Marcel und Jochen, was muss ein guter Trainer heutzutage alles mitbringen?Marcel Goc: Den Jochen (lacht).Jochen Hecht: Sehr wichtig ist die Kommunikation mit den Spielern. Also, dass diese respektvoll und auf eine gute Art und Weise abläuft. Die Zeiten, in denen geschrien und Leute lächerlich gemacht wurden, sind vorbei. So wie wir groß geworden sind, dass da ein Trainer hintendran steht und den Schläger schwingt, das geht heutzutage gar nicht mehr. Man muss viel mehr auf die einzelnen Spieler und Charakteren eingehen.Goc: Kommunikation ist wirklich mit das Wichtigste. Nicht jeder Spieler lernt gleich, ist der gleiche Typ, aber genau das brauchst du ja in einer Mannschaft. Du brauchst keine 20 gleichen Jungs, sondern du willst ja unterschiedliche Charaktere haben. Es ist unsere Aufgabe, zu erkennen, wie man mit jedem umgehen muss. Das ist ein großer Teil, der einen guten Trainer ausmacht.Persönlich zu Ihrer Trainerlaufbahn: Hat sich das einfach ergeben oder war da schon als Spieler der Gedanke, dass der Trainerjob durchaus eine Option ist, die man sich nach der Karriere vorstellen kann?Hecht: Was man nach dem Eishockey machen möchte, war natürlich immer ein Gedanke, der einem während der Karriere durch den Kopf ging. Wir lieben ja den Sport, wir lieben Eishockey und von daher war das schon eine naheliegende Wahl.Goc: Genauso war es bei mir auch. Ich bin mit Eishockey groß geworden. Der Sport war schon immer ein großer Teil in meinem Leben und wird es auch bleiben. Die Leidenschaft ist noch genauso da wie als Kind. So schnell komme ich vom Eishockey nicht weg.Viele Trainer stoßen von außen, also ohne vorher große Berührungspunkte mit dem Verein gehabt zu haben, zu einem Club. Sie haben dagegen beide schon als Spieler Meisterschaften mit Mannheim gewonnen, sind teilweise in der Organisation groß geworden. Sehen Sie diesen „Stallgeruch“, den Sie mitbringen, als Vorteil bei Ihrer momentanen täglichen Arbeit?Goc: Ja, schon. Wenn man zu einem Verein geht und schon weiß, wie was wo läuft, ist das zumindest schon mal was Positives. Man spart einfach die Zeit, erst alles kennenlernen zu müssen.Hecht: Da wir lange in Mannheim waren, wissen wir, wie hier der Hase läuft, wie die Fans auf Situationen reagieren, was sonst noch Drumherum passieren kann oder passiert. Neue Spieler haben da oft Situationen, die sie so noch nicht kennen und müssen sich erst daran gewöhnen. Da können wir ihnen dann schon helfen und zeigen, wie hier alles abläuft.Was ist der größte Punkt in Ihrem Trainerjob, den man als Spieler nicht so wahrgenommen und entsprechend im Vorfeld auch vielleicht ein wenig unterschätzt hat?Goc: Die Videoanalyse. Als Spieler siehst du nur das Endprodukt, aber bis das fertig ist, dauert es ein bisschen (lacht). Da sind wir froh, dass wir den Florian Kainz (Videoschnitt, Anmerkung der Redaktion) haben, der schon viel in Vorleistung geht mit dem Schneiden und Clipssortieren und was sonst noch dazugehört. Du willst deinen Punkt ja den Spielern oder dem Spieler verdeutlichen. Und das kannst du in 45 oder zwei Minuten machen. Ich will immer den besten Clip zum Vorzeigen haben und das ist sehr, sehr zeitaufwendig. Darüber habe ich mir als Spieler ehrlicherweise nie so Gedanken gemacht.Hecht: Video ist schon ein großer Faktor, den man als Spieler in Sachen Zeitaufwand unterschätzt. Als Spieler spricht man mit dem Trainer seine Wechsel durch, spricht vielleicht noch mit seinen Reihenkollegen – und das war’s. Jetzt als Trainer musst du aber auf alles achten und das große Ganze im Blick haben.Sie sind seit Ende der vergangenen Saison die Co-Trainer der Adler und verantworten jetzt zum ersten Mal auch die Vorbereitung auf eine neue Saison mit. Ist das ein Unterschied zu dem Tagesgeschäft, das während der Spielzeit abläuft, weil man andere Schwerpunkte setzen muss?Hecht: Klar, die Strukturierung des Trainings in der Vorbereitung, wann man was wie macht, war schon noch mal was Neues. Dadurch, dass wir diese Saison aber keine Champions Hockey League spielen, haben wir viel Zeit, können viele Sachen ausprobieren und das, was wir wollen über einen langen Zeitraum in die Köpfe der Spieler bekommen.Womit wir beim Spielsystem für die kommende Saison wären. Wie läuft die Systemfindung ab? Findet man es zusammen im Team oder ist das die alleinige Angelegenheit von Cheftrainer Bill Stewart?Hecht: Im Großen und Ganzen kommt es von Stewi. Aber wir besprechen natürlich, wie wir gewisse Situationen spielen wollen. Grundlegend möchte Stewi druckvoll sein, mit zwei Mann forechecken und mit Tempo spielen. Wir sind eine Mannschaft, die nordamerikanisch aufgebaut ist, mit guten Schlittschuhläufern – und deswegen wollen wir aktiv sein.Goc: Ich habe ja 2018 selbst noch unter Stewi gespielt und kenne daher sein System. Am wichtigsten ist, dass es alle umsetzen. Wenn es nur drei spielen und zwei nicht, funktioniert auch das beste System nicht.Jetzt sind Sie beide noch relativ frisch im Trainergeschäft. Können Sie dennoch schon sagen, ob der Co-Trainer-Posten genau das ist, was Sie machen wollen oder ist dann schon irgendwann in der Zukunft der Posten eines Cheftrainers das anvisierte Ziel?Goc: Ich gehe jetzt ins dritte Jahr nach meiner Spielerkarriere und jedes Mal hat sich meine Trainerrolle ein bisschen verändert. Von daher mal schauen. Aber natürlich möchte ich mich weiterentwickeln und da ist es sehr interessant, zu sehen, wie Jochen mit den Verteidigern umgeht, wie Stewi seine Sachen macht. Ich versuche mir schon Dinge von ihnen abzuschauen und dann auch gut umzusetzen.Hecht: Also ich bin gerade sehr zufrieden mit meiner Position und will das noch ein bisschen länger machen. Man muss in diese Rolle auch erst mal reinwachsen. Ich habe jetzt mit den Verteidigern acht Spieler vor mir und muss denen sagen, wie sie in gewissen Situationen spielen sollen. Das langt mir momentan vollkommen (lacht). Da brauche ich noch nicht die Verantwortung für 22 Spieler.Jochen, ist es ein Vorteil, wenn man als ehemaliger Stürmer für die Verteidiger verantwortlich ist? Immerhin weiß man ja, wie sich ein Stürmer auf dem Eis in den meisten Fällen verhält und kann das dann entsprechend den Verteidigern vermitteln.Hecht: Ob es ein Vorteil ist, weiß ich nicht. Ich kann den Jungs aber natürlich aus eigener Erfahrung sagen, wie ich als Stürmer in gewissen Situationen agieren würde und was ich dann vom Verteidiger erwarte. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht so einfach, sich als ehemaliger Stürmer in den Verteidiger hineinzuversetzen. Das geht zwar, wird aber mit der Zeit bestimmt noch besser.Die aktuelle U-23-Regel wird von den Spielern selbst, aber auch von Fans und Funktionären sehr kontrovers diskutiert. Was für einen Blick haben Sie auf diese Regel?Goc: Es gibt pro und contra. Es sind jetzt mehr junge Spieler in der DEL und DEL2. Gleichzeitig haben aber viele meiner Meinung nach zu früh einen Vertrag in diesen Ligen unterschrieben. Irgendwann wirst du als Spieler dann vielleicht nicht in eine Schublade gesteckt, aber eingestuft. Also der ist offensiv, der ist defensiv oder kann beides. Als Profi ist es oft egal, wie du eine Situation löst. Hauptsache gut. Wenn du aber als junger Spieler die Situationen nicht oft gut löst, bedeutet das häufig ganz schnell weniger Eiszeit. Doch gerade als junger Spieler brauchst du diese Eiszeit im Spiel. Deswegen ist mein Rat an die jungen Spieler: Wenn sie von allen Seiten hören, dass sie noch ein Jahr brauchen – da gehören auch die Agenten dazu, der einem Spieler nicht einfach nur einen Vertrag verschaffen will – dann sollten sie sich das Jahr noch zur weiteren Ausbildung nehmen. Auf lange Sicht baust du dir dadurch den Grundstein für eine längere Karriere auf. Denn wenn du den Schritt zu früh machst, aber in der U-23-Zeit nicht ablieferst, dann brauchst du erst mal einen Club, der noch dein Potenzial sieht.Jochen: Ich bin auch gespalten. Junge Spieler müssen spielen, um sich zu entwickeln. Wenn ein offensiver, junger Spieler in der DEL in der vierten Reihe mit fünf Minuten Eiszeit spielt und dabei dreimal den Puck berührt, dann entwickelt er sich nicht. Und viele werden dann 23, fallen aus der Regel raus und sind weg vom Fenster, obwohl sie wahrscheinlich besser sind als der 20-Jährige, der den Vertrag dann übernimmt. Philipp Koehl  

Die Co-Trainer


■ Jochen Hecht
wurde am 21. Juni 1977 in Mannheim geboren.

■ In der Saison 1994/95 gab er im Alter von 17 Jahren sein Debüt im Profikader der Adler Mannheim. Mit diesen gewann er 1997, 1998 sowie 2015 die deutsche Meisterschaft.

■ Vom NHL-Club St. Louis Blues wurde Hecht 1995 in der zweiten Runde an Position 49 ausgewählt.

■ Insgesamt bestritt der gebürtige Mannheimer für St. Louis, Edmonton sowie Buffalo 892 NHL-Spiele.

■ Hecht nahm an insgesamt sechs Weltmeisterschaften sowie drei Olympischen Spielen teil.

■ Nach dem Ende seiner Spielerkarriere 2016 gehörte Hecht bereits bis 2018 dem Trainerstab der Adler an. Zunächst als Entwicklungs- und später auch als Co-Trainer.

■ Marcel Goc wurde am 24. August 1983 in Calw geboren.

■ Bereits mit 16 Jahren gab er für die Schwenninger Wild Wings sein Profidebüt in der DEL, ehe er 2001 zu den Adlern Mannheim wechselte.

■ 2001 wurde er von den San Jose Sharks in der ersten Runde an 20. Stelle ausgewählt und war zu diesem Zeitpunkt der am frühesten ausgewählte Deutsche im NHL-Draftverfahren überhaupt.

■ Für San Jose, Nashville, Florida, Pittsburgh und St. Louis bestritt Goc insgesamt 699 NHL-Spiele.

■ Der Mittelstürmer war Kapitän der deutschen Nationalmannschaft und führte die DEB-Auswahl in dieser Rolle auch zu Olympia-Silber 2018.

■ Nach der Meisterschaft 2019 mit den Adlern beendete er 2020 seine Spielerkarriere.