Das arme Dorf hat keine Chance. Am 22. Dezember 1921 wird der Antrag von Wallstadt auf Eingemeindung nach Mannheim vom Stadtrat „im Hinblick auf die eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten“, wie die Entscheider vermerken, abgelehnt. Erst acht Jahre später ist es soweit. „Bei Wallstadt sprechen für die Eingemeindung vor allem die Bedürfnisse der Stadterweiterung“, heißt es im Bürgerausschuss am 28. Mai 1929, und Mitte 1929 tritt die zunächst abgeschmetterte Eingemeindung doch in Kraft.       

1921, das Jahr der Gründung des Grosskraftwerks, ist für Mannheim kein einfaches Jahr. Im Januar 1921 wird die in Paris beschlossene Forderung von 223 Milliarden Goldmark Kriegsentschädigung durch die Sieger des Ersten Weltkrieges auch in den hiesigen, im Marchivum noch vorhandenen Zeitungen als unannehmbar und als Beginn der „völligen Versklavung Deutschlands“ bezeichnet. Im Februar 1921 werden in Anbetracht der ernsten politischen Lage Karnevalsveranstaltungen vom Staat verboten. Der Stadtrat beschließt daraufhin, Maskenbälle und dergleichen im Rosengarten nicht zuzulassen.

Im März droht gar die Errichtung einer Zollgrenze am Rhein zwischen der französisch besetzten Pfalz und Mannheim. Daher ist kurzfristig von einem „gewaltigen Warenverkehr“ auf der Rheinbrücke die Rede – man will noch schnell viel Tabak und Wein nach Mannheim bringen. Am 20. April wird es ernst: Die Zollgrenze tritt wirklich in Kraft und fällt erst wieder am 1. Oktober 1921.

Wegen der zunehmenden Wohnungsnot gründet die Stadt unter Mitwirkung von Banken und Industriefirmen die „Gemeinnützige Baugesellschaft mbH“ – Vorläufer der dann 1926 gegründeten und heute noch bestehenden Gemeinnützigen Baugesellschaft Mannheim.

Im Juni 1921 wird in Stuttgart die Neckar-Aktiengesellschaft zum Bau des dann bis Mannheim reichenden Neckarkanals gegründet. In dem Monat stellt die Firma Brown, Boveri & Cie (BBC) die erste in Mannheim gebaute Dampflokomotive fertig, und dass aus der Schlossgalerie zehn Gemälde durch einen Einbruchsdiebstahl entwendet werden, macht gewaltig Schlagzeilen. Dafür darf länger gefeiert werden: Das Ministerium genehmigt die allgemeine Verlängerung der Polizeistunde bis halb zwölf Uhr. Dunkel bleiben indes die Leinwände – einige Tage zumindest. Die Lichtspieltheater schließen am 16. Juli wegen eines Streits um die von ihnen erhobene „Lustbarkeitssteuer“ ihre Betriebe und öffnen erst am 22. Juli wieder die Säle.

Am 31. August findet aus Anlass der Ermordung des Reichstagsabgeordneten Matthias Erzberger (Zentrum) durch rechtsterroristische Attentäter im Schwarzwald auch vor dem Rosengarten eine große Demonstration der Arbeiterschaft gegen die Feinde der Demokratie statt. Redner ist Stadtrat Richard Böttger.

Viel Leid, Not und Zerstörung bringt der 21. September 1921 auch in Mannheim. Durch die schwere Explosionskatastrophe morgens um 7.32 Uhr im Oppauer Stickstoffwerk der BASF in Ludwigshafen wird auch die Quadratestadt stark in Mitleidenschaft gezogen. In der Innenstadt sind viele Häuser durch die Druckwelle zerstört oder zumindest beschädigt, kilometerweit Fensterscheiben zersplittert. Es gibt zahlreiche Verletzte und einige Todesfälle. Die Stadt Mannheim beteiligt sich an Hilfsaktionen. Schulen, Theater und Konzerthäuser bleiben für einige Trauertage geschlossen.

Am 1. Oktober 1921 wird das Telefonieren teurer. Eine neue „Fernsprechordnung“ verlangt nun für jedes Ortsgespräch 25 Pfennige. Und die Inflation nimmt weiter zu. Am 1. November 1921 liegt die Indexziffer, die die Preissteigerungsrate angibt, laut Preisprüfungsamt 15 mal so hoch wie bei Beginn des Ersten Weltkrieges. Der Stadtrat beschließt daher auch beträchtliche Erhöhungen der städtischen Gebühren für Gas, Wasser und Strom, der Krankenhausverpflegungssätze und der Miet- und Eintrittspreise für den Rosengarten. Im Dezember 1921 fordert eine Versammlung in Schriesheim den Ausbau der Bahnlinie über Ladenburg nach Mannheim – aber die gibt es bis heute nicht. Peter W. Ragge