Sie dienten der Machtrepräsentation und waren zugleich Orte der inszenierten Lebenslust. Viele Schlossgärten sind bestimmt von barockem Schick, man denke an Versailles, Sanssouci oder Herrenhausen. Doch oft gibt es noch viel mehr zu entdecken, wie unsere Reise zu besonderen, teils weniger bekannten Parks zeigt.HELLBRUNN: WO NEPTUN DIE ZUNGE HERAUSSTRECKT„Funpark würde man das heutzutage nennen“, sagt ein Mitarbeiter des Schlossparks Hellbrunn in Salzburg. Doch die kecken Wasserspiele hat ein Kirchenfürst bereits im 17. Jahrhundert in Auftrag gegeben.Frech streckt der Meeresgott Neptun in der Regengrotte jedem, der vorbeikommt, die Zunge heraus. Schon geht ein künstlicher Platzregen auf die Besucher nieder. Ein hydraulischer Wasserautomat macht diesen Spaß möglich. „Die 400 Jahre alten Wasserspiele sind tatsächlich noch Originale“, sagt die langjährige Schlossverwalterin Ingrid Sonvilla.

Nach diesen, von Vogelstimmen aus Musikautomaten untermalten Begegnungen mit Spritzbrunnen und wasserspeienden Figuren spaziert der Besucher zum Trocknen durch den Landschaftsgarten. Es geht vorbei an Baumriesen, mystischen Grotten, Karpfenteichen, lauschigen Lauben und einem Steintheater. Dieser manieristische Schlosspark ist ein Gesamtkunstwerk nach italienischem Vorbild.

MIRABELLGARTEN: DAS BLÜHENDE BAROCKJUWEL

Wir bleiben zunächst in Salzburg. Wer noch nie in der Mozartstadt war, hat den Mirabellgarten vermutlich schon mal auf Fotos gesehen. Das große symmetrische Gartenparterre bestimmt die Postkartenansicht des blühenden Barockjuwels im Zentrum der Stadt. „Wir verwenden gerne Begonien, denn die Eisblumen halten die hiesigen Wetterkapriolen wie Regen und Hitze gut aus“, sagt Obergärtner Peter Ebner.

Der gebürtige Salzburger steuert die Pflanzungen. „Zweimal im Jahr setzen wir 35 000 Pflanzen ein, plus 12 000 Zwiebeln für den Frühjahrsflor.“ Barockfelder mit Basilikum, Salbei, Iresinen und Dahlien bestücken, die Lindenallee auf Kastenform schneiden oder Tausende von Rosenstöcken pflegen: Alles erfolgt von Hand.

Dem Besucher bleibt nur, das Ergebnis dieser „irrsinnig arbeitsintensiven“ Gärtnerleistung zu genießen. Und sich vom Heckentheater in die Zeit des Barock – als der Garten Schauplatz für Lustspiele war – versetzen zu lassen.

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Im Mirabellgarten reicht der Blick über das symmetrische Gartenparterre bis zur Festung Hohensalzburg. BILD: DPA-TMN / DANIELA DAVID
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Im Garten von Kylemore Abbey wachsen nur Pflanzen, wie schon im Viktorianischen Zeitalter. BILD: DPA/KYLEMORE ABBEY AND GARDENS LTD

KYLEMORE ABBEY: REISE INS VIKTORIANISCHE ZEITALTER

Wie in einem Märchen thront Kylemore Abbey mit seinen Türmchen in der rauen Landschaft von Connemara im Westen Irlands. Benediktinerinnen übernahmen das Schloss 1922, wandelten es in ein Kloster um und restaurierten den historischen Victorian Walled Garden.

Eine hohe Backsteinmauer umgibt den 24 000 Quadratmeter großen viktorianischen Mauergarten voller Gemüse, Obst und Blumen. „In unserem Garten wachsen nur Pflanzen, die es schon im Viktorianischen Zeitalter gab“, sagt Anja Gohlke, die aus Deutschland stammende Chefgärtnerin von Kylemore Abbey. Das frühere Wohnhaus ihrer Vorgänger aus dem 19. Jahrhundert dient heute als Museum.

CHÂTEAU DE MIROMESNIL: VERRÜCKT IM KÜCHENGARTEN

Als Geheimtipp gilt das Château de Miromesnil in der Normandie. Die Schlosseigentümerin Nathalie Romatet pflegt die Tradition des „Potager“, des Küchengartens.

Ihren Küchengarten nennt Romatet „eine organisierte Verrücktheit“. Ganz französisch sind die Beete zwar geometrisch angeordnet, doch die überbordende Blumenpracht in den gemischten Rabatten aus regionalen Gemüse, Beeren und Kräutern verleiht ihm einen englischen Touch.

Die Potager erfahren vielerorts wieder mehr Aufmerksamkeit: Immer mehr Schlösser in Europa kümmern sich in den letzten Jahren intensiv um ihre traditionellen Küchengärten.

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Das Château de Miromesnil ist der Geburtsort des Schriftstellers Guy de Maupassant. Eine Büste erinnert an ihn. BILD: DPA-TMN / DANIELA DAVID
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Die Schmuckbeete im Schlosspark Altenstein werden jedes Jahr nach historischen Vorlagen neu bepflanzt. BILD: DPA/SCHATZKAMMER THÜRINGEN/MARCUS GLAHN
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Toskanische Schönheit: Der Garten der Villa Vicobello in Siena ist terrassenförmig angelegt. BILD: PICTURE ALLIANCE/DPA/DPA-TMN/DANIELA DAVID

SCHLOSSPARK ALTENSTEIN: TEPPICHARTIGE SCHMUCKBEETE

Das „Große Teppichbeet“ im Schlosspark Altenstein in Thüringen ist ein Hingucker. Auf 130 Quadratmetern wachsen mehr als 6000 Pflanzen. Diese teppichartigen Schmuckbeete kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode. „Zwischen 1890 und 1914 wurde jedes Jahr ein neues Motiv entworfen“, sagt der Parkverwalter Toni Kepper. „Nach diesen Vorlagen bepflanzen wir jährlich neu.“

Zedern, Goldeschen, Blutbuchen, eine Kaukasische Flügelnuss und ein Mammutbaum: Majestätische Bäume bestücken den Schlosspark. Bei seiner Gestaltung hatten die Gartenkünstler Fürst Hermann von Pückler-Muskau und Peter Joseph Lenné ihre Hände mit im Spiel.

In der inszenierten Naturlandschaft sind die geschwungenen Wege so geschickt angelegt, dass sie das Verlangen auf weitere Entdeckungen wecken. Hin zum Hohlen Stein mit dem Chinesischen Häuschen, hinauf über die steilen Stufen zum Blumenkorbfelsen und hinüber über die wankende Teufelsbrücke, die zwischen zwei Felsnadeln hängt.

Der Landschaftspark von Schloss Altenstein südlich von Eisenach gilt mit 160 Hektar als größter in Thüringen. Das Bundesland steckt aufgrund seiner einstigen Kleinstaaterei voller Schlösser mit Gärten. Viele dieser gärtnerischen Kleinodien sind wieder instand gesetzt.

VICOBELLO: EIN ORT DES VERGNÜGENS

Der Ursprung der Schlossgärten geht auf die Renaissance in Italien zurück. Seit dem 16. Jahrhundert pflegt die Familie Chigi in ihrer Villa di Vicobello in der Toskana ihren italienischen Garten.

Auf verschiedenen Terrassen blühen je nach Jahreszeit Kamelien und Glyzinien, Azaleen und Oleander. Im Limonengarten duften 250 Jahre alte Orangen- und Zitronengewächse in Terrakotta-Vasen. Auch die Maulbeerbäume und Steineichen, der Ginkgo und die Libanonzeder sind Jahrhunderte alt.

Wie auf einem Balkon führt ein Weg an den Terrassen entlang. Von vielen Stellen des Gartens ergibt sich ein weiter Blick auf die Stadt Siena und die Landschaft der Toskana.

„Die Villa wurde als Ort des Vergnügens gebaut“, sagt Hausherr Agostino Anselmi Zondadari. „Schon meine Urgroßmutter genoss in unserem Garten den malerischen Sonnenuntergang.“

Und auch den Gast von heute überkommt ein lustwandelndes Lebensgefühl. Das ist typisch für die Gärten der europäischen Schlösser und Villen, die einst der Machtrepräsentation dienten, aber immer auch der kunstvoll inszenierten Lebenslust. dpa, Daniela David