Es war ein spektakuläres, aber letztlich doch gescheitertes Verkehrsmittel: Der Aerobus hat zur Bundesgartenschau 1975 in Mannheim viel Aufsehen erregt. Weil die Gartenschau im Herzogenriedpark und im Luisenpark stattfand, suchte man früh nach einem Verkehrsmittel für die knapp drei Kilometer lange Strecke zwischen beiden Flächen. Denn dazwischen ist der Neckar, den zwei Bücken überspannen, auf der es schon damals oft Staus gab. Nach den Plänen des Schweizer Seilbahnbauers Gerhard Müller, der über 900 Seilbahnen und Schlepplifte konstruierte, errichtete ein Dortmunder Unternehmen eine Seilschwebebahn mit elektrischem Antrieb, deren Kabinen 100 Personen fassten. Mannheim war Premierenort für dieses Verkehrsmittel. Müllerhatte schon 1965, zehn Jahre vorher, die Idee dazu, als er in Vancouver in Kanada die Hängekonstruktin der Lyons-Gate-Bridge sah. Er meldete seinen Aerobus, der sich von den regulären Seilbahnen unterscheidet, als Patent an. Er nannte es „Overground-Traffic-System“ – ein waagerechtes System, im Unterschied zur in die Höhe fahrenden Seilbahn.Der Start-Bahnhof befand sich am Fernmeldeturm. Von dort ging es weiter, auf bis zu 30 Meter hohen stählernen Stelzen, den Neckardamm entlang. Stützen, Masten und Seile erinnerten, schaut man sie von der Seite an, an jene Hängebrücke in Kanada. Östlich der Kurpfalzbrücke glitt der Aerobus, an einem langen Stahlseil hängend, über den Neckar, fuhr weiter dicht an den Baumkronen der Max-Joseph-Straße vorbei bis zum Herzogenriedpark – und zurück.

Schon ein Jahr vor der Bundesgartenschau wurde die erste Kabine – rot und weiß lackiert, 20 Meter lang und 7,5 Tonnen schwer – mit einem Fest auf dem Alten Meßplatz begrüßt. Aber dennoch kam es zu Pannen, blieben die „fliegenden Busse“ in der Luft hängen. Bei einer Probefahrt musste Oberbürgermeister Ludwig Ratzel in der Max-Joseph-Straße über eine Leiter aus der Kabine geholt werden. Sogar am Eröffnungstag der Gartenschau und nur wenige Stunden nach der Fahrt von Bundespräsident Walter Scheel wurde die Feuerwehr alarmiert, um Fahrgäste aus mehr als 20 Metern Höhe zu befreien, weil ein Stromabnehmer versagt hatte. Aber das waren nur Startschwierigkeiten. Letztlich beförderte der Aerobus reibungslos 2,2 Millionen Fahrgäste, am Spitzentag in zehn Stunden 27 000 Menschen, und legte 170 000 Kilometer zurück. Zehn Millionen Mark (heute etwa fünf Millionen Euro) kostete das Experiment, als „Nahverkehrsmittel der Zukunft“, wie es damals vielversprechend hieß. Sogar die Urban Mass Transportation Administration, eine Behörde des US-Verkehrsministeriums, entsandte damals ein unabhängiges Ingenieurbüro nach Mannheim, um den Aerobus zu bestaunen – und urteilte positiv.

Nach der Bundesgartenschau lief die befristete Betriebsgenehmigung aus. Obwohl er sich während der 185 grünen Mannheim-Tage als leises, nicht im Stau stehendes und umweltfreundliches sowie wenig Platz benötigendes Verkehrsmittel bestens bewährte, ist der Aerobus danach leider eingemottet und irgendwann verschrottet worden. Vielleicht war die Zeit einfach noch nicht reif dafür. Als schwierig erwies sich nur das Seil-Tragewerk, weil es zu vielgliedrig war. Nach den ersten Pannen wurden alle 1800 Aufhänge-Vorrichtungen jeden Morgen geprüft. Dennoch hat man nach 1975 zunächst weiter experimentiert, eine Aluminiumschiene statt Seile verwendet. Der 600 Meter lange Abschnitt Herzogenriedpark – Kurpfalzbrücke blieb noch lange als Versuchsstrecke der „Mannheimer Hochbahn“ – wie sich die Fortentwicklung mit Schienen statt Tragseilen nannte – stehen, die 300 Delegationen aus aller Welt bestaunten. Dann kam die Idee auf, die Strecke Richtung Gartenstadt und Käfertaler Wald/Karlstern fortzuführen. Auch China äußerte Interesse an zwei Projekten, ebenso Milwaukee in den USA, die ihr gesamtes Stadtbahnsystem nach dem System bauen wollten. Aber es gab mal finanzielle, mal technische Probleme, dazu ein Streit um Namen und Patente. Noch immer propagiert eine US-Firma, die jetzt die Rechte hat, die Idee, umgesetzt wurde sie bisher aber nirgendwo mehr. 1987 hat die letzten Reste der Mannheimer Strecke daher demontiert. Nur ein rostendes Segment blieb übrig – im Depot des Technoseums in Wallstadt.

Nun soll zur Bundesgartenschau 2023 eine ganz normale Seilbahn zwischen dem Luisenpark und dem Spinelli-Gelände pendeln – was sicher wieder Erinnerungen an den Aerobus wachruft. Die österreichische Firma Doppelmayr hat den Zuschlag erhalten, sie zu bauen und während der sommerlangen Veranstaltung vom 14. April bis zum 8. Oktober 2023 zu betreiben. 2,1 Kilometer lang ist diese Trasse – Luftlinie. Sie führt nach der derzeitigen Planung mit 65 Kabinen von der einen Station auf der Freizeitwiese des Luisenparks über Neckar, das Sport- und Gewerbegebiet Pfeifferswörth und die Feudenheimer Au zum Spinelli-Areal. Die Fahrzeit soll etwa acht Minuten betragen. PETER W. RAGGE