Es sei „eine neue Anwendung, die von großer Bedeutung zu werden verspricht“, sagt Werner Siemens (das „von“ verleiht ihm der Kaiser erst 1888) am 26. Oktober 1880, als er bei einem Vortrag im „Elektrotechnischen Verein“ die „Einfachheit und Leichtigkeit der Einrichtung und Aufstellung“ vorstellt. Sein Vortrag ist ganz genau dokumentiert – nicht jedoch irgendwelche Reaktionen des Publikums. Man liest nur, wie staunend, aber positiv die Menschen es hinnehmen, plötzlich elektrisch ganz geräuschlos in die Höhe gehievt zu werden und hier die Aussicht genießen zu können.Nun sind Aufzüge auch damals nicht völlig neu. Schließlich wachsen die Gebäude immer mehr in den Himmel. Aber als Antrieb der hydraulischen Aufzüge verwendet man nur Wasserdruck. Druckzylinder müssen dazu sehr tief in die Erde versenkt werden – so tief, wie man in die Höhe will, also etwa für ein sechsstöckiges Haus 20 Meter. „Jede einzelne Hebung erfordert die Füllung des Druckrohres mit unter hohem Druck stehenden Leitungswasser“, schildert Siemens in seinem Vortrag, warum Aufzüge vorher kostspielig und aufwendig sind.Dann aber ist in Mannheim 1880 Pfalzgau-Ausstellung, offiziell die „Gewerbliche und Landwirtschaftliche Ausstellung des Pfalzgaues“. Großherzog Friedrich I. von Baden sowie sein hessischer Amtskollege Ludwig IV. eröffnen sie gemeinsam am 11. Juli im damaligen Botanischen Garten zwischen Schloss und Parkring, erst danach umgestaltet und Friedrichspark genannt. Für Maschinen sind eigens zwei Hallen errichtet, jenseits des Parkrings zwischen Europäischem Hof und Hauptzollamt beim Hafen. Es gibt Haushaltsgegenstände, Uhren und Maschinen zu sehen, landwirtschaftliche Geräte, gar eine Lokomotive und zwei Kut schen. Aber ausgerechnet nicht eine Firma aus Baden, sondern aus dem fernen Berlin, die „Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske“, präsentiert zwei faszinierende Neuheiten: Zehn elektrische Lampen sorgen, so die „Karlsruher Zeitung“, für „strahlenden Glanz“ und „taghelles Licht“ – dabei war elektrisches Licht erst zwei Jahre vorher bei der Weltausstellung in Paris überhaupt vorgestellt worden. Und dann, neben dem Zollgebäude, eine technische Sensation: ein senkrecht fahrender Aufzug.Es ist „der erste und erfolgreiche Versuch, ein Hebezeug elektrisch zu betreiben“, wie es 1930 in von den „Mannheimer Geschichtsblättern“ zitierten Zeitzeugenberichten heißt, postiert gleich neben einer „stets gut besuchten Bierhalle“. Basis ist das dynamoelektrische Prinzip, von Siemens 1866 entdeckt, mit dem Elektrizität als Energiequelle genutzt wird. Ein leise arbeitender Elektromotor treibt mit Zahnrädern die Plattform selbstständig himmelwärts. Je sechs Menschen dürfen sich so mit dem, wie er genannt wird, „Senkrechtfahrer“, emporhieven lassen, sie haben „einen herrlichen Rundblick über das gesamte Ausstellungsterrain, die Hafenanlagen, den Rhein und Ludwigshafen“. In den ersten eineinhalb Tagen nutzen bereits 400 Personen dieses Angebot, mehr als 8000 sind es bis zum Ende der Ausstellung, „ohne jede Störung“, wie Siemens in seinem Vortrag stolz vermerkt. Architekten aus der ganzen Welt kommen in diesen Tagen nach Mannheim, es ist der Durchbruch für diese Technik und macht Architekten den Weg frei, in die Höhe zu bauen und Grundstücke besser auszunutzen. Hochhäuser, gar Wolkenkratzer hätte es sonst nie gegeben.Bis Siemens dann aber in Mannheim fest Fuß fasst, vergehen noch einige Jahre. Ab 1885 betreut ein Mitarbeiter der Firma L. Kabisch von Karlsruhe aus das Gebiet um die Quadratestadt. Die rasante Expansion der 1865 gegründeten BASF sowie die zunehmende Bedeutung des Wirtschaftsraums führen aber bald zu der Entscheidung, 1891 eine „Bezirksvertretung“ von Siemens & Halske unter der Leitung von L. Frankl zu etablieren. Frankl garantiert per Inserat „den Herren Bestellern die sicherste Gewähr für beste, rascheste und billigste Bedienung“. Die ersten Aufträge: die Elektrifizierung des Mannheimer Hafens und 1901 der Straßenbahn, vorher eine Dampf- oder Pferdebahn. Schon 1899 vermerkt die Chronik eine Pioniertat. Dank Siemens ersetzen am Nationaltheater elektrische Lampen die – wegen Brandgefahr verpönte – Gasbeleuchtung. Mehr als 1300 farbige Glühbirnen installieren Siemens-Leute, jede kann einzeln auf Rot, Weiß oder Grün gesteuert werden – damals revolutionär. Weil das Mannheimer Elektrizitätswerk aber noch nicht fertig ist, liefert Siemens dem Theater provisorisch eine eigene Anlage mit 6,3 Kilowatt.Ein wichtiger Meilenstein ist der ISDN-Pilotversuch in Mannheim 1987. Man könne „gleichzeitig telefonieren und über dieselbe Leitung ein Bild oder eine Zeichnung übermitteln“, wird das „Dienstintegrierte digitale Fernmeldenetz“ seinerzeit in dieser Zeitung bejubelt. Von einem „neuen Fernmelde-Zeitalter“ ist die Rede, das in Mannheim seinen Ausgang nimmt. Inzwischen ist es vor allem die Medizintechnik, bei der Siemens Mannheim für Innovationen steht.Aber auch in Sachen in Sachen Aufzüge ist Mannheim nach wie vor Pionier. Die Firma Lochbühler, 1873 als Huf- und Wagenschmiede gegründet und über die Montage von Aufzügen in Tabakscheunen seit den 1960er Jahren zum auf Aufzugsbau spezialisierten Unternehmen geworden, betreibt seit knapp 20 Jahren im ehemaligen Seckenheimer Wasserturm das einzige Aufzugsmuseum Europas. PETER W. RAGGE