls bin dankbar für die wundervollen Momente des Lebens, für Freude, Genusskultur und Spaß. 

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Neue musikalische Partner: Thomas Anders und Florian Silbereise (r.). BILD: DPA


Ist das quasi die Botschaft Ihres gesamten Schaffens?


Anders: Das wäre mir ein bisschen zu oberflächlich, aber der tiefere Sinn unseres Menschseins liegt für mich tatsächlich darin, dass wir glücklich sein möchten. Und die Entscheidung für das Glück halten wir in großen Teilen selbst in der Hand. Wenn ich dem Glück im Wege stehe, es nicht sehe, wie soll es dann zu mir kommen? Ein Glas Wein, leckeres Essen, tolle Gespräche, das alles kann Glücksgefühle auslösen. Oder kurz gesagt: „Gebt dem Glück eine Chance“.

Sie hatten mit sechs Jahren ihre ersten Auftritte als „Bernie von der Mosel“, haben als Teenager schon beruflich gesungen, später mal ein bisschen studiert, dann kamen Modern Talking und eine erfolgreiche Solokarriere. War Ihnen das Glück im Leben immer treu?

Anders: Es wäre Blödsinn zu behaupten, dass ich nur glückliche Zeiten hatte. Das Leben ist eine Achterbahnfahrt. Ich versuche allerdings, auch in nicht so schönen Phasen meine positive Lebenseinstellung nicht zu verlieren. Aus dieser Zuversicht schöpfe ich Kraft. Und alles in allem bin ich wohl wirklich ein Glücksmensch. Ich habe ein erfülltes und positives, ja ein wirklich tolles Leben.

Noch dazu sind sie seit fast 25 Jahren mit Ihrer Frau Claudia zusammen. Wie harmonisch ist Ihre Beziehung?

Anders: Wir lieben uns und sind ein eingespieltes Team. Und den Spruch „Happy wife, happy life“ kennen wir ja alle (lacht). Meine Frau hat oft starke Argumente, aber wenn mir eine Sache wirklich wichtig ist, dann kämpfe ich auch dafür. Aber wir sind ja nun mal keine Amöben, die einander auffressen wollen. Man liebt ja auch den anderen Menschen, weil er eben nicht so ist wie man selbst. Wir beide lieben es, Erlebtes weiterzugeben und uns dem anderen mitzuteilen. Wir reden wirklich extrem gerne miteinander.

In welchen Fragen knirscht es denn schon mal?

Anders: Konfliktsituationen entstehen bei uns oft von außen. Während des Lockdowns, als man mit nur noch wenigen Menschen zu tun hatte, gab es überhaupt keine Punkte, wo wir angeeckt sind. Aber wenn man gestresst ist, und dann kommt der Partner im falschen Moment mit der falschen Frage, dann kann es auch mal rasseln. Mit Humor lassen sich Konflikte meist jedoch schnell lösen.

Wechseln Sie sich beim Kochen ab?

Anders: Nein, für das Essen bin ich zuständig. Meine Frau kocht nicht so gerne. Gestern Abend zum Beispiel gab es Hähnchenbrust mit Salat und Erdnussdressing, so leicht asiatisch. 

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Früheres Erfolgsduo: Thomas Anders und Dieter Bohlen (r.) als Modern Talking. BILD: DPA


Ihr Sohn Alexander Mick ist 19. Wohnt der Junge noch zu Hause?


Anders: Ja. Er macht gerade sein Abitur, dann hat er die Schule hinter sich.

Und dann? Will er auch Sänger werden?

Anders: Nein, zum Glück nicht. Er will Immobilienwirtschaft studieren. Es zieht ihn beruflich überhaupt nicht in meine Richtung, darüber bin ich auch froh. In meine Fußstapfen zu treten, wäre einfach ein sehr anstrengendes Erbe. Wie will man diesem Vergleich, den Medien und Öffentlichkeit natürlich anstellen würden, überhaupt standhalten?

Schwierig. Sie sind ja auch eine echte Legende.

Anders (lacht): Naja, das Wort höre ich ja nicht so gerne. Legenden haben für mich etwas Unantastbares und Unerreichbares. So empfinde ich mich überhaupt nicht. Aber ich stehe seit 53 Jahren auf der Bühne, habe mich manches Mal als Künstler neu erfunden und habe nach wie vor großen Spaß an der Musik und an meinem Leben.

Worauf kommt es an in so einer langen Karriere?

Anders: Glücklich zu sein. Übrigens vollkommen egal, in welchem Beruf. Es gibt doch nichts Schlimmeres als irgendwann die Augen zuzumachen und sich zu fragen „War ich in meinem Leben wirklich glücklich?“.

Hatten Sie je Momente, als Sie dachten „Macht euer Zeug doch alleine?“

Anders: Immer, wenn ein Album gefloppt ist, habe ich mich gefragt, warum ich mir diesen Mist überhaupt antue (lacht). Doch je älter ich werde, desto entspannter werde ich auch. Die härteste Zeit war nach dem ersten Mal Modern Talking, Anfang der Neunziger Jahre. Ich lebte in Los Angeles und machte englischsprachigen Pop, der topproduziert war, aber der einfach nicht ankam. Das war frustrierend, aber das war halt nicht meine Zeit. Also nahm ich mir eine Auszeit und kam mit der zweiten Runde von Modern Talking zurück.

Eine dritte Runde Modern Talking muss es aber nicht geben, oder?

Anders: Nein. Die Geschichte von Modern Talking ist auserzählt, da gibt es keine Diskussion. Dann doch lieber noch ein Gläschen Wein (schenkt nach).

Dafür hatten Sie mit Ihrem neuen musikalischen Partner Florian Silbereisen vor Kurzem wieder ein Nummer-Eins-Album.

Anders: Genau, und das heißt: Mit dem Anders muss man immer rechnen, und wer ihn abschreibt, der ist selber schuld (lacht). Ich arbeite extrem viel, aber es ist immer auch ein Quäntchen Glück dabei. Dass es mit Florian so gut funktionierte, konnte man nicht vorhersehen. Die Menschen haben es einfach so gewollt.

Wie nah stehen Sie sich?

Anders: Wir schätzen uns sehr und lernen uns immer besser kennen. Jeder von uns hat allerdings sehr viel zu tun, daher können wir nicht einmal die Woche zusammen essen gehen.

Silbereisen ist ja Dieter Bohlens Nachfolger bei „DSDS“, und auch Sie saßen neulich gastweise in einer der Shows. Bahnt sich da mehr an?

Anders: Florian und seine Jury-Kollegen haben einen anderen Ton in dieses Format gebracht, eine andere Sprache. Mich reizt die Arbeit mit Talenten, und mir liegt die Sendung jetzt tausendmal näher als früher, als es eher ein Musik-Comedy-Format war. Ich bin mal selbst gespannt, wie es weitergeht.

Jetzt sind Sie mit Florian Silbereisen erstmal im Rahmen des „Schlagerfest.XXL“ auf großer Tournee. Wussten Sie nach der ewig langen Coronapause noch, wie das geht?

Anders: Das will ich doch hoffen! Man kann mich nachts um 2 Uhr wecken, und ich könnte sofort auftreten. Gar kein Problem. Und ich freue mich unheimlich darauf, mit dieser großen Familie 26 Shows zu spielen und über einen Monat lang unterwegs zu sein. Das ist eine richtig schöne Klassenfahrt.

Wird es Ihren Wein im Catering geben?

Anders: Oh, eine sehr gute Idee. Ich kümmere mich darum. Auf alle Fälle werde ich ein paar Fläschchen im Gepäck haben (lacht).

Wein und Musik sorgen in harten Zeiten für etwas Zerstreuung. Sie sind Ehrenprofessor an der Uni in Kiew, haben viele Fans und auch Freunde sowohl in der Ukraine als auch in Russland. Sie kennen beide Länder dank vieler Konzertreisen recht gut. Wie soll das alles weitergehen?

Anders: Dieser Krieg wird die Welt sehr verändern. Ich glaube, wir haben sehr lange im Elfenbeinturm gelebt, haben den Frieden für selbstverständlich genommen. Das wird in Zukunft nicht mehr so sein. Ich leide mit den Menschen in der Ukraine, doch und zugleich fürchte ich, dass sich ein Putin nicht wird vertreiben lassen. Ich glaube, zu Friedensverhandlungen kann es erst kommen, wenn ein Landzugang zur Krim geschaffen wurde.

Und danach?

Anders: Ich bin weder Politologe noch Kriegsexperte. Für mich sieht es momentan so aus, dass der Osten und Süden der Ukraine abgespalten werden, und der Rest des Landes wird neutral. Unsere politische Strategie von „Wandel durch Handel“ ist jedenfalls voll vor die Wand gefahren. Wir hätten seit Jahren wahrscheinlich viel mehr militärische Stärke gegenüber Putin zeigen müssen.

Werden Sie noch einmal in Russland auftreten?

Anders: So, wie es momentan aussieht, sicher nicht in den nächsten Jahren.

Es ist noch ein bisschen hin, aber am 1. März 2023 werden Sie 60. Ein Grund zur Freude?

Anders: Ja, zu was denn sonst? (lacht) Wenn ich 60 werde, bin ich noch am Leben, und allein schon dieser Umstand verdient Dankbarkeit und ein Fest. Älter werde ich sowieso, ob ich jetzt feiere oder mich verstecke, und das Alter ist ja auch relativ.

Was tun Sie, um den Körper halbwegs in Schuss zu halten?

Anders: Regelmäßige Entschlackungskuren zusammen mit meiner Frau. Auch danach lebt man bewusster, isst weniger Zucker, trinkt, nun ja, weniger Alkohol. Ich habe zum Beispiel auch seit sechs Wochen kein rotes Fleisch mehr gegessen.

Wie sieht es mit Sport aus?

Anders: Fand ich noch nie besonders sexy. Für Sport bin ich vielleicht zu sehr Genussmensch. Dennoch habe ich eine Personal Trainerin und muss mich überwinden, hin und wieder aufs Laufband zu gehen.

Wie lange wollen Sie noch auf der Bühne stehen?

Anders: Mit 70 sicherlich, mit 80 hoffentlich (lacht). Aber man muss wirklich nicht für alles schon einen Plan haben. Steffen Rüth