Mannheim. Andrew Desjardins war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Bestandteil der Adler-Mannschaft. Das Wort des Kanadiers, der 2015 mit den Chicago Blackhawks den Stanley Cup in der NHL gewann, hatte Gewicht. Auf dem Eis ging er voran, in der Mannheimer Meistersaison 2018/19 war er mit neun Toren und 14 Scorerpunkten das Playoff-Monster der Adler. Nach der abgelaufenen Runde trennten sich die Wege jedoch. Die Blau-Weiß-Roten wollten sich auf der Mittelstürmerposition des physisch stärksten Angriffs verjüngen, Desjardins zog weiter nach Villach.Klar war: Als Desjardins-Nachfolger hätten die Adler am liebsten einen Desjardins verpflichtet – einen in jung. Da die Zeitmaschine allerdings erst noch erfunden werden muss, entschieden sich die Mannheimer für einen Center, der das Anforderungsprofil erfüllt. Fündig wurden sie in Wolfsburg bei den Grizzlys. Aus Niedersachsen schloss sich Tyler Gaudet den Adlern an.

Bereits vor der vergangenen Saison hatte Sportmanager Jan-Axel Alavaara den im kanadische Hamilton geborenen Linksschützen auf dem Zettel. Der Schwede fragte bei Gaudet allerdings zu einem Zeitpunkt an, als dieser noch nicht genau wusste, wie es bei ihm weitergehen würde. „Ich habe mit Todd Hlushko gesprochen, war mir da aber noch nicht sicher, was ich machen wollte“, erinnert sich Gaudet an die Kontaktaufnahme des Scouts. Nun, ein Jahr später, ist er doch bei den Blau-Weiß-Roten gelandet.

Ein NHL-Tor

Zwischen 2014 und 2016 absolvierte der heute 29-Jährige 20 Spiele für die Arizona Coyotes (1 Tor, 3 Vorlagen) in der NHL. Der Durchbruch blieb ihm jedoch verwehrt. Gaudet blickt aber nicht im Groll zurück: „Ich kam meistens nur in der dritten oder vierten Reihe zum Einsatz. Wenn man dann nur fünf, sechs, vielleicht sieben Minuten Eiszeit bekommt, ist es nicht leicht, sein volles Potenzial auszuschöpfen und sich durchzusetzen. Aber so ist das Geschäft. Ich bin unheimlich dankbar, dass ich überhaupt die Chance bekommen habe, mich mit den besten Spielern der Welt zu messen.“

Vor einem Jahr reifte in ihm dennoch der Gedanke, etwas anderes sehen, etwas anderes erleben zu wollen. Er lotete zwar noch die Angebote aus der AHL aus, doch dann setzte er sich mit seiner Frau zusammen und beide entschieden, dass nun die Zeit für den Sprung über den Großen Teich gekommen war.

Er traf ins Schwarze. Nicht nur, weil er mit 39 Punkten aus 41 Partien eine persönlich starke Saison in Wolfsburg hinlegte, sondern weil er sich neu erfand. Oder anders ausgedrückt: Gaudet durfte endlich der Eishockeyspieler sein, der er eigentlich schon immer war. „In Nordamerika wurde ich als defensiv ausgerichteter Center charakterisiert“, erklärt der Linksschütze und vermeidet nur mit großer Überwindung das Wort „abgestempelt“. Stattdessen ergänzt er: „In der DEL habe ich meine Rolle erweitert. Ich durfte der ganze Spieler sein, der ich bin – ein Zwei-Wege-Center. So will ich bei den Adlern weitermachen.“

Seine Entscheidung für den Wechsel sei keine gegen Wolfsburg gewesen, sondern eine für Mannheim, betont Gaudet. Das Jahr bei den Grizzlys habe ihm Spaß gemacht. „Ich habe mein erstes Jahr in Europa sehr genossen“, sagt er: „Ich schaue immer, wo ich mich beweisen kann. Die Adler hatten großes Interesse an mir und das auch früh bekundet. Für mich hat sich die Unterschrift in Mannheim als die beste Option angefühlt.“

In der Quadratestadt trifft Gaudet auf einige bekannte Gesichter. Mit Matthias Plachta lief er beispielsweise für den AHL-Club Springfield Falcons auf, als der deutsche Nationalspieler 2015/16 seine Chance in Nordamerika suchte. Es bot sich an, dass Gaudet in der Vorbereitung die Lücke zwischen Plachta und David Wolf ausfüllte, die Desjardins hinterlassen hatte. Allerdings verpasste der Mittelstürmer die letzten drei Testspiele angeschlagen. Unklar ist, ob er zum Saisonstart fit wird. Christian Rotter