Trotz Corona: Fast 300 Frauen haben im vergangenen Jahr Mut bewiesen und in Mannheim ihr eigenes Unternehmen gegründet. Unterstützt wurden sie dabei von GIG7, dem Mannheimer Gründerinnenzentrum, das im nächsten Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert. Wir sprachen mit Lena Rübelmann, die unter dem Dach von Next Mannheim den Bereich Female Entrepreneurship koordiniert.Warum gibt es GIG7 in Mannheim?Lena Rübelmann: Nach wie vor gibt es viel weniger Gründungen weiblicher Startups. Das liegt zum einen daran, dass es weniger Vorbilder gibt, aber auch daran, dass Frauen ganz andere Gründungsvoraussetzungen haben und ihnen viele strukturelle Hürden, auch beim Thema Gründung, begegnen. Und genau da setzen wir an, denn eine der Aufgaben des GIG7 besteht darin, Gründerinnen mit all ihren Facetten in den Vordergrund zu rücken und das Thema Female Entrepreneurship voranzutreiben. Wir wollen mehr Gründerinnen, also tun wir was dafür, in dem wir die Komplexität des Themas offenlegen und die Gründungsvoraussetzungen für Frauen in unserem Ökosystem verbessern.Sie begleiten Frauen bei der Existenzgründung, wie kann ich mir das vorstellen?Rübelmann: Was machen wir im GIG7? Wir bieten individuelle Beratungen von Unternehmerin zu Unternehmerin, vor, während und nach der Gründung an. Wir stellen aber auch ein großes Netzwerk für Gründerinnen zur Verfügung, bestehend aus Veranstaltungen, Workshops, Räumlichkeiten, Kontakten und Informationen. Des weiteren klären wir durch verschiedenste Projekte über Gründerinnen auf und positionieren die Themen Frauen und Gründung überall, wo es Sinn ergibt. Wir begleiten Frauen, unter anderem bei der Existenzgründung. Uns liegt es am Herzen, unsere Gründerinnen bestmöglich zu unterstützen und zu begleiten. Das bedeutet, dass Frauen, wenn sie eine Unternehmens-/Produktidee haben oder mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen, sich bei uns melden können. In persönlichen Gesprächen können die zukünftigen Gründerinnen ihre Fragen stellen und gemeinsam wird dann mit unseren Beraterinnen die Gründung vorbereitet und begleitet. In den Beratungsgesprächen geht es beispielsweise um Themen wie Fördermöglichkeiten, Finanzierung, Businessplan-Erstellung und die inhaltliche Ausgestaltung der Gründung. Die Beratungsinhalte werden individuell an die Gründerin angepasst. Unsere Beraterinnen sind selbst auch Unternehmerinnen und greifen auf einen großen Schatz an Branchenwissen und Erfahrungen zurück. Wir greifen dabei selber auf Fördermittel zurück, so dass wir die Beratung meist kostenlos anbieten können.Wie viele Frauen betreuen Sie im Jahr?Rübelmann: Pro Jahr haben wir im GIG7 in den vergangenen Jahren im Schnitt 200 bis 300 Gründerinnen meist aus der Region beraten, und das ist auch unsere aktuelle Kapazität, trotz Corona.Gibt es eine Branche die typisch für Start ups durch Frauen sind?Rübelmann: Typische Branchen, in denen Frauen gründen, sind die Dienstleistungsbranche, im Gesundheitswesen und in den freien Berufen. Der Einzelhandel ist auch eine gängige Branche und zunehmend auch das E-Commerce-Geschäft.Was unterscheidet sich beim Weg in die Selbstständigkeit Frauen und Männer? Sind die Voraussetzungen andere, Stichwort Kinderbetreuung? Rübelmann: Dass Frauen andere Gründungsvoraussetzungen als Männer haben und dass es viele strukturelle Hürden gibt, ist bekannt. Eine große Rolle spielt das sehr konservative Rollenverständnis, das wir immer noch in Deutschland haben. Noch ist das traditionelle Familienbild, das sich nicht wirklich durch Gleichberechtigung auszeichnet, überall präsent. Bezogen auf die Lebensplanungen unterscheiden sich dadurch Männer und Frauen. Männer sind weniger eingeschränkt in ihrer Wahl. Frauen überlegen sich beispielsweise oft ganz genau, ob sie im Alter zwischen 25 und 35 ihr eigenes Unternehmen aufziehen. Das mangelnde Kinderbetreuungsangebot unterstützt nicht gerade bei der Gründung. Denn solange viele Frauen noch das Gefühl haben, zwischen Kind oder Karriere wählen zu müssen, beeinflusst das ihre Entscheidung. Außerdem ist es ein Branchenthema. Viele Branchen, in denen Frauen sich selbstständig machen wollen, gelten als weniger lukrativ, weniger hip. Auch die Art und Weise, auf die viele Frauen gründen, spielt mit Sicherheit eine Rolle. Sehr häufig steht bei ihnen die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Ihre Motivation ist es, etwas in der Gesellschaft zu verändern, einen sozialen Mehrwert zu schaffen. Sie wollen nach ihren Werten agieren und die Businesspraxen aus der Alltagsarbeitswelt so nicht übernehmen. Sie sind seltener auf Wachstum und Rendite aus, daher fallen sie aus dem klassischen growth-getriebenen Startup-Muster raus. Wenn es dann um die Finanzierung der Gründung geht, finden wir bei Gründerinnen ganz andere Voraussetzungen vor. Zum einen haben Frauen oft viel weniger Zugang zu Kapital. Zum anderen, wenn es beim Pitchen um Geld geht, sind die Menschen, die dich beurteilen, häufig männlich. Gleiches gilt für Finanzgespräche, Jurys oder potenzielle Auftraggeber. Das Gegenüber ist meist ein ,weißer Mann’ zwischen 35 und 60. In einer idealen Welt wäre das kein Problem. In der Realität ist es aber so, dass – ich drücke es mal so aus – Hans investiert lieber in Hans, denn Hans kann sich einfach besser mit Hans identifizieren. Somit finden Gründerinnen bei der Gründungsfinanzierung andere Voraussetzungen vor.Wie lassen sich die Voraussetzungen für mehr weibliche Gründungen verändern?Rübelmann: Da wären wir wieder am Anfang unseres Gesprächs – eine unserer Aufgaben, Gründerinnen mit all ihren Facetten in den Vordergrund zu rücken. Durch unsere Arbeit im GIG7 schaffen wir gezielt diese Begegnungen (Unternehmerin zu Unternehmerin) und arbeiten daran, Gründerinnen sichtbarer zu machen, Vorbilder zu schaffen, sie zu ermutigen. Wir bieten ihnen ein Netzwerk und gezielte Unterstützung, in dem wir sie in ihren Fragestellungen unterstützen, ihre Bedürfnisse kennen und darauf eingehen. Zudem schaffen wir Veränderung, in dem wir über Gründerinnen sprechen, die Menschen weiterhin sensibilisieren, Stichwort Rollenverständnis und darüber aufklären, dass es unterschiedliche Voraussetzungen für Männer und Frauen gibt, um letztlich dazu beizutragen strukturelle Hürden zu überwinden.Welche Projekte gibt es aktuell?Rübelmann: Brandaktuell ist das neue, von der EU geförderte REACT-EU Programm. Dieses Programm fördert insbesondere Gründerinnen, die von der Pandemie betroffen sind. Konkret also Frauen, die zum Beispiel wegen Corona nicht gründen konnten, Re-Starterinnen oder Frauen, die wegen Corona entlassen worden sind und sich für die Gründung als bestmögliche Alternative entscheiden. Die Initiative WOMEN TECH FOUNDERS ist ein weiteres Projekt, was uns sehr am Herzen liegt. Das Projekt verfolgt das Ziel, mehr Frauen für die Technologie- und Startup-Branche zu begeistern und bestehenden Tech-Gründerinnen eine Vernetzung zu bieten.Wie hat sich Corona auf die weibliche Gründer-Szene generell ausgewirkt?Rübelmann: Tatsächlich gab es nicht weniger Gründungen. Wir spüren, dass sich die Frauen sehr schnell auf die neuen Krisenbedingungen eingestellt und trotz der veränderten Bedingungen ihre Gründungspläne häufig realisiert haben. Wir haben auch wahrgenommen, dass die bestehenden Gründerinnen sehr häufig im vergangenen Jahr ihre Geschäftsmodelle angepasst haben. Was wir auch in der Beratung vermehrt mitbekommen, ist, dass sich mehr Frauen melden, die sich wegen Kündigungen oder mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Kindern, selbstständig machen wollen. SWENJA KNÜTTEL