Die Herren, worauf können sich eure Fans in Anbetracht der ,,Rock Believer"-Tour gefasst machen? 

Matthias Jabs: Auf Scorpions in Bestform.
Klaus Meine: Wir haben richtig Lust auf die Konzerte. Im vergangenen Jahr haben wir sechzig Shows in Nordamerika und in Europa gespielt, dann ging es nach Süd- und Mittelamerika, und nun finden endlich auch die deutschen Termine statt, auf die wir uns sehr, sehr freuen.

Die Fans mussten ja auch lange genug warten. 

Meine: So ging es uns allen. Nach der Pandemie standen viele Fragezeichen im Raum, ob und wie es weitergeht. Nach dieser belastenden Zeit war es phantastisch, im vergangenen März in Las Vegas erstmals wieder auf der Bühne zu stehen.

Geht ihr vor einer Tournee eigentlich ins Trainingslager so wie eine Fußballmannschaft vor einem wichtigen Turnier? 

Jabs: Jeder von uns bereitet sich individuell vor. Wir wohnen ja auch gar nicht so nah beieinander. Rudolf verbringt den Großteil seiner Zeit in Thailand, Klaus und ich sind in Hannover, unser Schlagzeuger Mikkey Dee in Göteborg, unser Bassist Pawel Maciwoda in Krakau. Ich zum Beispiel habe seit Anfang des Jahres einen Personal Trainer. Unser letztes Konzert war schon einige Monate her, und es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich sportlich fit zu machen - gerade, wenn du in einer ganz anderen Zeitzone tourst oder etwa in Bogota in 2500 Meter Höhe spielst. Musikalisch wiederum haben wir das Programm drauf. Wir treffen uns einmal vorher, spielen alles durch, und dann sind wir bereit.

Klaus, hast du auch einen Personal Trainer?

Meine: Ja, habe ich. Das letzte Konzert vor dem Tourneestart haben wir Anfang Dezember in Mexiko gespielt. Die Zwischenzeit muss man nutzen, damit Energie und Spannung nicht verloren gehen. Das heißt: Krafttraining, Kondition, das volle Programm. Man muss einfach was machen. Das Belastende sind nicht so sehr die Konzerte an sich, denn wenn du erst mal unterwegs bist, fühlst du dich mit jedem weiteren Konzert körperlich besser und merkst, wie du immer ausdauernder und leistungsfähiger wirst. Nur werden auch wir nicht jünger, und speziell lange Überseereisen schlauchen einfach. Trotzdem: Während des Konzerts ist der Stress gedanklich weit weg. Du guckst in die Gesichter der Fans und bist gut drauf. Und wenn ich hinter mir einen Luftzug spüre, dann ist das nicht der „Wind Of Change", sondern Rudolf, der mit seiner „Flying v"Gitarre dynamisch über die Bühne rennt (lacht).

Hält euch das Livespielen jung?

Meine: Wir werden an Jahren älter, aber es hält uns im Herzen jung. Wer hätte denn vor fünfzig Jahren gedacht, dass wir mit Mitte 70 noch auf einem solchen Niveau spielen? In Südamerika waren wir jetzt unter anderem mit KISS und Deep Purple unterwegs, wir spielen jeden Abend in Stadien vor zigtausend Fans, es ist einfach phantastisch. Wir genießen jedes einzelne unserer Konzerte.

Auf eurem 2022 veröffentlichten Album „Rock Believer"gibt es den Song ,,Peacemaker". Darin singst du, Klaus, dass der Friedensstifter die Oberhand über dem Bestatter behalten möge. In der Ukraine ist es anders gekommen. Einen Tag vor der Veröffentlichung von „Rock Believer" überfiel Wladimir Putin das Land. 

Meine: Die Grundidee von „Peacemaker" war der Wunsch, das Gute möge über das Böse siegen. Doch das Monster des Krieges ist, obwohl wir es längst besser wissen sollten, nach wie vor lebendig. Ich habe den Text 2019 geschrieben. Seitdem hat sich die Welt in einer Weise verändert, wie wir alle es nicht für möglich gehalten hätten. Das anzusehen und mitzuerleben ist sehr traurig.

Kann der Mensch auf Dauer einfach nicht in Frieden leben? 

Jabs: Man muss bedenken, dass jeder Mensch Konflikte im Kopf hat, und diese Konflikte sich ausbreiten können auf die Familie, das Heimatdorf, die Gesellschaft. Wenn man dazu die unterschiedlichen Weltanschauungen und Religionen und was auch immer betrachtet, dann kann man sich kaum vorstellen, dass es jemals einen wirklichen Weltfrieden geben kann. Der Mensch an sich verfügt einfach über ein enormes Konfliktpotenzial. 

Meine: Das ist absolut richtig, und doch sollte man die Hoffnung nicht aufgeben. Aus diesem Grund entstehen Friedenshymnen wie ,,Wind Of Change". Mit solchen Songs bauen wir Musiker Brücken und laden die Menschen ein, aufeinander zuzugehen. Mit Musik gelingt es immer wieder, die unterschiedlichsten Kulturen zu verbinden und zumindest für ein, zwei Stunden die Hoffnung zu haben, dass wir alle gemeinsam in Frieden auf diesem Planeten leben können.

Als ,,Wind Of Change" 1990 rauskam und zum Welthit wurde, herrschte eine Stimmung des Aufbruchs, des Wandels und des Friedens. Der Kalte Krieg war vorbei, Deutschland fand wieder zusammen, die Welt war geprägt von einem immensen Zukunftsoptimismus. 30 Jahre später bläst einem der ,,Wind Of Change" gerade eisig ins Gesicht.

Meine: Ich reibe mir jeden Morgen fassungslos die Augen. Ich denke, mit einem solchen Rückfall in alte Zeiten haben wir alle nicht gerechnet. Und gleichzeitig ist „Wind Of Change" relevanter denn je. Nicht von ungefähr hat der Song gerade die Milliardenmarke an Aufrufen bei Youtube geknackt. Er wird von unserem Publikum weiter als Friedenshymne empfunden.

Du hast einige Textzeilen geändert. Anstatt ,,Follow the Moskva/ Down to Gorky Park" singst du jetzt ,,Now listen to my heart! It says Ukrainia". Was war der Grund?

Meine: Ich wollte den Text an die Realität anpassen, gerade auch, um ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine zu setzen. Ich singe die neue Version schon seit dem Tourauftakt im März 2022. Mit all den schrecklichen Bildern, die wir jeden Tag aus der Ukraine sehen, war es für mich nicht vorstellbar, diese stark romantisierenden Zeilen für Russland zu singen.

Haben wir Russland alle zu lange zu sehr romantisiert und verharmlost? 

Meine: Ich fürchte ja. Und auch wir haben es immer genossen, mit dem Song zur Völkerverständigung und zum kulturellen Austausch beizutragen. Wir hatten viele berührende Erlebnisse in Russland, wir haben dort immer gern gespielt, und wir haben viele Freunde in Russland, der Ukraine und auch in Belarus. Es war keine leichtfertige Entscheidung, diese Zeilen zu ersetzen, aber es ist für mich die einzige Möglichkeit, auszudrücken, was ich empfinde. 

Jabs: Und trotzdem hat „Wind Of Change" nichts von seiner Kraft und seiner Friedensbotschaft verloren.

Denkt ihr, der ,,Wind Of Change" wird sich eines Tages wieder in die richtige Richtung drehen? 

Meine: Die Hoffnung ist ungebrochen. Und natürlich haben wir auch den Wunsch, in der Ukraine zu spielen, sobald dieser schreckliche Krieg endlich vorbei ist.

Klaus, am 25. Mai wirst du 75. Wirst du an dem Tag auf der Bühne stehen? 

Meine:
Wir spielen zwei Tage vor meinem Geburtstag in Berlin. Mal gucken, was sich ergibt. Die Zeiten, in denen man eine Torte ins Gesicht geworfen bekommen hat, die sind vorbei (lacht). Steffen Rüth

Info - ZUR BAND

Klaus Meine
Klaus Meine
Matthias Jabs
Matthias Jabs

Klaus Meine wurde am 25. Mai 1948 in Hannover geboren. Seit 1969 ist er Sänger, Texter und Co-Bandleader der Rock-Band Scorpions. 1980 begann er, auch zu komponieren. Sein größter Erfolg ist die Wende-Hymne ,,Wind Of Change".

Matthias Jabs kam am 25. Oktober 1955 in Hannover zur Welt und bererbte 1978 Ulli Jon Roth als Lead-Gitarrist der Scorpions.

Die Urformation gründete Gitarrist Rudolf Schenker 1965. 1969 stießen sein Bruder Michael und Meine dazu. 1972 erschien das Debütalbum ,,Lonesome Crow". Mit dem Einstieg von Star-Gitarrist Uli John Roth und dem Bass-Virtuosen Francis Buchholz 1973 stieg das Niveau der Band noch und ihre Platten wurden international beachtet. Seit 1979 gelten die Scorpions als Rock-Weltstars und haben über 110 Millionen Tonträger verkauft.

Auf der Tour zum 19. Studioalbum ,,Rock Believer" spielen die Scorpions am Dienstag, 16. Mai, 20 Uhr, in der Mannheimer SAP Arena. Karten: eventim.de ab 89,60 Euro plus Gebühren. jpk