Mo, Steve Yzerman hat sich nach der Saison in die Arbeit gestürzt, die Transferaktivitäten der Red Wings werden von vielen Seiten gelobt. Welchen Eindruck haben Sie?

Moritz Seider: Die Kaderveränderungen sind total vielversprechend. Es ist super-genial zu sehen, was für Spieler nach Detroit gekommen sind. Ich bin sehr gespannt und freue mich darauf, die neuen Jungs kennenzulernen und mit ihnen auf dem Eis zu stehen. Wir wollen in der nächsten Saison definitiv mehr Spiele gewinnen als in der vergangenen. Für uns geht es jetzt darum, den nächsten Schritt nach vorn zu machen.

Gibt es einen Neuen, auf den Sie sich am meisten freuen?

Seider: Alle haben die Berechtigung, bei uns zu spielen. Jeder wird seinen Beitrag leisten, da bin ich mir sicher. Den Schuss von Dominik Kubalik will man aber nur sehr ungern blocken, David Perron hat in seiner Karriere bereits mehrfach bewiesen, dass er viele Punkte sammeln kann. Andrew Copp ist in Überzahl sehr aktiv, kann aber auch bei Fünf gegen Fünf mit jeder Reihe in der Liga mitspielen. Wir können uns darauf freuen, dass in dieser Saison etwas Großes möglich ist.

Was ist der nächste Schritt für die Red Wings? Das Erreichen der Play-offs?

Seider: Man muss sehen, wie die Saison verläuft. In 82 Hauptrundenspielen kann sehr viel passieren. Daher will ich gar nicht zu sehr nach vorn schauen. Für uns in der Kabine sind die Play-offs aber natürlich ein großes Ziel. Wir wollen Detroiter Eishockey anschaulich machen, unsere Fans begeistern. Mit dieser Truppe ist auf jeden Fall einiges möglich.

Sie haben in der vergangenen Saison oft die Teamchemie bei den Red Wings gelobt. Was muss getan werden, damit diese auch mit den neuen Spielern wieder ein Faktor werden kann?

Seider: Wichtig ist schon die Phase vor dem Camp und dann natürlich auch das Camp selbst. Wir müssen schnell die richtige Chemie aufbauen. Es muss „klick“ machen, damit man mit dem anderen auf einer Wellenlänge ist. Wenn man die Spielzüge von seinem Mitspieler versteht und weiß, wo der andere hinläuft, macht es viel mehr Spaß. Was gibt es Schöneres, als wenn das Rad erstmal ins Rollen kommt?

Wie verlief der erste Kontakt mit Ihrem neuen Trainer Derek Lalonde?

Seider: Wir haben bereits kurz nach der Bekanntgabe, dass Derek Lalonde das Traineramt übernehmen wird, das erste Mal telefoniert. Und später dann auch nochmals. Es geht darum, sich vertraut zu machen, ein Gefühl für den anderen zu bekommen und die Trainerphilosophie zu verstehen. Ich habe eigentlich gar keine anderen Meinungen über Derek Lalonde eingeholt, sondern bevorzuge es, mir selbst ein Bild von einem Menschen zu machen. Der erste Eindruck war super, darauf lässt sich aufbauen. Im tagtäglichen Austausch mit der Person wird sich dieser verfestigen. 

„Es ist etwas Großes möglich“, so Mannheimer Verteidiger Moritz Seider im MM-Interview-2
Heimatbesuch: Moritz Seider greift mit den Adlern zum Golfschläger. BILD: BINDERCaption


Wie ist Ihr Sommer nach der Wahl zum „Rookie der Saison“ verlaufen?


Seider: Der Sommer verlief super, ich fühle mich auf einem sehr, sehr hohen Fitnesslevel. Anfang August war ich mit den Adlern in Mannheim zum ersten Mal wieder auf dem Eis, das hat sich sehr gut angefühlt. Danach haben die Füße ein bisschen geglüht, aber das ist natürlich auch klar. Ich glaube, ich habe alles richtig gemacht. Es war gut, diese Saison etwas länger mit dem Eistraining zu warten, weil jetzt die Vorfreude wieder da ist. Als ich aufs Eis zurückgekehrt bin, hat es gekribbelt, so soll es sein.

Wie haben Sie die Zeit neben dem Fitnessaufbau bei Adrian König im Angelbachtal sonst verbracht?

Seider: Ich probiere gerne auch mal andere Sachen aus, bin ein bisschen beim Golfen dabei. Ich spiele auch gerne Tennis, insofern hat es sich angeboten, einige Spiele von Grün-Weiss Mannheim in der Bundesliga zu verfolgen. Es macht mir sehr viel Spaß, auch mal anders ins Schwitzen zu kommen. Nicht immer nur aufs Fahrrad zu gehen und zu rennen.

Im Profisport spielt die Ernährung eine immer größere Rolle, ist vor diesem Hintergrund die eine oder andere Grillparty überhaupt drin?

Seider: Das schon, absolut. Man achtet aber natürlich im Sommer mehr darauf, was ich in meinen Körper reinstopfe als während der Saison.

Sie kehren als „Rookie der Saison“ nach Detroit zurück. Welchen Druck machen Sie sich in Ihrem zweiten NHL-Jahr?

Seider: Ach, gar keinen. Ich will einfach besser spielen als im letzten Jahr. Das ist so einfach, wie es klingt. Ich möchte den nächsten Schritt machen, Spaß haben auf dem Eis und mehr Spiele gewinnen. Das wäre schon eine gelungene Saison.

Der Gewinn der Calder Trophy hat Ihnen viele Glückwünsche eingebracht, was war die überraschendste Gratulation?

Seider: Für mich persönlich waren zwei Sachen besonders cool: Dass das komplette Management der Red Wings zur Verleihung nach Tampa geflogen ist, hat mir sehr viel bedeutet. Das ist nicht selbstverständlich, das war eine Riesen-Nummer! Alle haben sich gefreut für mich, das hat sich in meinem Kopf festgesetzt. Das andere, das bei mir hängengeblieben ist, waren die netten persönlichen Worte von Roman Josi. Mit ihm ein bisschen Small Talk machen zu können, war für mich besonders.

Haben Sie zu Roman Josi vor einigen Jahren aufgeschaut?

Seider: Ich schaue immer noch zu ihm auf! Roman ist ein unglaublicher Eishockeyspieler, der bei den Nashville Predators Spuren hinterlassen hat. Es macht großen Spaß, ihm zuzuschauen.

Eine harte NHL-Saison ist auch mental anstrengend. Was machen Sie, um damit klarzukommen?

Seider: Nichts Besonderes. Ich versuche, die freie Zeit zu nutzen, um mit der Familie und mit Freunden zu telefonieren. Das ist eine schöne Ablenkung. Ich freue mich darauf, in neue Städte zu kommen. Das hat mir immer viel Kraft gegeben. Wenn man das erste Mal in Boston war, das erste Mal in Florida, Vancouver oder Toronto! Ein anderer wichtiger Faktor ist, immer im Moment zu bleiben. Es hat mir unheimlich geholfen, nicht zu weit im Kalender vorauszuschauen. Ich habe Woche für Woche genommen und versucht, mich Schritt für Schritt zu steigern.

Auch ein guter Schlaf ist wichtig, um sich zu erholen. Haben Sie bestimmte Einschlafrituale?

Seider: Ich lege mich ins Bettchen und bin keine zehn Minuten später am Träumen. Da muss ich mir zum Glück noch nichts einfallen lassen.

Es verfestigt sich der Eindruck, dass Sie mit den Red Wings in eine Organisation gekommen sind, in die Sie gut reinpassen und die einen klaren Plan verfolgt. Teilen Sie diese Einschätzung?

Seider: Ich fühle mich unheimlich wohl und bin unheimlich dankbar für die Chance, die ich bekommen habe. Ich werde alles dafür geben, um dem Vertrauensvorschuss gerecht zu werden. Ich bin so glücklich, in diesem Club mit einer so großen Geschichte gelandet zu sein. Hier sind so viele Legenden ein- und ausgegangen! Sportlich passt es super, die Red Wings sind in einem Umbruch, es rücken so viele talentierte Spieler nach. Diesen Weg mitzugehen, ist richtig, richtig cool.

Welches ist Ihr Lieblingsplatz in Detroit?

Seider: Das ist ein Café in Birmingham, wo wir Jungs wohnen. Da gehen wir an einem freien Tag gerne hin, treffen uns zum Frühstück. Da fühle ich mich sehr wohl.

Obwohl Sie erst 21 Jahre alt sind, blicken viele junge Eishockeyspieler zu Ihnen auf. Wie gehen Sie mit Ihrer Vorbildfunktion um?

Seider: Ich will dieser schon ein bisschen gerecht werden. Ich weiß, dass ich mehr Verantwortung habe. Es kommt darauf an, was man sagt und wie man sich gibt. Ich finde jetzt nicht, dass ich mich verstellen müsste, nur damit andere zu mir aufschauen. Die sollten genau das machen, was sie auszeichnet. Daran halte ich mich auch. Druck verspüre ich keinen.

Mit Nico Sturm gibt es den nächsten deutschen Stanley-Cup-Sieger. Was können Jungs wie er, Leon Draisaitl, Tim Stützle und Sie für das deutsche Eishockey bewirken?

Seider: Unheimlich viel. Es wäre sehr interessant zu sehen, wie gut wir abschneiden könnten, wenn wirklich alle für die Nationalmannschaft auflaufen. Diese Chance kommt nicht oft, weil jeder seinem Vereinstraum hinterherrennt, um Stanley-Cup-Sieger zu werden. Wir müssen uns nicht mehr verstecken und sind nicht mehr weit weg von den Schweizern.

Ich könnte mir vorstellen, dass Sie im Frühjahr 2023 lieber die NHL-Play-offs als die WM spielen…

Seider: Das ist ein Zwiespalt, mit dem jeder Eishockeyspieler klarkommen muss. Ich formuliere es einmal so: Hauptsache, ich spiele Ende Mai oder im Juni noch Eishockey. Wenn man nicht in die Playoffs kommt, überwiegt gerade am Anfang aber schon der Frust. Ich würde mich schon sehr freuen, wenn ich statt der WM meine ersten NHL-Play-offs spielen dürfte.

Glauben Sie, dass aufgrund Ihrer physischen Spielweise die Play-offs das Beste aus Ihnen herausbringen würden?

Seider: Da kommen die Stärken zum Vorschein, unter die Haut des Gegners zu gehen. Immer „in your Face“ zu sein, nicht zur Seite zu weichen, seinen Mann zu stehen, es dem Gegner so schwer wie möglich zu machen – darauf habe ich richtig Bock. Jeder Junge träumt von Spiel sieben in den Play-offs, es gibt nichts Genialeres. Das gibt mir die Energie für den Sommer, dafür rackere ich mich ab. Christian Rotter 
      

Von Erfurt über Mannheim nach Detroit

- Moritz Seider wurde am 6. April 2001 in Zell (Mosel) geboren.

- Mit dem Eishockeyspielen begann er beim EHC Erfurt, ehe er 2015 zu den Jungadlern Mannheim wechselte.

- Am 25. Oktober 2017 bestritt er mit 16 Jahren sein erstes Profispiel für die Adler. Gegner war die Düsseldorfer EG.

- Mit Mannheim holte der Verteidiger 2019 die Meisterschaft in der Deutschen Eishockey Liga (DEL).

- Seider gewann bereits in der DEL die Wahl zum besten Neuling des Jahres. In der schwedischen SHL wurde er gar zum besten Verteidiger gewählt.

- Am 14. Oktober 2021 bestritt er sein erstes NHL-Spiel für die Detroit Red Wings und sammelte dabei zwei Assists.

- Am Ende seiner Premierensaison in der NHL standen für den Rechtsschützen sieben Tore und 43 Vorlagen zu Buche. Im Juni 2022 wurde Seider in Tampa (Florida) als „Rookie des Jahres“ in der NHL ausgezeichnet.