Es war im März des vergangenen Jahres, während sich das Coronavirus zunehmend auch in Deutschland verbreitete, als im Grosskraftwerk Mannheim (GKM) Container abgeladen wurden. Der Inhalt: Feldbetten und Matratzen. Auch die Verpflegung mit Essen und Getränken war bereits organisiert – für den Fall, den niemand haben wollte, der aber auch nicht auszuschließen war: Kasernierung. „Es war alles fertig“, erzählt GKM-Betriebsleiter Peter Volkmann eineinhalb Jahre später. „Es wäre nur noch ein Drücken des Knopfes nötig gewesen.“ Dann hätten die wichtigsten Beschäftigten, das sogenannte Schlüsselpersonal, auf der Anlage gearbeitet, gegessen, geschlafen: um trotz widrigster Umstände und unter gewaltigen privaten Einbußen die Versorgung mit Strom und Fernwärme sicherzustellen.

Dass dieser „Plan B“ nicht umgesetzt werden musste, weil sich die Pandemie hierzulande doch nicht so dramatisch entwickelte, wie zeitweise zu befürchten war, darüber ist Volkmann auch heute noch erleichtert. „Ich bin froh, dass wir nicht auf den Knopf drücken mussten“, sagt er. Und weiß, wem er das mit zu verdanken hat: „Die Mannschaft hat sich so toll verhalten, alle waren diszipliniert, haben auch im privaten Umfeld die Regeln eingehalten: Das hat uns gemeinsam stark durch die Pandemie gebracht.“

Hilfreich war natürlich auch, dass es im GKM bereits einen Pandemieplan gab, ja geben musste: so wie zahlreiche weitere Notfall-Pläne für alle denkbaren Szenarien – über die Volkmann aus Sicherheitsgründen jedoch nichts Näheres verraten darf. „Wir sind auf solche Situationen vorbereitet“, sagt er nur. „Wir denken mögliche kritische Situationen voraus.“

Sichere Versorgung trotz Corona-2
Corona-Präventionsmaßnahmen: Plexiglaswände in den Leitwarten ...


Entsprechend wurden im größten Steinkohlekraftwerk Deutschlands in jenem Frühjahr schnell die nötigen Maßnahmen umgesetzt: nur noch die absolute Mindestanzahl an Mitarbeitern im Werk, Schaltkonferenzen statt persönlicher Besprechungen, Masken, Desinfektionsmittel, Plexiglaswände, Abstand – die ganze Palette eben. Und natürlich Homeoffice.

Doch was in anderen Unternehmen mehr oder weniger leicht umsetzbar ist, lässt sich in einer Energieerzeugungsanlage nur begrenzt verwirklichen: Leitwarten können nicht von zu Hause aus gesteuert werden. Und die Schließung des Betriebs ist ebenfalls keine Option. Schließlich sind zahlreiche andere Firmen vom GKM abhängig – ganz zu schweigen von den Tausenden von Menschen, die auch in Coronazeiten mit Strom und Fernwärme versorgt sein wollen. Und zwar „24/7“, wie es Volkmann nennt – also rund um die Uhr. „Für uns war es wichtig, dass wir auch während der Pandemie dieser Aufgabe gerecht werden.“

Um das zu gewährleisten, wurden nicht nur die Beschäftigten auf den Warten in feste, strikt getrennte Teams unterteilt, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Instandhaltung sowie der werkseigenen Feuerwehr. Selbst die regelmäßigen Revisionen – vergleichbar vielleicht mit den Inspektionen bei einem Auto –, die für den regulären Weiterbetrieb der Anlagen wichtig sind, konnten durchgeführt werden – auch wenn dabei manches Mal ungewohnte Herausforderungen zu bewältigen waren. Wie bei dem Anruf einer Fremdfirma, an den sich Volkmann heute noch erinnert: „Wir haben hier 17 Mitarbeiter aus Kroatien, die waren gestern noch in Belgien. Dürfen die überhaupt rein?“ 
   

Sichere Versorgung trotz Corona-3
... und Container zum Schlafen – für den Notfall. BILDER: GKM


Diese und viele andere Fragen sind in enger Abstimmung und mit Unterstützung des GKM-Betriebsarztes und der Abteilung Arbeitssicherheit geklärt worden – natürlich immer unter Beachtung der geltenden Corona-Regeln, berichtet Volkmann: „Insbesondere unser Betriebsarzt hat zusammen mit seinem Team einen tollen Job gemacht.“

Der hausinterne Arbeitskreis Corona mit Vertretern aller Bereiche hat in der heißen Phase mindestens einmal pro Woche getagt, berichtet der Betriebsleiter, der Lenkungskreis der Führungskräfte nicht viel seltener. Die Beschäftigten seien zeitweise täglich über den aktuellen Stand und neue Erkenntnisse oder Maßnahmen informiert worden. Zudem hätten sich alle Kraftwerks- und Netzbetreiber in Süddeutschland und dem angrenzenden Ausland regelmäßig zusammengeschaltet und Informationen ausgetauscht.

So kann Volkmann inzwischen zufrieden und stolz bilanzieren: „Unsere vorbereiteten Notfall-Instrumente haben sehr gut funktioniert. Das GKM hat wegen Corona nie eine Einschränkung im Betrieb gehabt: Die Maschine hat funktioniert. Die Mannschaft hat alles gegeben und sich vorbildlich verhalten. Und so haben wir einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit geleistet.“

Was dafür alles unternommen worden ist, wissen die meisten Mannheimerinnen und Mannheimer ebenso wenig, wie sie seinerzeit von den Feldbetten erfahren haben – die zum Glück nie gebraucht wurden. „Von außen hat man das alles gar nicht wahrgenommen“, sagt Volkmann. „Von außen hat man nur wahrgenommen: Das Licht geht an und die Heizung wird warm. Und genau so soll es auch sein.“ Martin Geiger