Obst und Gemüse aus dem Garten, dazu selbst gebackenes Brot sowie Eier, Milch und Fleisch von eigenen Tieren: Marie Diederich versorgt sich und ihre Familie nahezu selbst. „Irgendwie hatte ich schon immer diese Sehnsucht in mir, meine eigene kleine Farm zu haben“, sagt sie. Ihr Lebensweg liest sich konsequent: Ihr erstes Taschengeld sparte Diederich für ein Buch über Selbstversorgung, erste Gartenerfahrung sammelte sie mit den Eltern auf der Dachterrasse. Mit zwölf Jahren bekam sie ihre ersten Ziegen, mit 18 Jahren schaffte sie sich Hühner an und baute Gemüse im eigenen Garten an, studierte ökologische Landwirtschaft. Heute lebt sie mit ihrer Familie in der Nähe von Kassel und verfügt über 300 Quadratmeter Beetfläche, neun Hühner und zwei Ziegen. „Es gibt für mich wirklich nichts Schöneres auf der Welt, als in den Käse zu beißen, den ich aus der Milch meiner Ziegen gewonnen habe oder wenn der Geruch von selbst gemachter Passata den Raum erfüllt – das macht unglaublich stolz und dankbar“, sagt Diederich.

Ralf Roesberger unternahm seine ersten Schritte zum Selbstversorger im Schrebergarten. „Mein erstes Beet habe ich aus der Wiese gegraben. Ich hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung, habe mich frisch und unbedarft an die Sache ran gearbeitet“, sagt der Autodidakt, der inzwischen ebenfalls auf dem Land lebt – in Rommerskirchen (NRW). Etwa 2000 Quadratmeter des Grundstücks hat er für den Anbau nutzbar gemacht, auf 800 Quadratmetern baut er Gemüse an. Dazu kommen Gänse, Hühner, Bienen und Kaninchen – wobei letztere nicht mehr geschlachtet würden, sagt er. „Wegen der Kinder.“ Selbstversorgung ist angesagt. Das zeigt sich nicht nur an den zahlreichen Büchern, Blogs und Social-Media-Kanälen, in denen Selbstversorger wie Diederich und Roesberger ihre Erfahrungen weitergeben. „Selbstversorgung, aber auch die Themen ländliche Kultur und Wissen erleben gerade eine Renaissance. Das merken wir auch durch den großen Zuspruch bei unseren Veranstaltungen und Kursen“, sagt Stefan Zimmermann, Direktor des Freilichtmuseums am Kiekeberg bei Hamburg. Bis zum Aufkommen einer industrialisierten Landwirtschaft im 19. Jahrhundert war Selbstversorgung Alltag – insbesondere auf dem Lande. „Subsistenzwirtschaft war wenig romantisch, sondern überlebensnotwendig und alternativlos“, so Zimmermann.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich dies jedoch geändert: Industrielle Massenproduktion ebnete den Weg zu einer Konsumgesellschaft, die auf eigenes Gemüse, Obst und Nutztiere nicht mehr angewiesen ist. Was also motiviert Menschen nun dazu? Der Historiker hat dafür mehrere Erklärungen: die kritische Auseinandersetzung mit der Lebensmittelproduktion und der industriellen Landwirtschaft, zum Beispiel. Aber auch der Wunsch nach Autarkie und nicht zuletzt die Corona-Pandemie. Zimmermanns Beobachtung: „Die aufkeimende Begeisterung für Selbstversorgung zeigt sich eher in wohlhabenden Milieus. Ein kleiner Garten gehört zum Status. Brot selber backen ist ein Statement.“ Ralf Roesberger haben die Kinder zum Selbstversorger werden lassen. „Wir wollten unseren Kindern eine alternative Lebensweise zeigen. Uns war es wichtig, dass sie lernen, wie Gemüse wächst, Kaninchen geboren werden und Hühner Eier legen. Dieses Wissen ist in der heutigen Zeit abhandengekommen“, sagt der vierfache Familienvater, der mit diesen Erlebnissen selbst aufgewachsen ist. Abgewandt von der Welt leben, kommt für ihn aber nicht infrage. „Natürlich gehen wir noch einkaufen. Wir sind keine Freaks, die nur Möhren mümmeln. Auch bei uns gibt es Fast Food und Energy Drinks“, so Roesberger. Selbstversorgung versteht er dennoch als ernsthafte Herausforderung. „Selbstversorgung ist mehr als ein bisschen gärtnern. Mein Ansatz ist es, die Kalorienbilanz auf null zu bekommen“, sagt Roesberger. Um herauszufinden, ob die Ernte die Familie theoretisch ernähren könnte, rechnet er den Kaloriengehalt von Eiern, Honig und Gemüse gegen den täglichen Bedarf von 2500 Kalorien pro Person – selbst wenn die Familie nicht alles selbst konsumiert, sondern Überschüsse abgibt. „Ich kann nicht jeden Tag ein Glas Honig essen.“
 

Keine Freaks, die nur Möhren mümmeln-2
Marie Diederich ist Selbstversorgerin mit einem Garten in der Nähe von Kassel. Ralf Roesberger hat 2000 Quadratmeter seines Grundstücks für den Anbau nutzbar gemacht. Bilder: dpa/Graefe und Unzer Verlag, Löwenzahn Verlag

Marie Diederich verfolgt einen weniger strengen Ansatz. „Ich denke, es ist generell wichtig, Selbstversorgung nicht mit komplettem Eigenanbau gleichzusetzen. Das baut viel Druck auf“, sagt die Bloggerin. Ihr Credo: Spaß statt Quoten und Perfektion. „Wer Kräuter selber anbaut, ist Kräuter-Selbstversorgerin, ein kleiner Balkon kann einen leicht zum Chili-Selbstversorger machen.“ Das ist auch für mehr Menschen möglich als echte Selbstversorgung: Diederich rechnet mit etwa 100 Quadratmetern Beetfläche, um eine Person ganzjährig mit Gemüse (ohne Kartoffeln), Getreide und Ölfrüchten zu versorgen. Auch wenn es schöne Momente und Erfolgserlebnisse gibt: Selbstversorgung bleibt harte Arbeit, tagtäglich – auch im 21. Jahrhundert. Diederich berichtet von Kaninchen, die den liebevoll gepflegten Gemüsegarten komplett abgefressen hätten. Und von eiskalten Wintern, die das Trinkwasser für die Tiere binnen kurzer Zeit gefrieren ließen. Die größte Herausforderung für Roesberger: „Das moderne Leben mit der einfachen Lebensweise unter einen Hut zu bringen“. Gerade im Sommer zeige sich der Konflikt besonders. „Ich kann zur Haupterntezeit nicht einfach zwei Wochen in den Urlaub fahren, dann war alles für die Katz.“ Auf ihren Lebensstil verzichten möchten die beiden Selbstversorger jedoch nicht. „Selbst wenn die Kinder später einmal andere Wege gehen – ich mache weiter, solange es geht“, sagt Roesberger. Für Diederich ist es, die „tollste Reise, die ich jemals unternommen habe. Ich würde es immer wieder machen.“ MELANIE ÖHLENBACH, DPA

Experten-Tipp

Keine Freaks, die nur Möhren mümmeln-3
Bild: Nitr/stock.adobe.com

Obstbäume im Herbst pflanzen

Generell können alle Obstbäume, die im Topf gewachsen sind, auch im Frühling oder Sommer gepflanzt werden, jedoch bietet sich im Herbst nochmal eine gute Zeit, um Obstgehölze zu pflanzen. Zu dieser Jahreszeit haben die meisten Bäume ihre Blätter schon verloren und können ihre Energie in die Wurzelbildung stecken. Das heißt, die Bäume oder Sträucher, die jetzt noch gepflanzt werden, bilden über die kühleren Monate hinweg trotzdem neue Wurzeln aus und starten so mit einem guten Vorsprung in das kommende Frühjahr.

Aber fangen wir von vorne an:

Zuerst sollte man sich die Frage stellen, was für einen Obstbaum möchte ich denn überhaupt, also mit welcher Frucht kann ich etwas anfangen?

Sehr beliebt sind nach wie vor: Äpfel, Birnen, Quitten, Kirschen und Zwetschgen. Und auch, wenn die Bäume in jungen Jahren noch nicht sehr viel Ertrag abwerfen und gerade so für einen Kuchen ausreichen, können es mit der Zeit mehrere hundert Kilo werden. Doch selbst, wenn es dann größere Mengen sind, kann man in den Lohnmostereien Saft daraus pressen lassen und das ganze Jahr davon zehren.

Die nächste Frage, wie groß der Baum werden soll, hängt natürlich von dem vorhandenen Platz im Garten ab. Hier gibt es für kleine Gärten Buschbäume, denn die erste Verzweigung der Äste beginnt nach ca. 50 cm, der Baum wird ungefähr 3 Meter hoch, und man kommt zum Ernten leichter bis in die Krone.

Wer viel Platz hat, greift zu Halbstämmen (Stammhöhe ca. 140cm) oder Hochstämmen (Stammhöhe ca. 180 cm), denn diese Bäume erreichen einen Durchmesser von 5- 10 Metern und können dadurch auch größere Mengen Obst pro Baum produzieren, oder als Schattenspender dienen.

Ganz egal für welches Obst oder welchen Baum Sie sich entscheiden, es ist in jedem Fall eine gute Investition in die Zukunft!

Von Afra Stoll
Gartenbautechnikerin bei Gartencenter Beier, Mannheim-Sandhofen